True-Crime-Podcast „The Real Bierkönig“: „Aktenzeichen“ mit Karneval-Vibes
Spotifys Podcast über Morde auf Mallorca ist unterhaltsam – für 90er-Jahre-Ballermann-Fans. Neue Erkenntnisse fehlen.
Mallorca, ein dreifacher Mord, eine Papageienzucht, ein Koffer voller D-Mark und der Ballermann. Darum dreht sich „The Real Bierkönig – Mord auf Mallorca“. Am 12. November 1997 wurde der Gründer der mittlerweile kultigen Freiluft-Großraum-Disko „Bierkönig“ an der Playa de Mallorca, Manfred Meisel, zusammen mit seiner Tierpflegerin und seinem achtjährigen Sohn ermordet in seiner Finca auf der Insel aufgefunden. Der Fall ist bis heute ungelöst. Nach spanischem Recht ist der Mord sogar seit fünf Jahren verjährt. Eine attraktive Ausgangslage für die Journalisten Marcus Engert und Phil Jahner, die zwei Jahre lang für den Podcast recherchiert haben.
Heraus kam ein investigativer True-Crime-Podcast, in dem die Reporter das Investigative fast mehr feiern als den True-Crime-Inhalt. Der von vorneherein einfach reißerisch werden musste. Als Hörer:in braucht man dafür Hang zu Sensationalismus und eine gewisse Mallorca-Tourismus-Boom-Nostalgie, denn neue Enthüllungen bleiben aus.
Dafür schaffen es Engert und Jahner, eine Welt und eine Zeit wieder aufleben zu lassen, in der „Malle“ geboren wurde. Das catchy Setting weckt sicher Nostalgie und Urlaubsvibes beim deutschen Publikum. Sowohl bei denen, die die Bier- und die Schinkenstraße und ihre Lokale an der Playa selbst erfahren haben, als auch bei denen, die sie nur aus Erzählungen kennen. Das ist unterhaltsam, obwohl man ein Blutbad aufklären will, zum Teil auch lehrreich.
Der Podcast versucht ernsthaft vorzugehen: Es kommt sogar ein Soziologe zu Wort, der sich mit dem „Phänomen Mallorca“ befasst. Kritik am die Insel ausbeutenden Tourismus lässt der Podcast allerdings meistens aus. Stattdessen werden Zitate eingespielt, in denen Menschen sagen, wie unkompliziert es sei, dass man auf Mallorca einfach mal ausgelassen feiern könne, ohne seinen Ruf zu verlieren. Und wie schwer es die Mallorquiner:innen deutschen Geschäftsleuten gemacht hätten, dort in den 90ern.
Olé, olé, Malle!
Bierkönig-Gründer Meisel ist einer dieser Geschäftsleute. Der Podcast nennt ihn „eine Legende“, einen „Mann, der die Kulturgeschichte einer ganzen Insel umgeschrieben hat“. Diesem Narrativ folgten Engert und Jahner auf ihrer Recherche-Reise. Eine Mischung aus Voyeurismus und Sensationsgeilheit lockt die beiden auf die Insel, die bis heute Kultstatus in Deutschland genießt, die das 17. Bundesland ist, der Ort, der nur einmal im Jahr ist: Olé, olé, Malle! Der Bierkönig hat dieses Bild entscheidend mitgeprägt.
„The Real Bierkönig – Mord auf Mallorca“, neue Folgen immer donnerstags auf Spotify
Den Mord an ihm erklärt ein Frankfurter Kneipenbesitzer und Bekannter von Meisel so: „Da unten gibt’s halt ’ne Mafia, hier gibt’s keine Mafia.“ Die zwei Reporter lassen das so stehen. Ein weiteres mögliches Mordmotiv auf der langen Liste von Spekulationen und Theorien. Denn das bietet der Podcast auf jeden Fall: die Möglichkeit für richtig viele Spekulationen und keine Auflösung.
Zusammen mit den Reportern klammert man sich an alle möglichen Spuren, die eventuell übersehen worden sind. Möglichst spannend und mit dramatischer Musik, immer wenn sich ein „krasser“ Hinweis andeutet. Immer in der Hoffnung, auch Hinweise, Anrufe und Tipps vonseiten der Hörer:innen zu bekommen. Eine Art ausführliches „Aktenzeichen XY“ mit Karneval-Vibes am Strand der 90er.
Dabei soll auch wirklich jede:r gefunden und ausgefragt werden, der auch nur irgendetwas mit dem Fall oder Meisel selbst zu tun haben könnte. So kommt sogar ein spirituelles Medium ins Spiel: eine Frau, die anlässlich eines RTL-Formats Jahre später durch den Tatort geführt worden war. Was das wohl mit ihr gemacht hat?
Am Ende lernt mal viel über Ballermann-Mallorca, die Deutschen dort (über die Einheimischen eher weniger) und Engerts und Jahners Emotionen und Reaktionen zum Mordfall. Außerdem bestätigt er, dass ein jahrzehntealter Mord nicht einfach so zu klären ist. Und dass immer noch die eine Hoffnung bleibt: dass sich irgendwann der Mörder selbst meldet, weil er am Ende seiner Tage die Tat bereut.
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