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Touristen in der GentrifizierungsdebatteKeine Diskussion

Linke haben in Neukölln über das Feindbild „Tourist“ in der aktuellen Gentrifizierungsdebatte diskutiert. Diskutiert? Wirklich streiten wollte keiner.

Alle doof? Touris an der East Side Gallery. Bild: dpa

BERLIN taz | An der Bar echauffiert sich ein Typ über den Preis für eine Flasche Club Mate. „2,50 Euro? Gibt's denn keinen Einheimischen-Rabatt?“. Seine Aussprache ist dialektfrei, sie gibt keinen Aufschluss über seine Herkunft. Er scheint sich aber als echter Berliner zu verstehen.

Von denen haben einige so ihre Probleme mit Menschen von außen. Um darüber zu diskutieren, hatte die linke Gruppierung „Andere Zustände Ermöglichen“ (AZE) am Donnerstagabend in eine Neuköllner Kiezkneipe eingeladen. Die Gruppe hatte in den vergangenen Tagen mit der Plakataktion „Spot the Touri“ die Debatte über Partytourismus neu entfacht. Auf einem Plakat wird dazu aufgefordert, aus zwölf abgebildeten Personen die TouristInnen zu entlarven: „Finde einfache Erklärungen und schnelle Lösungen für alles, was dich stört.“ Der Touri als Sündenbock für Gentrifizierung.

Beleidigungen und Übergriffe auf Touristen haben AZE auf die Idee gebracht, BerlinerInnen dafür zu sensibilisieren, dass Kritik an einer neoliberalen Stadtpolitik auch ohne personifizierte Feindbilder geübt werden kann. Die Aggressivität, mit der sich die Wut über Mieterhöhungen und die Vertreibung langjähriger Mieter entlädt, fand Ausdruck in Sprüchen wie „Touristen fisten“ und „Welcome in Berlin - Now go home“.

Doch wie sieht ein Tourist aus? Rollt er einen Koffer hinter sich her, trinkt Club Mate, kotzt in Hauseingänge und grölt betrunken in den Straßen? „Also mal ehrlich: Welcher Berliner hat sich noch nicht so verhalten?“, meint Initiator Lorenz, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte. Es hätte extrem aggressive Reaktionen auf die Plakat-Aktion gegeben, die er in dem Ausmaß nicht erwartet hätte. Deshalb soll die Veranstaltung hier Raum bieten, Meinungen auszutauschen.

Reden will aber an diesem Abend offensichtlich keiner. Dem Publikum, rund 50 Leute aus der linken Szene, scheint nichts auf der Zunge zu brennen. Aus dem Lager der aggressiven Kritiker ist niemand gekommen. Zaghaft wird angemerkt, der Initiative mangele es an alternativen Strategien und Verbesserungsvorschlägen, die Debatte kreise innerhalb der Linken um sich selbst. Damit hatten die InitiatorInnen Lorenz und Marie scheinbar nicht gerechnet. Die sind an diesem Abend lediglich darauf vorbereitet, sich verteidigen zu müssen und ob der fehlenden Angriffe seitens des Publikums nun eher verdutzt – und offenbar auch ziemlich erleichtert.

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9 Kommentare

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  • E
    Erwin

    Das Land Berlin verschwendet auch viel Geld,

    um Berlin-Touristen zu vergraulen.

    Die meisten Beschwerden, die beim Regierenden Bürgermeister von Berlin-Touristen eingehen,

    betreffen das unverschämte Verhalten von BVG-Kontrolleuren.

    Deshalb hatten während der Olympia-Bewerbung die BVG-Kontrolleure auch die Anweisung, Schwarzfahrer in Ruhe zu lassen.

  • L
    lisa

    Ich wünsche euch allen eine Ferienwohnung voller lärmender Touristen über eurer Wohnung! Dann können wir weiterreden! "vfb", "von Der Deutsche Provinzgeist...", "Wowereit" und wie sie alle heißen!

  • M
    Magdalena

    vielleicht wäre die Diskussion würziger verlaufen, wenn dort jemand anwesend gewesen wäre, der/die auch direkt von Gentrifizierung betroffen wäre....

    Aus idealistischer Perspektive mögen Wut und Hass gegen Touristen generalisiert und ungerechtfertigt erscheinen.

     

    Leider bleibt die Politik, trotz Vorsätze Stadtentwicklungssenator Müllers, auf der Strecke, Mietendeckelung, Zweckentfremdungsverbot oder bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

     

    Ich jedenfalls ärgere mich genau über die konkreten Touristen –ohne auf xenophobe Stereotype zurückzugreifen – die Nacht-ein, Nacht-aus sich in der Ferienwohnung über mir rücksichtslos verhalten, natürlich bin auch über Hausverwaltung/ Vermietungsfirma und Wohnungspolitik ebenso verärgert. Das schließt einen reflektierten Ärger meinerseits nicht aus.

    Keine Kampagne kann Betroffenen, die Gentrifizierung erleben diese Wut ausreden. In speziellen Fällen sind eben auch konkret Ferienwohnungen und darin rücksichtslose Gäste der Grund dafür, dass Mieter sich in ihrer eigenen Wohnung nicht mehr wohl fühlen, aber aufgrund mangelnder bezahlbarer Wohnungsalternativen nicht die Situation ändern können; die Ferienwohnung selber ist natürlich ein Produkt der Politik.

    Generalisierte Beschuldigungen und Fremdenfeindlichkeit sind fehl am Platze! Doch Ärger über bestimmte Situationen und Verhaltensweisen hat Ursachen und seine Berechtigung und muss nicht generalisiert sein. „Bars, Soja-Latte, Wifi und Biomärkte“ sind Teil eines Berlin-Mythos geworden, einer „urbanen Lebensqualität“ – doch wer sind auf einmal die „Armen“, die nicht zur "urbanen Lebensqualität" passen?

  • M
    martin

    Is doch schön, wenn Leute gern Urlaub in Berlin machen, schließlich leben ja auch viele Berliner davon. Aber die Stadt verschwendet einfach zu viel Geld, um touristisch noch attraktiver zu werden. Es gibt Ecken, da rollt nur selten ein Cent vorbei.

  • L
    Lentz

    als xtgenerationsberliner kotzen mich die zugewanderten großmäuler die die wichtigste einnahmequelle der stadt warscheinlich als einzige nicht brauchen und irgendwie beweisen müssen das sie einheimischer sind als jemand der auf wochenendbesuch da ist nurnoch an

    touristen in berlin;

    auch du kannst mitverdienen!

    das versteht noch der letzte halbalphabetisierte kleinkriminelle

    nur irgendwelche halbhirne die nicht lange genug hier sind um zu wissen das es hier nix derartiges wie eine gute alte zeit jemals gegeben hatt (oder ihre ländlichen großstadtromantischen träume nie loswurden und kohlenofen nicht für eine gesundheitsgefahr sondern "urig" halten)

    links sind die nicht

    höchstens erzkonservativ

  • J
    Jäger

    Berlin hat leider die dümmsten Linken Europas.

    Statt über die Verschandelung des Alexanderplatzes, der Verwahrlosung ganzer Stadtviertel außerhalb des S-Bahnringes, den Gewalttaten von Kulturbereicherern im Oeffentlichen Nahverkehr in Berlin oder der weitgehenden Steuerfreiheit und Schwarzarbeit im Berliner Taxigewerbe, dem grassierenden Sozialbetrug etwas entgegenzusetzen setzen unsere Salon, Studienabbrecher und Billigbiersozialisten aus der Hartz4 Komfort Zone auf die die ebenso wie die Schwaben wenigsten etwas Kohle mitbringen....

  • LT
    lieber tot als schwabe

    Um welche "Übergriffe auf Touristen" geht's denn eigentlich? Brennende Rollkoffer oder was?

  • DD
    Der Deutsche Provinzgeist...

    feiert fröhliche Urständ. Ich fass es nicht, wie "Linke" sich entblöden, den gemeingefährlichen fremdenfeindlichen (!) Dorftrottel zu geben.

     

    Touristen sollen büßen für eine verfehlte Landespolitik.

     

    Wann wird man je verstehen?

  • V
    vfb

    Wir Berliner Schwaben sind froh dass wir es nicht mehr mit den original 100% reinrassigen Berlinern alleine aushalten müssen.Danke an alle Touristen!!!!!!!!