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Treffen mit Dalai Lama zu hoch gehängt"China vorzuführen, nutzt gar nichts"

Innenpolitisch wurde Merkel gefeiert, als sie den Dalai Lama empfing. Doch außenpolitisch hat sie damit ohne Not die Beziehung zu China verdunkelt, so der China-Experte Eberhard Sandschneider.

Proteste aus China - Angela Merkel mit dem Dalai Lama im Kanzleramt. Bild: dpa

taz: Herr Sandschneider, Chinas Regierung hat, seitdem Angela Merkel vor acht Wochen den Dalai Lama empfing, bereits mehrere deutsch-chinesische Treffen abgesagt. Reagiert Peking übertrieben?

Eberhard Sandschneider: China reagiert so, wie es für jemanden, der die innen- und außenpolitischen Sensibilitäten des Landes kennt, absehbar war.

Bild: dgab

EBERHARD SANDSCHNEIDER ist Professor für die Politik Chinas und Internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin und seit 2003 Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Er gilt als einer der führenden deutschen China-Experten. Im März veröffentlichte er das Buch "Globale Rivalen. Chinas unheimlicher Aufstieg und die Ohnmacht des Westens" beim Hanser Verlag.

Warum hält Chinas Ärger so lange an?

Der chinesische Ministerpräsident hatte Merkel besonders zuvorkommend behandelt. Dass Merkel kurz darauf den Dalai Lama empfangen hat, hat er persönlich genommen.

Der Dalai Lama wurde kürzlich auch vom US-Präsidenten und dem österreichischen Bundeskanzler empfangen, ohne dass China darauf so reagierte wie bei Merkel. Warum die Heftigkeit nur bei Merkel?

Österreich ist nicht wichtig genug. Von den USA erwartet man in Peking nichts anderes, aber eben von Deutschland. Aus Sicht Pekings sieht es nach einer konzertierten Aktion aus. Und das chinesische Selbstbewusstsein ist mittlerweile so weit gediehen, dass man verärgert reagiert, wenn man sich als getadelter Schüler sieht.

Was hat Merkel falsch gemacht?

Der Ort des Treffens mit dem Dalai Lama war symbolisch falsch gewählt. Gegen ein Treffen der Kanzlerin mit dem Dalai Lama ist nichts einzuwenden, auch wenn China das kritisiert hätte. Dass sie es aber zum ersten Mal als Botschaft an Peking im Kanzleramt getan hat, war völlig unnötig. Das hat von der Symbolik her wenig positiv bewirkt, aber großen Schaden in den deutsch-chinesischen Beziehungen nach sich gezogen.

Merkel sollte kein als privat deklariertes Treffen im Kanzleramt machen?

Wenn ein Regierungssprecher ein Treffen ankündigt, das im Kanzleramt mit Pressetermin stattfindet, ist das schwerlich als privat anzusehen.

Zeugt Pekings Verhalten nicht von Schwäche?

Letztlich wertet Peking die Auftritte des Dalai Lama durch seine harschen Reaktionen auf. Aus Sicht Pekings ist das ein Fall, der droht, die innenpolitische Stabilität zu gefährden. De facto hat China so reagiert wie immer, und wird es auch weiter so tun.

Was würden Sie den Chinesen raten?

Natürlich viel gelassener zu reagieren. Der Empfang des Dalai Lama ist kein Aufruf zur Sezession in Tibet. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, das parallel zu Merkels Empfang Mönche in Myanmar auf der Straße waren. Da gehen in Peking alle Alarmlampen auf Rot, wenn buddhistische Mönche es schaffen, eine Regierung in Schwierigkeiten zu bringen. Da wird sofort die Parallele zu Tibet gezogen.

Was für eine China-Politik würde den Tibetern denn helfen?

Wir haben im Ost-West-Konflikt gelernt: Es ist sinnvoller, nicht auf die Beruhigung des eigenen Gewissens durch große symbolische Akte zu setzen, sondern Kommunikationskanäle offen zu halten. Im konstruktiven, auch kritischen Diskurs erreicht man mehr, als wenn man versucht, China vorzuführen. Dafür ist China mittlerweile zu selbstbewusst. Es gibt auch viel zu viele Staaten, die bereit sind, solche Situation sofort zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil auszunutzen. Am Ende erreicht man das Gegenteil von dem, was man wollte.

Zu offenen Kommunikationskanälen gehört aber auch der Dialog mit dem Dalai Lama - oder?

Natürlich. Das ist ein schwieriger Diskurs mit Peking. Der Dalai Lama verfolgt eine Politik, die die Regierung in Peking immer wieder herausfordert. Auch aus Tibet selbst gibt es durchaus Stimmen der Kritik, die ihn auffordern, als normaler Bürger nach China zurückzukommen und mit seinen Mönchen in Tibet zu leben.

Bald reist Frankreichs Präsident Sarkozy nach Peking. Wird Peking also Berlin und Paris gegeneinander ausspielen?

Das ist denkbar. Die europäische China-Politik ist kaum koordiniert. Die Signale aus Peking, dass man sich mit den neuen politischen Führungen in Paris und London stärker ins Benehmen setzen will, sind stark. Deutschland soll abgestraft werden, dafür werden Frankreich und Großbritannien stärker hofiert.

Wird sich die Koordination der China-Politik zwischen Berlin, Paris und London verbessern?

Nein.

Seit zwei Jahren ist ein Imageverlust Chinas in Deutschland festzustellen. Verhält sich Peking nicht kontraproduktiv?

Man hat mittlerweile erkannt, dass das Imageproblem virulent ist. Das hat auch mit den Olympischen Spielen 2008 zu tun. Peking hat begriffen, dass das kein großes Freudenfest wird und China dort sein selbst gezimmertes Bild einer erstaunten Welt verkünden kann. Man weiß dort mittlerweile, dass viele Journalisten kritische Fragen aufwerfen werden. Mit Nordkorea, Myanmar und Sudan permanent in Zusammenhang gebracht zu werden, hilft auch nicht. Doch Imagefragen kollidieren mit innenpolitischen Stabilitäts- und mit außenpolitischen Interessen. Dann fallen Imageprobleme immer hinten runter.

Außenminister Steinmeier und Exkanzler Schröder haben Merkels China-Politik kritisiert. Wie kommt das in China an?

Man registriert dort, dass das Auswärtige Amt eine andere Politik verfolgt hätte, als es das Kanzleramt getan hat. Man weiß aber auch, dass letztlich die Kanzlerin in der Außenpolitik die Richtlinienkompetenz hat. Ich denke, dass Deutschland mit China einen konstruktiven Dialog führen muss. Damit erreicht man mehr als mit politischen Symbolen, die innenpolitisch gut ankommen, aber der Außenpolitik nichts nützen.

Gehört zu einer ehrlichen Außenpolitik nicht auch, Dinge beim Namen zu nennen?

Selbstverständlich. Das ist eigentlich die Stärke von Merkels Außenpolitik, dass sie einen Umgangston gefunden hat, auch auf ihrer letzten China-Reise, der es ihr erlaubt, mit sensitiven Themen Gehör zu finden. Der Empfang des Dalai Lama hat deshalb unnötig Porzellan zerschlagen. Das ist der eigentlich Kritikpunkt an diesem Besuch. Merkel hatte sich nach anfänglicher Skepsis in Peking mit großer Glaubwürdigkeit positioniert. Die hat jetzt ohne Notwendigkeit Schaden genommen.

Merkel macht gegenüber China also die richtige Politik, mit Ausnahme des Empfangs des Dalai Lama?

