Treibhausgas-Ausstoß der Landwirtschaft: Erst das Fressen, dann die Umwelt
Der Internationale Agrarministergipfel akzeptiert, dass die Landwirtschaft mehr Treibhausgase ausstößt. Schließlich wachse die weltweite Nachfrage nach Lebensmitteln.
Die Landwirtschaft ist laut UN-Welternährungsorganisation für 30 Prozent des globalen Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich. Dennoch haben Deutschland und 45 andere Staaten am Samstag erklärt, bis 2050 müssten 70 Prozent mehr Nahrungsmittel produziert werden - weil die Weltbevölkerung wächst. "Zunehmende Agrarproduktion wird also zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen, vor allem aus der Tierhaltung, führen", folgern die Länder in der Abschlusserklärung des Berliner Agrarministergipfels. Die Teilnehmer, zum Beispiel China und mehrere afrikanische Länder, repräsentieren die Hälfte der Weltbevölkerung.
Um das Klima wenigstens etwas zu schonen, soll "technischer Fortschritt in Züchtung und Agrartechnik" gefördert werden. Das könnte zum Beispiel dazu führen, dass Kühe je Kilogramm energieaufwendig hergestellten Futters noch mehr Milch geben. Der Vertragsstaatenkonferenz zur UN-Klimarahmenkonvention empfehlen die Minister, "ein Arbeitsprogramm zur Landwirtschaft" zu erstellen.
Kritiker bezweifeln, dass die Bauern tatsächlich 70 Prozent mehr produzieren müssen, wenn die Weltbevölkerung wie prognostiziert bis 2050 um 30 Prozent auf 9 Milliarden Menschen wächst. "In die 70 Prozent ist integriert, dass man nichts gegen Ernteverluste, Verschwendung und den hohen Fleischkonsum in Industrieländern tut, aber gleichzeitig die Menschen in anderen Staaten mehr Fleisch essen", sagt Matthias Meißner, Agrarreferent des WWF Deutschland. "Das ist ein Maximalszenario."
Allerdings halten auch Umweltschützer es für nötig, dass vor allem von Hunger geplagte Länder mehr Lebensmittel erzeugen müssen. "Das geht aber nicht zwangsläufig mit mehr Treibhausgasen einher", erklärt Meißner. Der Ökolandbau etwa verzichtet auf klimaschädliche Mineraldünger und Pestizide. Im Abschnitt der Gipfelerklärung über Effizienz erwähnen die Minister solch eine "Low-input-Landwirtschaft" aber nur zuletzt und ohne sich für deren Förderung auszusprechen.
Noch wichtiger als Produktionssteigerungen zur Hungerbekämpfung ist für den WWF-Experten jedoch, dass die Menschen in Industrieländern weniger Fleisch essen. Denn allein in Deutschland verursacht die Viehhaltung laut dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung 71 Prozent der Treibhausgase in der Landwirtschaft. Bei der Fleischproduktion geht auch viel Getreide verloren, das Menschen essen könnten.
Doch dazu findet sich in dem Gipfeldokument kein Wort. Die deutsche Ministerin Ilse Aigner (CSU) sagte zum Fleischkonsum sogar: "Ich meine auch nicht, dass es Aufgabe des Staates ist, sich an Verzichtsdebatten unter erhobenem Zeigefinger zu beteiligen." Reinhild Benning vom BUND dagegen wünscht sich, dass Aigner zu weniger Fleischverbrauch aufruft: "Es wäre ja nur eine Empfehlung." Aber die Ministerin stehe eben unter dem Druck des Bauernverbandes, der immer mehr verkaufen will.
Dessen wichtigster Verbündeter im Agrarministerium war bisher Staatssekretär Gert Lindemann. Aigner fühle sich von dem 62-Jährigen oft behandelt wie eine Sekretärin, nicht wie die Ministerin, heißt es in Parlamentskreisen. Nun entlässt sie ihn. "Das ist ein normaler Umstrukturierungsprozess", sagt ihr Sprecher Holger Eichele. Von Machtkämpfen will er nichts wissen. Das Ministerium stelle sich "für die Herausforderungen der Zukunft" neu auf. Um eine politische Wende geht es aber nicht. Staatssekretär wird nun Robert Kloos, Chef der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Die BLE untersteht dem Ministerium, Kloos hat Lindemanns Politik mitgetragen.
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