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Treffen mit Angehörigen der NSU-OpferGauck sichert Aufklärung zu

Bundespräsident Gauck hat sich mit Familien der NSU-Opfer getroffen und rasche Aufklärung gefordert. Einige der Angehörigen hatten die Einladung ausgeschlagen.

Besuch bei Gauck: Ismail Yozgat fordert die Umbenennung der Straße in Kassel, in der sein Sohn ermordet wurde, in Halit-Yozgat-Straße. Bild: dpa

BERLIN afp/dpa | Bundespräsident Joachim Gauck hat am Montagmittag Angehörige der Mordopfer der Neonazi-Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) empfangen. Gauck sicherte den Angehörigen der Neonazi-Mordopfer umfassende Aufklärung der Verbrechen zu. Deutschland dürfe nicht vergessen, was geschehen ist.

Laut Redemanuskript versprach Gauck: „Ich will mithelfen, dass Ihr Leid weiter wahrgenommen und anerkannt wird. Und dass aufgeklärt wird, wo es Fehler und Versäumnisse gegeben hat, dass darüber gesprochen und wenn nötig auch gestritten wird, was wir daraus lernen müssen.“

Bei dem auf zwei Stunden angesetzten Treffen im Berliner Schloss Bellevue möchte sich Gauck nach Angaben seines Büros über die Situation der Angehörigen informieren und ihnen seine Anteilnahme ausdrücken. An dem Treffen nahm auch die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer und Opferangehörigen, Barbara John, teil.

Einige der Angehörigen hatten die Einladung des Bundespräsidenten ausgeschlagen. Eine der Opferfamilien begründete die Absage damit, dass das Bundespräsidialamt ihren Wunsch auf Begleitung durch einen Rechtsanwalt abgelehnt habe. Eine andere Familie argumentierte, dass bei dem Treffen mit mehreren Dutzend Teilnehmern zu wenig Zeit für ein persönliches Gespräch bleibe.

Dem NSU werden zehn Morde zwischen den Jahren 2000 und 2007 zugerechnet - an acht türkischstämmigen Kleinunternehmern, einem griechischstämmigen Kleinunternehmer und einer Polizistin. Die Ermittler hatten die rechtsextreme Motivation der Taten über Jahren hinweg nicht erkannt. Bereits Gaucks Vorgänger Christian Wulff hatte Angehörige der Opfer in Bellevue empfangen.

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8 Kommentare

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  • S
    Staybefore

    Natürlich wird wenig aufgeklärt.

    Die Bundespolitiker lassen sich freiwillig politisch entmündigen. Die letzte rechtskräftige Unterschrift kommt vom BP und Guttenberg wollte eine Militärgerichtsbarkeit.

    Der Feind sitzt im inneren wie einige Politiker meinen.

    Helmut Schmidt

    "Ich habe den Verdacht, dass sich alle Terrorismen, egal, ob die deutsche RAF, die italienischen Brigate Rosse, die Franzosen, Iren, Spanier oder Araber, in ihrer Menschenverachtung wenig nehmen. Sie werden übertroffen von bestimmten Formen von Staatsterrorismus."

    http://www.zeit.de/2007/36/Interview-Helmut-Schmidt/seite-7

  • GG
    Gauck gaukelt vor

    daß die Verantwortlichen gefasst werden. Ich kann nicht glauben, daß er glaubt, was er sagt.

     

    Nach den Märchen der verantwortlichen Stellen seit Beginn der Mordserie, dem "zufälligen" Schreddern von Beweismaterial und dem erklärten Schema "wir haben schon alle, es waren 3" (Immerhin, sonst ist es meist ein "verwirrter Einzeltäter") sowie der Behinderung der Ermittlungen durch fehlende Kooperation ist klar, daß die Verantwortlichen nie gefasst werden.

    Wenn es im Verantwortungsbereich der Täter liegt, die entsprechenden Beweise in den Akten zu schwärzen, sollte das auch keinen wundern.

