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Trainingscamp der US-MarinesAfghanen sind auch Menschen

In einem nachgebauten afghanischen Dorf nahe Washington lernen junge Rekruten den Krieg. Die Afghanen sind echt. Und Gefangene müssen wir Marines behandelt werden.

US-Marines sollen lernen, wie sie sich Afghanen gegenüber verhalten müssen - auch aus Prestigegründen. Bild: dpa

QUANTICO taz | Auf dem Dorfplatz flattern Teppiche im Wind. Aus dem Lautsprecher dudelt orientalische Musik. Ein alter Mann trinkt Tee. Ein paar junge Männer palavern, etwas abseits hocken Frauen im Staub. Aus einem Fenster blickt ein Imam auf das Geschehen herab. Zwischen den ockerfarbenen Häusern geht ein Polizist mit weiten Hosen herum.

Als die Marines in Kampfuniform und mit vorgehaltenen Maschinengewehren auf den Dorfplatz kommen, ist die Ruhe schlagartig zu Ende. Die Marines kommen aus mehreren Richtungen. Sie suchen Aufständische. Ihr Tagesbefehl lautet: den Anführer herausholen und mitnehmen: "Für Gespräche." Auch die Afghanen haben einen Tagesbefehl: die Marines daran hindern, in die Häuser zu gehen und nach Aufständischen zu suchen. Die Begegnung auf dem Dorfplatz beginnt mit lautem Geschrei. Schon nach wenigen Sekunden kommt es zu ersten Rempeleien.

Die 19- bis 21-jährigen Marines sind angehende Offiziere. Die Dorfbewohner sind echte Afghanen. Aber das typisch afghanische Dorf, wo die beiden Gruppen an diesem Tag aufeinander treffen, befindet sich eine Autostunde von der US-Hauptstadt entfernt, auf dem Marines-Ausbildungsgelände von Quantico, Virginia. Die künftigen US-Offiziere sollen in dem nachgebauten Dorf mit den Afghanen, die Turbane und Burkas vom Kostümverleih tragen, den Ernstfall lernen. Dabei geht es sowohl um Militärtechnik als auch um Kultur. Sie sollen das Gespräch mit Zivilisten üben. Auch den Umgang mit Frauen. Und möglichst ohne Gewalt vorzugehen.

Das falsche afghanische Dorf und die für ein Tageshonorar von 240 Dollar engagierten Rollenspieler in Quantico sind eine Lehre aus dem Irakkrieg. Künftige Begegnungen zwischen US-Militärs und Zivilbevölkerungen sollen besser vorbereitet werden. Major Alvino Mendonca, der Ausbilder der angehenden Offiziere, der selbst in Ramadi im Irak im Einsatz war, hat für die sechsmonatige Ausbildung 256 junge Männer und Frauen bekommen. Zehn davon hat er bereits aussortiert. An diesem Tag will er sehen, ob die Übrigen der Begegnung mit den Zivilisten gewachsen sind.

Vor einem ockerfarbenen Haus kommt es zu einer Gefangennahme. Kurz zuvor, als die Marines ins Innere des Hauses drangen, sind Schüsse gefallen. Jetzt knien zwei Männer in afghanischer Kleidung auf dem Boden, die Gesichter zur Wand. Ein junger Marine herrscht seine Kameraden an, die beiden Knienden nicht mit Samthandschuhen anzufassen. "Sie haben auf uns geschossen! Was schert uns, ob sie verletzt sind?", ruft er. "Ganz falsch", wird ihm bei der Manöverkritik sein Ausbilder sagen, "ein verletzter Aufständischer muss behandelt werden wie ein Marine."

Die Elitetruppe ist um ihr Ansehen bemüht. Nicht nur in Afghanistan, sondern auch in der Weltpresse. Die US-Armee hat Dutzende von ausländischen Journalisten nach Quantico eingeladen. Sie sollen sehen, dass die Marines zu Respekt und zum Gespräch ausgebildet werden. Und dass sie Kultur und Religion und Geschlechterrollen in islamischen Ländern lernen. An einer nachgebildeten Straßensperre zwischen echten Nato-Draht-Rollen erfahren die angehenden Offiziere, was sie tun können, wenn ihnen eine Frau in Burka gegenübersteht. "Ein Mann darf sie nicht ansprechen und schon gar nicht berühren", erklärt ein Ausbilder.

Unter den Marines sind zahlreiche junge Frauen. Sie bereiten sich darauf vor, in ein paar Monaten nach Afghanistan zu gehen. Viele haben im Kopf, dass sie dort vor allem den Kontakt zur weiblichen Bevölkerung suchen werden. Megan Elliot aus dem Bundesstaat New Jersey ist eine von ihnen. Sie hat sich aus Patriotismus bei den Marines beworben: "Ich will zurückgeben, was ich bekommen habe", erklärt die 23-Jährige ihre Wahl. Fragen über den Sinn der Kriege, die ihr Land führt, stellt sie nicht. "Ich tue, was mein Land von mir verlangt", sagt sie stolz.

