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Archiv-Artikel

Trügerische Idylle, frisch saniert

Der MSV Duisburg startet den fünften Anlauf zum Bundesliga-Comeback und setzt auf Leitfiguren wie Dirk Lottner und auf das Durchhaltevermögen von Präsident und Mäzen Walter Hellmich

„Bei uns wird alles wie auf Schalke, nur kleiner“, sagt Hellmich

AUS DUISBURGROLAND LEROI

Dirk Lottner genießt die Idylle. Gerade mal 15 Menschen verfolgen in diesen Tagen die Trainingseinheiten des MSV Duisburg – und wenn nichts Ungewöhnliches passiert, kann man im Stadtteil Meiderich sogar die Vögel zwitschern hören. „So ruhig habe ich es mir auch nicht vorgestellt. Aber ich kann damit leben“, sagt der 32-jährige Mittelfeldspieler, der bei seinem letzten Verein 1. FC Köln Anderes gewohnt war. Trubel und Medienrummel, bei dem der ehemalige FC-Kapitän meist im Rampenlicht stand, gehörten am „Geißbockheim“ zum Alltag. Vermisst er nichts? „Im Gegenteil, der ganze Rummel in Köln war für mich ein Grund, den Verein zu verlassen. Ich habe da über fünf Jahre, um die Ohren bekommen aber auch Jubel erhalten“, erinnert sich Lottner, der mal monatelang für seinen FC überlebensgroß von Plakatwänden lächelte.

In Duisburg wird ihm so was wahrscheinlich nicht passieren. „Den Druck, der früher von außen kam, muss ich mir jetzt selbst machen“, sagt der Mann, den alle „Lotte“ rufen, und den selbst beim Spaziergang durch die Duisburger Innenstadt niemand erkennt. Komisch und ungewohnt sei das. „Ich möchte den Fans und mir beweisen, was ich noch drauf habe“, erklärt Lottner und erzählt ganz unverbindlich, dass man in der zweiten Liga oben mitspielen und am liebsten auch aufsteigen wolle.

Erzählt haben das in den letzten Jahren schon viele MSV-Neuzugänge, aber keinem traut man das so zu wie dem früheren Kölner, dem erst der Ruf vorauseilte, am Ball ein Genie zu sein, und der dann direkt das Amt des Kapitäns übernahm. „Eine echte Leitfigur“, sagt Walter Hellmich. Der Vereins-Vorsitzende verpflichtete neben Lottner noch mutmaßliche Führungsspieler wie Georg Koch, Ivica Grlic und Holger Wehlage, um endlich das Bundesliga-Comeback zu feiern. „Bei der Zusammenstellung des Teams haben wir revolutionär gehandelt“, sagt Trainer Norbert Meier, der die Einkaufspolitik als deutliches Signal zum Angriff verstanden wissen will. „Alle, die bei mir im Büro waren, haben auch unterschrieben“, verweist Hellmich gerne auf eine hundertprozentige Trefferquote. Man müsse eben nur überzeugend rüberkommen.

Davon versteht der Bauunternehmer eine ganze Menge. Früher führte er den Dinslakener Tennisverein DTG von der Kreisliga zur Deutschen Meisterschaft, jetzt versucht er sich im Fußball. Er benötigte nach seiner Amtsübernahme vor zwei Jahren nicht lange, um die Komplettmodernisierung des Wedaustadions, an der sich seine Vorgänger die Zähne ausgebissen haben, auf den Weg zu bringen. Binnen kürzester Zeit baute der Vorsitzende etwa drei Millionen Euro Verbindlichkeiten ab und gewann Sponsoren aus Politik und Wirtschaft. Längst ist das alte Wedaustadion abgerissen, schon im November soll die neue MSV-Arena, die 30.000 Zuschauer fasst und 43 Millionen Euro kostet, stehen. „Ein Schmuckstück. Bei uns wird alles wie auf Schalke, nur kleiner“, pflegt Hellmich über das Präsidenten-Denkmal gerne zu sagen – und fügt dann seinen Lieblingssatz, dass „wir jetzt alle Gas geben müssen“, an.

Ganz so einfach ist das aber nicht. Zum Saisonauftakt bezog der MSV am letzten Samstag in Dresden eine 1:3-Niederlage und wenn heute im Heimspiel gegen den 1. FC Saarbrücken nicht überzeugend gewonnen wird, ist es mit der von Lottner gepriesenen Idylle auch wieder vorbei. Der Sündenbock steht schon lange fest: Norbert Meier. Der Trainer ohne Kredit, der seit 19 Monaten im Amt ist, muss nach fünf enttäuschenden Jahren, in den denen der MSV erst aus der Bundesliga abstieg und dann im Zweitliga-Mittelmaß versackte, den Frust des Publikums ausbaden.

Meier und Hellmich ficht das nicht an. „Wir schaffen das“, glaubt der Chef, der weiß, dass er im Mittelmaß weder den noch vakanten Trikotsponsor, geschweige denn einen Namensgeber für die neue Arena finden wird. Dirk Lottner schließt sich dem an und formuliert seine persönlichen Träume. Am letzten Saison-Spieltag treten die Duisburger in Köln an. „Der FC ist dann schon durch, wir holen den fehlenden Sieg zum Aufstieg und feiern zum Abschluss gemeinsam“, hofft er.