Trio-Schlagzeuger Peter Behrens: Der Clown mit der Trommel

Als Schlagzeuger der Band Trio war Peter Behrens ein Star der Neuen Deutschen Welle. Dann stürzte er ab. Jetzt hat er seine Autobiographie geschrieben.

Von ganz oben bis ganz unten: Der frühere Trio-Schlagzeuger Peter Behrens. Bild: Moritz Thau

Es gibt Dinge, die sind so untrennbar mit ihrer äußeren Erscheinungsform verbunden, dass selbst kleinste Änderungen irritieren. Als ein norddeutscher Automobilkonzern zum Beispiel mal seinen knubbeligen Dauerbrenner auf „Beetle“ trimmte, verstörte das viele Menschen so sehr wie Meg Ryans Schlauchbootlippen oder Crystal-Coke ohne Farbe. Kein Wunder, dass dieser alte Mann von 66 Jahren mit Opa-Hut auf dem aschgrauen Haar für stilles Entsetzen sorgt, als er am Rande des Hamburger Hauptbahnhofs im Kartoffelsalat stochert.

Schließlich haben große Teile dieser Republik ein anderes Bild von Peter Behrens im Kopf als vorzeitige Verwitterung solchen Ausmaßes. Vor drei Jahrzehnten hat es sich fast wie einst der VW-Käfer ins kollektive Gedächtnis gebrannt: Als Schlagzeuger der Band Trio trug Behrens weißes T-Shirt unter roten Hosenträgern und eine lustige Stirnlocke überm schläfrigen Blick.

Kürzlich ist seine Autobiographie erschienen und Behrens sitzt im hinteren Eck eines Lokals am ebenso verwitterten Hamburger Steindamm mit dem Namen „Wiener Café“, trägt drei Lagen Wollpullover und lächelt leicht zahnlos zur Begrüßung.

Peter Behrens: Der Clown mit der Trommel. Meine Jahre mit Trio – aber nicht nur. Mit Klaus Marschall, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2013, 288 S., 19,95 €

Aber wenigstens lächelt er. Denn als seine Dreimannkapelle 1986 nach kurzem Ausflug ins globale Entertainment sang und klanglos von der ganz großen Bühne abtrat, als sich Trio – neben Nena, Ideal oder Fehlfarben die wohl wichtigste Band der Neuen Deutschen Hitparadenwelle – auflöste, da tat das ihrem Schlagzeuger alles andere als gut.

„Bis Klaus kam“

„Ich war unten und zwar eine Weile“, erzählt der gebürtige Niedersachse vom Loch, in das er ohne seinen musikalischen Anker gefallen war. „Kokain, Alkohol, Schulden, Arbeitslosigkeit“, fügt er grinsend hinzu: das volle Programm des Absturzes eines Aufsteigers. Und der war so heftig, so tief, so umfassend, dass es kein Zurück zu geben schien.

„Bis Klaus kam“, wie Peter gleich mehrfach schwärmt. Von Klaus Marschall nämlich, einem gänzlich unbekannten Lehrer aus dem westfälischen Soest, den ein Bekannter mit ähnlicher Biografie auf den gestrauchelten Exstar aufmerksam gemacht hatte. Er nahm Kontakt auf zu Behrens, überzeugte ihn von der heilenden Kraft des Redens, kam zu Besuch, lud ihn ein. Für den sesshaften Pensionär Behrens, der in Wilhelmshaven lebt, war das eine kleine Weltreise.

Deshalb hat dieser fremde Pädagoge seinem Freund in spe geraten, das Erlebte nicht nur auszusprechen, sondern festzuhalten, festhalten zu lassen, von ihm, Klaus Marschall. „Ich denke“, im Bahnhofscafé grinst Behrens wieder sein lustiges Lausbubenlachen im faltigen Gesicht, „er schreibt.“

„Da Da Da“

Schließlich war schon der Beginn alles andere als auf Rosen gebettet. Geboren kurz vorm knüppelharten Nachkriegswinter 1947 im friesischen Sanderbusch als unehelicher Sohn eines amerikanischen GI, schickte ihn die Mutter frühzeitig ins Waisenhaus. Kein allzu hoffnungsvoller Start – wäre er nicht sehr bald ins benachbarte Varel adoptiert worden: Von zwei Bundesbahnangestellten mit Namen Behrens, die ihn fortan zielstrebig auf eine Beamtenlaufbahn bringen wollten.

Vergebens: Schon der junge Peter entzog sich dieser Option durch ein Lehramtsstudium, mehr aber noch durch die Musik. Sie sei seine Rettung gewesen, sagt Behrens jetzt. Sie führte ihn über den Umweg diverser Schul und Krautrock, ja selbst Swing oder Schlagerbands im Jahr 1980 per Zeitungsannonce zu Stephan Remmler und Kralle Krawinkel ins oldenburgische Großenkneten. Es war der Keim eines märchenhaften Wachstums zu absoluten Topstars der NDW.

Plötzlich war deutscher Pop auch ohne Kunstnamen von Roy bis Rex plus Liebeszwang im Refrain massentauglich. Umso erstaunlicher, dass Trio ihren Durchbruch mit dem minimalistischen Anti-Lovesong „Da Da Da“ schafften. Womit wir beim Problem wären. Denn unter all den Karnevalsfiguren der NDW wurde Trio zur Prinzengarde.

Das passte zwar zu Behrens, der sein Alleinstellungsmerkmal des stoischen Clowns auf der Mailänder Artistenschule gelernt hatte. Doch so sehr das Zurückhaltende „auch meinem Naturell entspricht“, wie er zurückhaltend erzählt, ergriff dieses Markenzeichen derart Besitz von ihm, dass sein Verlust wie kalter Entzug wirkte.

Ein Rentnerleben

Denn als Dominik Grafs Klamauk „Drei gegen Drei“ 1984 an der Kinokasse absoff, hatte sich die Hauptdarsteller-WG auch künstlerisch längst entfremdet. „Remmler“, wie Behrens seinen Sänger auch im Buch distanziert nennt, „wollte Richtung Schlager, Kralle zurück zum Rock, ich stand zwischen den Stühlen.“ Als es nach dem letzten Hit „Turaluraluralu“ 1986 zum Bruch kam, stand Behrens also vor dem Nichts. Bis, ja, bis jener Klaus Marschall kam, den er nicht kannte, aber kennenlernte, je mehr er ihm von sich selbst preisgab.

Und wie geht es dem Clown mit der Trommel, so der Titel des Buches, heute – 27 Jahre, viele Angebote zur Reunion und 270 Seiten Autobiografie später? Trio, „der Mount Everest meines Lebens“, liege hinter ihm und dürfe dort auch bleiben. Vor ihm liege schließlich ein Rentnerleben, das er sogar genießen kann seit der „Therapie des Schreibens“, wie er es nennt.

Es war ein langer Prozess, der Anekdoten über durchzechte Nächte mit Falco ebenso zutage förderte wie die Geschichte über jenes halbe Jahr Knast, das ihm Alkohol am Steuer eingebracht hat. Zu lesen ist ferner von verjuxten Millionen oder jener Wahrsagerin, die ihm eine Schriftstellerkarriere prophezeit hatte. Sie hat Recht behalten, irgendwie. Auch wenn es das mit dem Schreiben jetzt gewesen sein soll, wie er bei der ersehnten Zigarette danach noch betont.

In Hamburg würde Peter Behrens gern bald leben, unter Leute kommen, auch mal trommeln. Aber noch lieber: Wien. „Da haben wir einen Fanclub, der mich ein, zweimal im Jahr einlädt.“ So ganz kommt Peter Behrens offenbar doch nicht los von Trio, dem Berg seines Lebens.

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