Ein echter Afghane in dem falschen afghanischen Dorf hält sich ein Tuch vor das Gesicht. Er will nichts von sich preisgeben. Nach mehreren Jahren als Rollenspieler in Ausbildungslagern der USA geht er demnächst in sein Land zurück. Dieses Mal als Übersetzer für die US-Armee.

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9 Kommentare

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  • E
    end.the.occupation

    Afghanen sind auch Menschen (II)

     

    Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE beschossen die Nato-Soldaten den Bus der Firma "Mirwais Nika Transport" gegen sechs Uhr morgens. ... "Alle anderen Fahrzeuge müssen mindestens 100 Meter Abstand zu internationalen Konvois halten. Als der zivile Bus sich dem Konvoi näherte, haben die Truppen deshalb das Feuer eröffnet" ...

     

     

    Ergebnis:

     

    ... dabei vier Zivilpersonen getötet, darunter eine Frau und ein Kind. Weitere 18 Menschen seien verletzt worden ...

     

     

    Fazit:

     

    Vier Tote und achtzehn Verletzte, um einen Bus zu stoppen, eine echte Meisterleistung.

    Zugegeben - wir wissen nicht, ob es Amerikaner waren - obwohl es gut zu den bereits bekannten Videos passt.

     

    Und - ein weiterer Beweis, dass die Muslime nicht mit uns zusammenleben wollen. Überall wo es Muslime gibt - gibt es auch blutige Konflikte. Oder?

     

     

    Nachwort:

     

    Ich hoffe, im Bus sassen keine Verwandten meines Nachbarn Amanullah.

  • E
    earlgrey_tea

    vielleicht sollten deutsche endlich mal den stock aus dem hintern nehmen und den soldaten die tagtäglich mehr als nur ihren hintern riskieren unterstützung zeigen und ihnen nicht nur das leben schwerer machen.

     

     

     

    [Achtung..IRONIE!]

    ------------------

    SUPER noch so ein patriotischer Spinner. Endlich seit ihr wieder da. Hat ja auch mehrere Jahrzehnte gedauert...

     

    Von dieser "Unterstützung" der armen BW-Soldaten ist es ja hoffentlich nicht mehr weit bis wir alle wieder STOLZ sein können DEUTSCHE ZU SEIN.

     

    Liebe Grüße

    earlgrey_tea

  • U
    useurhead

    es wundert mich immer wieder auf´s neue, dass sehr viele davon ausgehen bei soldaten gäbe es keine "amokläufer". und krieg ist und bleibt für viele auch nur ein job, klingt hart, ist aber so. da braucht man sich auch nicht über videos aufregen, töten gehört zum krieg dazu. vielleicht sollten deutsche endlich mal den stock aus dem hintern nehmen und den soldaten die tagtäglich mehr als nur ihren hintern riskieren unterstützung zeigen und ihnen nicht nur das leben schwerer machen.

    "kulturell begründenden rassismus" ? kampf der kulturen? ich würde eher sagen, kampf den fanatischen führern. klingelts da nicht irgendwo?! so vor etwas mehr als 50 Jahren?! wäre besser gewesen man hätte die "individuen" in ruhe gelassen?! gräueltaten von seiten der alliierten gab es sicher genug, wen juckt das heute noch? besser so als andersrum!

  • E
    earlgey_tea

    Sie hat sich aus Patriotismus bei den Marines beworben: "Ich will zurückgeben, was ich bekommen habe", erklärt die 23-Jährige ihre Wahl. Fragen über den Sinn der Kriege, die ihr Land führt, stellt sie nicht. "Ich tue, was mein Land von mir verlangt", sagt sie stolz.

     

     

    Obgleich ich die Internet- und Chatsprache nicht sonderlich schätze, vermag doch folgende Abkürzung exakt auszudrücken was mir zu diesem Zitaten einfällt:

     

    -- ROFL --

     

    Dieses dummdreiste In-die-Welt-gepuste abgeschamckter Patriotismusfomeln wäre um so vieles amüsanter, wenn es nicht bitter ernst gemeint wäre.

     

    Bei so viel Selbstverliebtheit und Egozentrismus kann man sich das beschriebene Seminar gleich wieder sparen. Perlen vor die Säue.

     

    Liebe Grüße

    earlgrey_tea

  • JJ
    Jay Jay Okocha

    Ich überlege gerade, was für Fotos denn statt dieser eindeutig rassistischen und sicherlich auch strukturell nationalsozialistischen Bildauswahl gezeigt werden könnten.

     

    Einige Vorschläge: Gewerkschaftlich organisierte Afghanen bei der Opium-Ernte. Afghanische Männer beim Tee trinken, ihre Frauen reichen lächelnd (leider nicht sichtbar, da Schleier) den Zucker. Ein schmusendes Pärchen in einem Café in Peschawar, vor ihrem Macbook sitzend. Eine rührige Vater-und-Sohn-Szenerie, Papa bringt dem Sohnemann bei, wie die Familien-Kalaschnikow gereinigt wird. Afghanische Arbeitslose beim Schlange stehen am afghanischen Arbeitsamt. Ein vergnügter Haufen lachender afghanischer Kinder und Jugendlicher beim Skateboard-Fahren, den Mädels hinterherpfeifend.

  • R
    roterbaron

    Das soll doch lediglich schadensbegrenzung sein.

    Wir haben alle das Video gesehen, mit den Schüssen das Apache Hubschraubers auf Unbewaffnete und Kinder.

     

    Diese Ausbildung hätten die Marine absolvieren sollen Bevor die USA in den Krieg gegen ein Land zieht und nicht erst nach dem 100 000 Menschen gestorben sind!

     

    ... das ist doch ein Witz

  • A
    aso

    @ end.the.sinnfrei:

     

    Aha, ein UN-Mandat ist also eine „Besatzung“...

     

    Hätte die UN den Völkermord in Ruanda und Dafur verhindert, wäre auch „Besatzung“, gell?

     

    Auf jeden Fall weiß der Leser, daß der Robin Hood der Entrechteten, als der Sie sich gern geben, keine Frau sein kann.

    Auch die Verteidigung der universalen (nicht der westlichen) Menschenrechte hat möglichst nur vor der Haustür stattzufinden. Woanders gehört deren Nichteinhaltung zur örtlichen Folklore:

     

    Ein Abzug wäre ein Verrat an den Millionen von Mädchen und Frauen, die der dortigen Sklaverei preisgegeben würden.

    Frauen haben in der Region zwei Perspektiven: entweder de facto (tatsächlich) Versklavung gemäß den Gesellschaftsvorstellungen der Taliban oder Mitwirkung am Aufbau ihrer Länder gemäß den modernen Standards der internationalen Gemeinschaft.

    Es wird maßgeblich an Amerika und Europa liegen, wie die Zukunft der Frauen in diesen beiden Ländern aussieht.

    Was eine Machtübergabe an die Taliban für die Frauen bedeutet, konnte man vor einem Jahr im pakistanischen Swat-Tal genau verfolgen. Dort hatte eine schwache Regierung

    den Taliban die Kontrolle übergeben. Denselben Taliban, die gezielt Mädchenschulen zerbombt, Frauen vom öffentlichen Leben entfernt und die Steinigung wieder eingeführt hatten.

     

    Frauen ohne Burka zu sehen ist kaum denkbar...wenn sie überhaupt aus dem Haus dürfen.

  • S
    Schulz

    Natuerlich ist es wichtig.

    Kindergarten.

    USA ein Land, in dem ab Kindergartenalter jeder eine oder viele Waffen traegt?

     

    Ab wann ist man oder woman ein Mensch?

  • E
    end.the.occupation

    Wieder ein schönes PR-Stück - Manipulation anstelle von Journalismus - diesmal für die amerikanischen Besatzer.

     

    Und bemerkenswert auch wieder die Bild-Redaktion.

     

    Die Muslima ist immer verhüllt zu zeigen - wenn ohne Burka - dann gesichtslos - auf keinen Fall von vorn. Der Moslem muss hingegen entweder als betende, knieende Masse oder im Terroristenkostüm - mit einer Waffe und verdecktem Gesicht - gezeigt werden.

     

    Gibt es wirklich keine anderen Bilder mit einer dörflichen Szene aus Afghanistan?

     

    Wichtig ist, dass die Menchen in Afghanistan, Irak oder Palästina nicht als Individuen erscheinen, sondern als Platzhalter - als Zielscheiben eines sich kulturell begründenden Rassismus. Form einer auf Stereotypen gegründeten Ignoranz, die sich kurioserweise als 'Aufklärung' feiert.

     

    Kurz - das Bild ist ein weiterer Mosaik-Stein des von der taz Bild-Reaktion sorgfältig gepflegten Rassismus.

     

    Addendum: Wenn ich richtig gelesen habe, haben US-Marines im Februar u.a. zwei Frauen erschossen - und danach die Kugeln aus den Leichen herausgeschnitten, um anschliessend zu behaupten, sie seien von anderen beteiligten Afgh. niedergestochen worden.

    Das zu den realen Standards der am. Besatzer.