Trickfilmer über seinen ersten Langfilm: „Wie damals mit 17“
Die Hamburger Oscar-Gewinner Wolfgang und Christoph Lauenstein machen eigentlich Werbung. Nun kommt mit „Luis und die Aliens“ ihr erster Langfilm in die Kinos.
taz: Herr Lauenstein, warum hat es so lange gedauert, bis Sie Ihren ersten langen Film gemacht haben?
Wolfgang Lauenstein: Die Arbeit für die Werbung war unheimlich bequem für uns. Man hat einen Auftrag bekommen, war dann nach zwei, drei Monaten fertig, dann hatte man wieder ein bisschen Pause. Aber dann haben sich bei uns immer mehr Ideen aufgedrängt und immer mehr Charaktere wollten zum Leben erweckt werden, sodass wir uns dann doch aus der Komfortzone heraus getraut haben. Und das war dann wirklich ein Wagnis, denn man bekommt ja nicht sofort Geld für solch ein Projekt. Man muss erst mal was erarbeiten und tritt gegen viele Bedenkenträger an, aber wir waren trotzdem verrückt genug, es zu wagen.
Nun ist „Luis und die Aliens“ ein Familienfilm über die Freundschaft zwischen einem kleinen Jungen und komischen bunten Außerirdischen und das erwartet man ja nicht unbedingt von den Machern von „Balance“.
Eigentlich gehen wir hier zu unseren Wurzeln zurück, denn als wir mit 17 Jahren unsere ersten Super-8-Filme machten, waren die so ähnlich wie „Luis“: eine Mischung aus Komödie und Spannung mit interessanten Wendungen und viel Dialogwitz. „Balance“ war für uns ein Sonderfall, da studierten wir an Kunsthochschulen und wollten Film als Kunst machen.
Was für eine Erfahrung war dann der Gewinn des Oscars für Sie?
„Balance“ war ja eigentlich eine Studentenarbeit, bei der wir überhaupt nicht auf Preise spekuliert haben. Wir wollten ausloten, was im Stop-Motion-Genre die ideale Story ist. Da waren Figuren, die ein Gewicht haben und parallel dazu die ganzen gesellschaftlichen Entwicklungen Ende der 1980er-Jahre sowie der Einfluss von Samuel Beckett. Aus all dem ist dann diese Idee zusammengewachsen. Dann wurde der Film auf dem Trickfilmfestival in Annecy gezeigt und in die USA verkauft – zu jemandem, der jedes Jahr einen Kompilationsfilm mit Kurzfilmen in die Kinos bringt. Das war eine Bedingung dafür, dass der Film für den Oscar nominiert wurde. Als wir dann von der Nominierung erfuhren, waren wir baff – wir wussten nicht einmal, dass es überhaupt einen Oscar für Kurzfilme gibt.
Und der Oscar war dann ein Türöffner, der es Ihnen ermöglichte, sich als Produzenten von Auftragsarbeiten schnell selbstständig zu machen.
Ja, da kamen dann auch gleich sehr interessante Anfragen von der Werbung, bei denen wir unheimlich viele Freiheiten hatten. Wir waren ganz fasziniert, als etwa Nike kam und von uns einen Teaser haben wollte. Da haben Filmkünstler aus der ganzen Welt zehn Sekunden lange Filme über den neuen Sportschuh Nike Air gemacht. Und schon waren wir drin in der Werbeschiene.
"Luis und die Aliens". Regie: Wolfgang Lauenstein, Christoph Lauenstein. Animationsfilm, Deutschland 2018, 85 Min.
Und jetzt haben Sie gleich zwei Filme zur gleichen Zeit fertiggestellt. Wie kam es denn dazu?
Wir haben tatsächlich absolut zeitgleich noch einen zweiten Kinderfilm inszeniert. Das ist ein Projekt über die Bremer Stadtmusikanten mit dem Titel „Marnies Welt“, das wir viel früher angeleiert hatten und das sollte auch schon vorher gemacht werden, aber unglücklicherweise ist es dann so gekommen, dass die beiden parallel produziert wurden.
Unglücklicherweise?
Eigentlich ist es schon Stress genug, einen Kinofilm durchzuziehen, aber ich habe mich ja Gott sei dank beizeiten geklont und so habe ich hauptsächlich in der täglichen Kleinarbeit den „Luis“ gemacht und mein Bruder Christoph die „Marnie“. So konnte dann immer der andere aus der Distanz auf die Arbeit schauen und sehr wertvolle Hinweise geben.
56, arbeitet mit seinem Zwilling Christoph in Hamburg als Trickfilmer vor allem für Werbung und TV. Ihr Stop-Motion-Kurzfilm „Balance“ erhielt 1990 einen Oscar. Ihr erster Langfilm „Luis und die Aliens“ läuft ab 24. Mai in den Kinos, „Marnies Welt“ folgt in wenigen Monaten.
Und warum plötzlich diese Eile?
Bei „Marnie“ hatten sich Verwechslungsmotive angedeutet und für die haben wir als Zwillinge ja eine besondere Affinität. Aber da hatten wir nicht das Gefühl, dass wir unser ganzes komödiantisches Potential ausschöpfen konnten, und deshalb haben wir uns gezielt eine Geschichte ausgedacht, in der das möglich war. Dafür haben wir auf eine Idee zurückgegriffen, die schon ganz lange in unseren Köpfen schwirrte. Da ging es um Aliens, die auf der Erde leben und sich als Menschen tarnen müssen. Diese Idee haben wir dann sehr schnell weiterentwickeln können.
Und wann können wir den Stadtmusikanten-Film im Kino sehen?
Der ist fertig und sollte eigentlich eine Woche nach „Luis“ in die Kinos kommen, aber das war uns dann doch zu dicht und jetzt kommt er wahrscheinlich zum Ende des Jahres raus.
Bei Animationsfilmen herrscht ja eine extreme Arbeitsteilung. Da gibt es Spezialisten für die Drehbücher, die Entwürfe der Figuren und Regie. Bei Ihnen ist das anders. Haben Sie und Ihr Bruder nicht im Grunde einen Autorenfilm gedreht?
Das Team von „Luis“ hatte etwa 100 Mitarbeiter, aber trotzdem sehe ich unser Projekt tatsächlich eher als Autoren- und nicht als Produzentenfilm, wie sonst in der Branche üblich. Weil wir von der Idee über das Buch und die Regie das Ganze sehr konsequent verfolgt haben. Nach dem Buch hatten wir eine sehr genaue Vorstellung davon, wie der Film aussehen sollte. Er existierte schon im Kopf und dann haben wir sehr genau darauf geachtet, das alles auch so umzusetzen. Normalerweise geht solch ein Projekt immer von einem Produzenten aus. Da spielen dann gleich Geldaspekte bei der Stoffentwicklung eine Rolle, und das finden wir nicht so gut. Für uns muss es mit inspirierten Autoren beginnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker