Träumer-Film: Raumfahrt in der Scheune
Exzentrisch und liebenswert: In "The Astronaut Farmer" von Michael und Mark Polish hält die Familie zusammen gegen die Männer in den schwarzen Limousinen.
Seit fast zehn Jahren drehen Michael und Mark Polish an den äußeren Rändern des Hollywood-Kinos ihre kleinen, exzentrischen Filmchen. Ihr überschaubares Oeuvre lebt von verschrobenem Pathos und grenzenlosem Optimismus. Umso bedauerlicher, dass man in Deutschland bislang weder ihr Debüt "Twin Falls Idaho" noch "Northfork" zur Kenntnis genommen hat. Erst im Kontext ihrer früheren Filme nämlich lässt sich ermessen, inwieweit die sentimentalen Anwandlungen im neuen Film "The Astronaut Farmer" das Resultat eines langwierigen Verfeinerungsprozesses sind. Die Filme der Polish-Brüder hatten seit je einen Hang zum Obskuren und Surrealen. Auch "The Astronaut Farmer" ist durchzogen von feiner Ironie und wohldosiertem Skeptizismus.
Das ist maßgeblich das Verdienst von Billy Bob Thornton. Ihm gelingt spielend die Gratwanderung zwischen unverdautem Frust und herzlicher Raubeinigkeit; in "The Astronaut Farmer" gesellt sich dazu noch ein ungebrochener Pioniergeist, der sich den Himmel zur Grenze gesetzt hat. Thorntons Figur, der ehemalige Air-Force-Pilot Charlie Farmer, hat sich in den Kopf gesetzt, mit einer in seiner Scheune gebastelten Raumkapsel die Erde zu umrunden. Dass der Film über dieser abenteuerliche Prämisse nie Bodenhaftung verliert, ist dem lakonischen Tonfall der Polish-Brüder geschuldet, die stets die Balance zwischen dem Absurden und dem Alltäglichen finden.
Gleich mit der Eröffnungssequenz liefern die Polishs ein schönes Beispiel für die entwaffnende Exzentrik ihres großäugig-staunenden Kinos. Da bewegt sich Thornton im Raumanzug durch eine Mondlandschaft - so scheint es zunächst. Als sich das Blickfeld dann öffnet, sieht man ihn auf einem Pferd seine Felder abreiten. Zum Frühstück mit seiner Familie legt er lediglich den Helm ab. Vater mag vielleicht nicht alle Tassen im Schrank haben, aber wenigstens hat er noch seine Träume.
Der entscheidende Unterschied zu den meisten Hollywood-Produktionen, die eine Idee von Selbstverwirklichung ähnlich hemmungslos abfeiern, ist, dass bei den Polish-Brüdern keine Flaggen wehen. Selbstverwirklichung ist hier Naturrecht, nicht verfassungsbedingt. Die Regierung sieht durch die Aktivitäten des Hobbybastlers ihr milliardenschweres Raumfahrtprogramm akut gefährdet. Als die CIA davon Wind bekommt, dass Charlie sich auf dem Schwarzmarkt 10.000 Gallonen Flugzeugtreibstoff besorgt, rücken die Männer in den schwarzen Limousinen auf seiner Farm an.
Dass die Polish-Brüder des Patriotismus gänzlich unverdächtig sind, zeigen sie in kleinen Seitenhieben gegen die Regierung. Wenn er an einer Massenvernichtungswaffe bauen würde, erklärt Charlie während einer Anhörung, würde die Regierung sie doch gar nicht finden.
Abgesehen von solchen Sticheleien spielt "The Astronaut Farmer" in einem vollkommen apolitischen, geschichtslosen Raum; die Familie stellt das einzig verlässliche Wertesystem bereit. Eine tröstliche Vorstellung ist das allemal. Sympathischerweise ist sie bei den Polishs nie ideologisch behaftet.
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