Das Treffen mit dem Dalai Lama wird zu hoch gehängt. In der Ausrichtung von Merkels China-Politik gibt es wenig zu kritisieren, weil sie auch dazu beigetragen hat, dass wir ein realistischeres China-Bild bekommen haben. Der überzogene China-Hype der letzten Jahre war sicherlich auch nicht unbedingt positiv. Viele Unternehmen haben das in ihren praktischen Erfahrungen auch büßen müssen. Zu einem ausgewogenen Verhältnis zu kommen, in dem man klare gemeinsame Interessen definiert, aber auch anspricht, was einem aus der jeweiligen Sicht nicht gefällt, ist Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Politik. Das Problem ist, dass die Bundeskanzlerin Außenpolitik mit innenpolitischen Mitteln betrieben hat. Innenpolitisch hat sie viel Zuspruch erhalten, außenpolitisch haben die deutsch-chinesischen Beziehungen Schaden genommen.

INTERVIEW: SVEN HANSEN

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4 Kommentare

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  • H
    haatee

    Herr Sandschneider, Sie haben absolut recht: wenn Fr. Merkel sich PRIVAT mit dem DL treffen will, dann soll sie es auch PRIVAT machen und nicht im Kanzleramt. Chinas Reaktion war absolut vorhersehbar und ist aus Sicht der Zentralregierung auch verständlich. Ich denke auch, daß Frau Merkel sich hier einen Bonus verspielt hat, den sie nur schwerlich wieder gutmachen kann. Menschenrechte werden überall auf der Welt verletzt, nicht nur in Tibet, da gibt es schrecklichere Beispiele aus Indien, dem ach so demokratischen Land. Und die Amis nehmen es damit auch nicht so genau, sonst hätten sie sich nicht auf das falsche Spiel in Guantanamo eingelassen, wo die Menschenrechte offenbar nicht zur Geltung kommen. Man kann auch einfach Abu Ghraib nennen.

  • CR
    Christian Reis

    Ich moechte eigentlich gerne von Herrn Sandschneider lediglich wissen, was man denn bisher durch die sog. stille Diplomatie erreicht hat in puncto Tibet und in puncto Menschenrechte? Das einzige was real dabei heraus kam, ist der wandel durch Handel von Politikern wie G. Schroeder, die heute in Sachen Tibet das Spiel der KP china betreiben. Herr Sandschneider gehoert zu den Realpolitikern, die vor lauter Realitaet die Realitaet nicht sehen. Er sollte isch mal in puncto Tibet wissenschaftlich sachkundig machen, das waee vielleicht nicht schlecht. Vielleicht hilft schon die Lektuere von "Tim in Tibet".

  • WT
    Wangpo Tethong

    Sehr geehrter Herr Sandschneider

     

    Mit Verlaub, ihre Aussagen sind schlecht belegt und ihre Ratschläge an die Kanzlerin sind doch eher dürftig.

     

    Jede Diskussion über Tibet sollte mit der einfachen Feststellung beginnen, dass die chinesische Annektion von Tibet nicht rechtens war und dass die Tibeterinnen und Tibeter unter der chinesischen Besetzung eines Regimes leiden.

     

    Überdies gilt auch in der Tibet-Diskussion, dass Fakten durchaus wichtig sind. Sie sagen: «Auch aus Tibet selbst gibt es durchaus Stimmen der Kritik, die ihn auffordern, als normaler Bürger nach China zurückzukommen und mit seinen Mönchen in Tibet zu leben.» Ich verfolge nun seit Jahren alle Wortmeldungen aus Tibet, habe aber bislang noch nie etwas von so einer Äusserung gehört. Tatsache ist, dass die chinesische Regierung alles daran setzt, dass der Dalai Lama ja nicht nach Tibet zurückkehrt. Tibeter werden zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt, wenn Sie die Rückkehr des Dalai Lama fordern.

     

    Sie fordern einen konstruktiven Dialog mit China und stellen in Aussicht, dass das erfolgreicher sein wird. Es gibt Studien, die klar belegen, dass etwa der sogenannte «Rechtstaats-Dialog» mit Peking, den China nun als Reaktion auf Merkels Empfang des Dalai Lama ausgesetzt hat, zu keinen erkennbaren Fortschritten geführt hat. Er diente sowohl der deutschen wie auch chinesischen Seite nur als Vorwand, ja nichts Konkretes für die Verbesserung der Menschenrechtssituation zu unternehmen. An welchen Dialog denken Sie? Könnten Sie bitte etwas konkreter werden.

