Treuenbrietzen verkauft den Stadtwald: Das Ende des Waldumbaus
In Treuenbrietzen könnte aus einem Musterbeispiel für naturnahe Forstwirtschaft das Gegenteil werden. Stadtverordnete wurden hinters Licht geführt.
Sogar einen Stadtförster leistet sich die 8.000 Einwohner zählende Stadt. „Forstingenieur Dietrich Henke leitet das Forstamt“, ist auf der Seite zu lesen.
Doch die Seite im Netz ist veraltet. Treuenbrietzen hat seinen Stadtwald im Mai für 20 Millionen Euro verkauft. Auch Förster Dietrich Henke musste gehen. So wollte es der neue Besitzer, die Muhr’sche Forstverwaltung GBR. Geschäftsführer Thomas Muhr leitet ein Unternehmen aus der Autozulieferbranche mit 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Als wesentliche Bedingung für die Veräußerung des Stadtwalds wurde vertraglich vereinbart, dass das in der Vergangenheit erfolgreich eingeführte Waldbewirtschaftungskonzept mit dem Ziel eines naturnahen Waldumbaus unverändert fortgeführt wird“, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung der Stadt vom 4. Mai 2022.
Ernüchterung im Ortsbeirat
Andreas Fetz hat da seine Zweifel. „Im Ortsbeirat wurde uns erklärt, dass die Schutz- und Erholungsfunktion eines Walds für private Eigentümer nicht gilt“, sagt Fetz, der für die Bürgerinteressensvereinigung BIV in der Stadtverordnetenversammlung sitzt. „Es gelte nur noch das allgemeine Betretungsrecht.“ Fetz befürchtet nun, dass der neue Förster die Wirtschaftlichkeit des Walds vor das Ziel einer „naturgemäßen Waldwirtschaft“ stellt.
Es wäre eine Drehung um 180 Grad. Denn bis zu seinem Verkauf galt der Stadtwald tatsächlich als Paradebeispiel für den Waldumbau. Auch das Projekt „Pyrophob“, mit dem unter anderem die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde die klimaresistenten Wälder der Zukunft erforschen will, liegt zu einem Teil auf dem Gelände des ehemaligen Stadtwalds.
Doch Fetz verweist nicht nur auf den neuen Förster, sondern auch das Zustandekommen des Eigentümerwechsels. „Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung für den Verkauf des Stadtwalds ist nur zustande gekommen, weil der Bürgermeister versichert hat, dass das Land den Wald kaufen wolle.“
Stadtwald zu Landeswald, das gab eine knappe Mehrheit. Auch deshalb, weil Treuenbrietzen klamm war. „Wir standen damals vor der Frage, ob wir den Wald behalten oder eine Schule schließen müssen“, sagt Fetz.
Land wollte nicht kaufen
Doch das Land dachte gar nicht daran zu kaufen, und nun sind die Befürchtungen groß in Treuenbrietzen. Aus dem ehemaligen Vorzeigeprojekt des Waldumbaus könnte bald das genaue Gegenteil werden. Schon ist zu hören, dass der neue Förster die Wildbestände erhöhen und Totholz aus dem Wald entfernen wolle. Angeblich, um die Waldbrandgefahr zu senken, denn in Treuenbrietzen hat es 2018 und 2022 gebrannt. „Doch Totholz hält den Waldboden feucht“, sagt Fetz.
Und zu viele Rehe knabbern die Triebe von jungen Eichen und Buchen weg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin