■ Mit Liquidationen auf du und du: Treuhand legt Hand an
Berlin (taz) – Liquidatoren sind keine Henker, die mit dem Beil in Not geratenen Betrieben den Garaus machen. Das herauszustellen ist dem Chef der Abwicklungsabteilung in der Treuhandanstalt, Ludwig M. Tränkner, ein Herzensanliegen. „Bei uns bedeutet Liquidation nicht: Rolläden runter, Licht aus, Tür zu und alles versilbern“, sekundiert ihm Liquidator Wilhelm Schaaf, der seit 1960 im Konkursgeschäft tätig ist und sich nach AEG und co op nun um die Motorradwerke in Zschopau und die Ökokühlschrankfirma dkk Scharfenstein kümmert. Oberstes Ziel sei vielmehr, die Firma aufzulösen, um die gesunden Teile zu sanieren und zu verkaufen. Bei der insgesamt katastrophalen Arbeitsplatzbilanz schneiden die abgewickelten Betriebe nicht übermäßig schlecht ab: 32 Prozent der Jobs wurden erhalten – 237.000 Arbeitsplätze blieben auf der Strecke.
Wird ein Betrieb von den Managern der Breuel-Behörde als nicht sanierungs- und verkaufsfähig eingeschätzt, geht er an die Abwicklungsabteilung der Treuhand über. 3.151 der rund 13.000 einst von der Treuhand übernommenen Firmen wurden hier gemeldet. Angeblich unabhängige Gutachter prüfen dann, welches Abwicklungsverfahren am preisgünstigsten ist. Kommen die Direktoren zu dem Schluß, daß in der freien Markwirtschaft kein Teil des Betriebes eine Existenzberechtigung hat oder die Sanierung zu teuer wird, wird die Gesamtvollstreckung eingeleitet. Bei diesem gerichtlichen Verfahren kann der ehemalige Eigentümer, also die Treuhand, keinen Einfluß mehr nehmen. Der Konkursverwalter, der nur dem Gericht und den Gläubigern gegenüber verantwortlich ist, muß versuchen, die Maschinen, Betriebsteile und Grundstücke möglichst teuer zu verhökern; Arbeitsplätze sind für ihn kein Kriterium. Etwa zwölf Prozent der in der Abwicklungsabteilung gemeldeten Fälle ereilte dieses Schicksal.
Beim Liquidationsverfahren hingegen übernimmt ein konkurserfahrener Rechtsanwalt im Auftrag der Treuhand die Abwicklung. Tränkner gibt an, daß sofort Vertreter der Geschäftsleitung, des Betriebsrats, der Gewerkschaften, Kommunen und Länder sowie Landtags- und Bundestagsabgeordnete an einen Tisch gebeten werden und gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. „Entscheidungen werden nur im Konsens gefällt“, schreibt die Treuhand-Pressestelle. Jederzeit gäbe es völlige Transparenz. Bisher hätten die 750 Liquidatoren 100 Millionen Mark an Honorar kassiert – im Vergleich zu sonstigen Ausgaben der Anstalt geradezu peanuts. aje
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