piwik no script img

Trump empfängt ErdoğanFördern und Fordern

Beim Besuch in Washington erlebt der türkische Staatschef eine willkommene internationale Aufwertung. Aber Trump fordert klarere Kante gegen Russland.

Trump und Erdoğan treffen sich im Weißen Haus, Washington, 25. September Foto: Murat Cetinmuhurdar/Turkish Presidency/Anadolu Agency/imago

Istanbul taz | „Das war der teuerste Staatsbesuch aller Zeiten“, ätzte die türkische Opposition am Freitagmorgen, nachdem Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Donnerstagabend zu seinem lang ersehnten Besuch im Weißen Haus von Donald Trump empfangen worden war. Tatsächlich musste sich Erdoğan diesen Besuch einiges kosten lassen.

Sein Energieminister unterzeichnete zwei Verträge zur nuklearen Zusammenarbeit und dem Einkauf von US-amerikanischem LNG-Gas. Und Erdoğan selbst sagte zu, dass Turkish Airlines zur Unterstützung des kriselnden Boeing-Konzerns bis zu 300 neue Maschinen in Seattle einkaufen wird. Einen Vertrag über 150 neue Maschinen unterschrieb die Geschäftsführung von Turkish-Airlines noch am Freitagmorgen.

Doch die Verträge waren nur ein kleiner Teil dieses tatsächlich historischen Besuchs. Sechs Jahre lang hatte Erdoğan seit seinem letzten Treffen mit Trump im Weißen Haus während dessen erster Amtszeit daran gearbeitet, in Washington wieder in den Kreis der engen US-Alliierten aufgenommen zu werden. Trumps Vorgänger Joe Biden hatte Erdoğan durchgängig die kalte Schulter gezeigt und wollte den türkischen Präsidenten wegen dessen repressiver und undemokratischer Politik im Inland und seiner Nähe zum russischen Präsidenten Putin nicht empfangen. Nun, nach einem halben Jahr in seiner zweiten Amtszeit, hat Trump seinen „guten Freund“ Erdoğan wieder im Weißen Haus empfangen.

Die Bilder aus Washington zeigten zwei Autokraten, die sich gutgelaunt in die Arme schlossen. Trump tätschelte Erdoğan auf Arm und Schulter, zog dem gebrechlich wirkenden türkischen Präsidenten den Stuhl zurecht und lobte ihn über den grünen Klee als starken und weisen Führer. Und Erdoğan strahlte.

Schwenk der türkischen Außenpolitik?

Vor dem Treffen war der US-Botschafter in Ankara, Tom Barrack, von US-Medien gefragt worden, was Erdoğan eigentlich von Trump wolle. Barracks Antwort: Legitimität. Angesichts seiner prekären Situation zu Hause – katastrophale Wirtschaftslage und eine starke Opposition – sucht Erdoğan die Unterstützung durch Trump.

In seiner weitschweifigen Art erzählte Trump denn auch, dass er in der Zeit, als Biden ihn durch „Wahlfälschung“ vom Präsidentenamt verdrängt hatte, weiterhin Kontakt zu Erdoğan gehalten hätte. „Denn niemand kennt sich mit Wahlfälschung so gut aus wie Erdoğan“, erklärte Trump den staunenden türkischen Reportern im Weißen Haus.

Ein entscheidender Punkt blieb allerdings an diesem Donnerstagabend noch ungeklärt. Während Trump in Bezug auf den Gaza-Krieg Trump vorgab, sich mit Erdoğan einig zu sein, dass dieser Krieg aufhören müsste, drängte er den türkischen Präsidenten, gegenüber dem russischen Angriff auf die Ukraine endlich klar Stellung zu beziehen. Und vor allem: Die Türkei solle aufhören, Öl und Gas aus Russland zu kaufen.

Das allerdings wäre ein Schwenk der türkischen Außenpolitik um 180 Grad. Bisher hat Erdoğan sich als neutraler Vermittler zwischen Moskau und Kyjiv gegeben und vom preiswerten russischen Gas und Öl profitiert. Nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch als Pipeline-Knotenpunkt, über den russischen Gas in weitere Süd- und Osteuropäische Länder geleitet wurden.

Trump lockt Erdoğan mit Zugeständnissen

Jahrelang profitierte Erdoğan von einer Schaukelpolitik zwischen dem Westen und den Autokraten im Osten. Er gab sich als treues Nato-Mitglied, ließ sich allerdings auch zur Schanghai-Organisation und den BRICS-Treffen einladen und kokettierte mit einem Beitritt zu beiden chinesisch-russisch dominierten Zusammenkünften.

Trump lockt Erdoğan nun mit weitreichenden Zugeständnissen, wenn dieser sich eindeutig auf Seiten der USA einreiht. Er kündigte die Aufhebung von Sanktionen an, die er selbst in seiner ersten Amtszeit verhängt hatte, als Erdoğan nach dem Putschversuch 2016 das moderne russische Flugabwehrsystem S-400 gekauft hatte. Als Sahnehäubchen bot er Erdoğan an, er könne dann auch wieder in den exklusiven Kreis der Produzenten und Käufer des modernsten Kampfflugzeuges der Welt, der F-35 aufgenommen werden.

Gerade weil Israel die F-35 bereits nutzt und auch Griechenland den Flieger in den USA bereits gekauft hat, liegt Erdoğan sehr viel daran, dass die Türkei technologisch da auf gleicher Höhe bleibt.

Dennoch, ganz auf russisches Gas und Öl zu verzichten, wollte Erdoğan in Washington noch nicht zusagen. Ganz wollte er seine Karten noch nicht aus der Hand geben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare