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Trinken in AlbanienMake Raki Great Again

Nach dem Fall des Kommunismus kam der Raki in Albanien aus der Mode. Nun machen ihn zwei Brüder in ihrer Bar zur Cocktailzutat.

Sofokli Cali betreibt mit seinem Bruder Evis das „Nouvelle Vague“ in Tirana Foto: Atdhe Mulla

Aus den Boxen tönt Funk und der verwinkelte und knallbunt eingerichtete Raum hat so gar nichts gemein mit dem gängigen, eher düsteren und minimalistischen Stil der American Bar. Wir sitzen im Herzen Tiranas am Holztresen des „Nouvelle Vague“, eröffnet haben sie 2012 die Brüder Sofokli und Evis Cali. Sie wollen etwas über albanischen Raki erzählen, den sie auch in ihren Cocktails verwenden.

Moment, Raki? Vielen Deutschen kommt bei diesem Wort als Erstes sicherlich ein Digestif aus dem Türkeiurlaub in den Sinn. Doch dieser Rakı ist nicht gleich Raki ist nicht gleich Rakija, Rakia, Rachiu … auf dem Balkan und in angrenzenden Ländern gibt es von diesem Obstbrand wohl ähnlich viele landestypische und regionale Variationen wie von Ćevapčići, auch der pflaumige Sliwowitz gehört im Prinzip dazu. Was sich relativ klar definieren lässt: Türkischer Rakı ist immer ein Anisée, also ein mit Anissamen versetztes Trauben- oder Rosinendestillat – albanischer Raki kommt ohne Anis daher.

Über Herkunftsfragen und Varianten lässt sich am Tresen vortrefflich diskutieren. „Jeder denkt, dass Raki von den Osmanen kam, die den Balkan eingenommen haben“, sagt Sofokli Cali, mit 39 der ältere der beiden Brüder. „Wobei ich natürlich sagen würde, dass er unser Nationalgetränk ist.“ Während der Diktatur zwischen 1946 und 1991, erzählt er weiter, habe jeder Haushalt seinen eigenen Hausraki hergestellt.

„Dabei grenzte das Produzieren von Raki in Albanien immer schon an eine Art heiligen Akt“, ergänzt Evis Cali, 36 Jahre alt. Etliche Leute benutzen dazu die garteneigenen Trauben, die in Albanien das ganze Land durchwuchern, dabei wird die ganze Frucht verwendet, nicht gehäutet, nicht entkernt. Dann wird fermentiert, einmal destilliert und der Vor- wie Nachlauf abgeschnitten, wie das beim Destillieren üblich ist. „So wird das in jedem Haushalt gemacht, auch bei unserem Großvater, und wir waren als Kinder oft dabei. Während des Brennvorgangs sitzt man dann um die Destille und feiert das Prozedere, meist sind Gäste da.“

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Zu stark für die Jungen

Nach dem Fall des kommunistischen Regimes hat Raki seinen Stand in der albanischen Gesellschaft jedoch etwas verloren. „Wir haben Raki getrunken, um unsere ja doch schmerzhafte Geschichte erträglicher zu machen, um beieinander zu sein und um einander wertzuschätzen, auch in isolierenden Zeiten“, sagt Evis Cali. Die jüngere Generation findet Raki altmodisch und überdies zu stark. Denn in Albanien gilt, wie derzeit überall: Viele Umdrehungen sind nicht mehr zeitgemäß, man trinkt die sogenannten Low-ABV-Drinks. Da passt Raki mit seinen 44 bis 46 Volumenprozenten nicht hinein.

Sofokli und Evis Cali wollen diesen Niedergang nicht hinnehmen und leisten daher nationale Pionierarbeit. Sie sind die Ersten, die Raki in eine High-End-Bar gebracht haben, denn das, so sagen sie, sei die einzige Möglichkeit, „um Raki ‚great again‘ zu machen“. Es müsse ein Upgrade in der Produktion stattfinden, damit der Raki in den guten Cocktailbars bestehen und dort dann in ausgeklügelt konzipierten Drinks landen könne.

In der Teetasse serviert: der Raki-Cocktail „Drunk Bee“ Foto: Giulia Dajci

Tatsächlich wuchs in den vergangenen Jahren die Anzahl der Winzer, die neben Wein auch Raki produzieren, wodurch die Qualität im Gros besser wurde. Dabei hat sich eine neue Nische herausgebildet: Terroir- oder Single-Grape-Rakis, Schnäpse also, bei denen die Herkunft der Trauben zählt, oder bei deren Herstellung gezielt nur eine bestimmte Sorte verwendet wird.

Doch wie präsentiert man das gut im Glas? Und was, überhaupt, passt zu Raki, und von welchen Kombinationen lässt man lieber die Finger? „Erfahrungsgemäß ist es gut, Zutaten zu verwenden, die nicht aufdringlich sind“, sagt Evis Cali. Was bei den Brüdern nicht funktioniert hat, waren Versuche mit Schokolade, Rotwein und Paprika: „Es passierte keine Magie und die Aromen fühlten sich viel zu unterschiedlich an.“ Sehr gut waren hingegen Drinks mit weißem, süßem oder sogar trockenem Wermut, mit Kräutern und Gewürzen. Außerdem empfehlen sie Orangenliköre sowie Früchte, besonders saure Apfelaromen. „Das verleiht dem Raki einen säuerlichen Glanz, macht die Spirituose verspielter und lebendiger.“

Zu unserem Gespräch trinken wir einen „Black Sabah“, bestehend aus türkischem Kaffee, geröstetem Mais, Honig, Gewürzen, Raki aus Muskattrauben und Rum. Hierbei wird der Raki noch einmal mit dem türkischen Kaffee destilliert, was dem Cocktail ein sehr sanftes Mundgefühl, eine filigrane Würze und ein Aroma zum Erinnern verleiht. Und was zählt zu den Erinnerungen der Cali-Brüder? „Die älteren Generationen, bei denen es morgens eben genau zwei Getränke nebeneinander gab: schwarzen Kaffee und das erste Glas Raki.“

Ein Biskuit als Food-Pairing

Ein weiterer Cocktail im Nouvelle-Vague-Menü ist der „Drunk Bee“. Der Raki stammt hier aus der albanischen Rebsorte Puls, zudem wird weißer Wermut mit Bienenpollen und Zitronenschalen angereichert, dann kommen Nelken, Honig und etwas Säure zum Abstimmen hinzu. Serviert wird der Drink in einer Teetasse, dazu gibt’s einen Biskuitkeks mit Bittermandel und Orangenlikör und Eis. „In unseren Augen ist das das perfekte Food-Pairing“, sagt Sofokli Cali.

Die Cali-Brüder werden weiter daran arbeiten, den Raki wieder groß zu machen. Dazu gehört auch Albaniens erstes internationales Cocktailfestival, das sie 2023 ins Leben gerufen haben. In diesem Jahr waren fünf namhafte Bars aus ganz Europa mit dabei; keine von ihnen hatte zuvor je mit albanischem Raki geschüttelt und gerührt – anschließend schon.

„Neues ist doch immer spannend für Menschen, die gerne mit Aromen experimentieren. Einfach eine Flasche aussuchen und losprobieren“, so die dringende Empfehlung von Sofokli und Evis Cali an die Barkeeper der Welt: „Wenn man es ein bisschen romantisieren will, kann man sich da auch ein Vorbild am Tequila nehmen. Der hat es auch aus dem Shotglas in den Margarita oder Paloma geschafft. Und das sind heute gängige Drinks.“

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