     

    Die entscheidende Frage, zu der Sie nicht Stellung nehmen, ist, welche Position soll Deutschland und die übrige Welt in der Tibetfrage einnehmen. Soll die Welt tatenlos den andauernden Menschenrechtsverletzungen und der Zerstörung der tibetischen Kultur zusehen? Ist Deutschland für das Selbstbestimmungsrecht der Tibeter? Soll Europa sich für eine Autonomielösung wie sie der Dalai Lama vorschlägt unterstützen oder nicht? Sind diese Forderungen vernünftig und im internationalen Interesse?

     

    Meiner Ansicht nach ist es langfristig von strategischer Bedeutung für die Welt, dass man China an seine international eingegangenen Verpflichtungen in Sachen Menschenrechte erinnert und die Einhaltung von minimalen Standards im Umgang mit andern Völkern fordert. Es geht letztlich um die Verteidigung unserer eigenen europäischen Werte und der Idee einer friedlichen Welt. In der chinesischen Welt (und dazu zählt auch Taiwan) finden sich Verbündete für eine solche Zielsetzung. Nur, wer wie die Herren Schröder und Steinmeier bei der kleinsten Regung aus Peking schon zusammenzuckt, ermutigt diese gerade für Europas langfristigen Interessen wichtigen Verbündete nicht.

     

    Europa und Deutschland sollten - selbst wenn sie nichts für das Thema Tibet übrig haben - aus eigenem Interesse, den Dalai Lama als politisches Druckmittel gegenüber China einzusetzen.

     

    Auch für die leicht erregbaren chinesischen Machthaber gilt, dass nebst gutem Zureden manchmal auch rustikalere diplomatische Werkzeuge notwendig sind. Das hat nichts mit Symbolpolitik zu tun!

     

     

    mit freundlichen Grüssen

     

    Wangpo Tethong

  • UD
    Ulrich Delius

    Astruses Tibet-Bild

     

    Wenn Professor Sandschneider in dem Interview dem Dalai Lama Provokationen der chinesischen Führung vorwirft, so ist dies eine seltsame Verzerrung der Wirklichkeit. Denn schließlich ist es der Dalai Lama, der seit Jahren Chinas Regierenden vergeblich Gespräche über eine friedliche Lösung der Tibet-Frage anbietet. Offensichtlich ist Chinas Führung an einem Dialog mit gemäßigten Tibetern nicht interessiert, sonst hätte sie die Delegationen des Dalai Lama, die um ernsthafte Gespräche in Peking ersuchten, nicht unverrichteter Dinge wieder abreisen lassen.

     

    Dem Dalai Lama zu empfehhlen, in die Volksrepublik zurückzukehren, ist gelinde gesagt naiv und entspricht nicht dem Niveau eines "China-Experten". Denn auch Sandschneider sollte wissen, dass im chinesisch kontrollierten Tibet sogar Fotos des Dalai Lamas verboten sind und das Schicksal des Panchen Lam kennen, der seit Jahren verschwunden ist und vermutlich von chinesischen Sicherheitskräften an einem geheimen Ort festgehalten wird.

     

    Es geht auch nicht darum, China vorzuführen. Doch Chinas Regierung hat mit ihrer Unterschrift unter diverse völkerrechtlich gültige Konventionen sich zu deren Umsetzung verpflichtet. De facto ignoriert es jedoch zahlreiche dieser Konventionen zum Schutz der Menschenrechte oder unternimmt zu wenig, um deren Beachtung in der Volksrepublik durchzusetzen. Insofern ist es eine Frage der Verbindlichkeit internationalen Handelns und des Völkerrechts, nicht nur gegenüber Zimbabwe, sondern auch gegenüber einflußreichen Staaten auf einer Beachtung des Völkerrechts zu bestehen.

     

    Ulrich Delius (Gesellschaft für bedrohte Völker)