    Das weiß aber auch Gauck.

     

    Mein Beileid den Angehörigen der Opfer.

  • N
    noevil

    Nicht nur aus den Reaktionen der eingeladenen betroffenen Mitbürger, sondern auch aus den Kommentaren können wir alle unsere Schlüsse ziehen:

     

    Aufmerksam sie zugehen und all das riskieren, was uns auch bei allen unseren anderen Mitbürgern blühen kann - Verschlossenheit, Verletztheit, Schmerz; aber vielleicht auch ein bisschen Freude, ein Lächeln, das aus dem Gefühl entstehen mag, dass auf verlorenem Glück vielleicht doch noch etwas wachsen kann, was zueinander führt und bleibende Erinnerung schenkt.

     

    Und wem dazu der Mut fehlt, dem mag auch ein wenig weniger Überheblichkeit guttun.

  • A
    antares56

    Was verspricht Gauck da?

    Wir wissen doch, wie die Aufklärungsversuche bisher verlaufen sind - vertuschen, verschweigen, vergessen! Ist der Staat da überhaupt an Aufklärung interessiert, wenn eigene Organe mitgeholfen haben?

  • W
    wetterleuchten

    Gut, dass es inzwischen so viel kritisches Selbstbewusstsein bei den Angehörigen von Migrations-Opfern gibt, die formelle und institutionalisierte Anteilnahme unseres Staatsoberhauptes abzulehnen. Jeder Akt dieser Art kann helfen, auf die Diskriminierung und den rassistischen Alltagsstress in diesem Land hin zuweisen. Wir müssen es wieder lernen, uns für dieses Verhalten zu schämen. Politik und Verfassungs-Behörden haben kläglich versagt. Hoffen wir dass nicht auch noch die Justiz versagt!

  • WB
    Wolfgang Banse

    Bundespräsident Joachim Gaucks Aussage mit zuhelfen was die Aufklärung der NSU Morde betrifft,ist zu begrüßen.

  • V
    vic

    Schade, dass er Protestant ist. Papst wäre DER Job für ihn gewesen.

  • A
    anke

    Dass unser Bundespräsident in der Lage war, allen Angehörigen aller zehn Familien, deren Mitglieder Opfer der NSU wurden, innerhalb von 2 Stunden sein Beileid auszudrücken, glaube ich gern. Dafür braucht es schließlich nicht mehr als ein paar Floskeln, und die sind schnell gesprochen. Dass er darüber hinaus auch noch im Stande war, die aktuelle (materielle und emotionale) Lage jedes einzelnen Betroffenen in Erfahrung zu bringen, glaube ich hingegen schon nicht mehr. Wenn nämlich jedes Opfer auch nur zwei Angehörige hatte, wären das schon 20 Geschichten gewesen. Abzüglich des vorn erwähnten Statements (20 Minuten?) blieben fünf Minuten pro Einzelschicksal. Was kann man da schon erzählen? Dafür, Fehler und Versäumnisse der deutschen Behörden anzusprechen und sich mit den Angehörigen über die Art und Weise zu verständigen, in der er (Gauck) als Bundespräsident "mithelfen [kann], dass Ihr Leid [Anm.: das der Opfer-Angehörigen] weiter wahrgenommen und anerkannt wird", war garantiert keine Zeit mehr. Hilfreich im engeren Sinne wird dieses Treffen also nicht gewesen sein. Für die Gäste, meine ich. Diejenigen, die es abgelehnt haben zu erscheinen, waren gut beraten, finde ich. Vielleicht konnten sie ja rechnen. Zeit ist schließlich Geld. Für Kleingewerbetreibende mit Migrationshintergrund sogar ihr eigenes. Herrn Gauck dürfte die (in seinem Fall steuerfinanzierte) Aktion immerhin unter "Imagepflege" abgelegt haben. Man gönnt sich ja sonst nichts.