Tourismus in Mali: Selbst Bono lockt niemanden her
Mali ist eigentlich als europäisches Reiseziel beliebt. Aber die Touristen kommen nicht mehr – die Angriffe von Islamisten, Rebellen oder Banditen schrecken ab.
BAMAKO taz | Der Rezeptionist gibt sich alle Mühe. Er steht im neu gebauten Hotel Le Relax in Bamako hinter dem Tresen, wo Rot- und Violetttöne sorgfältig aufeinander abgestimmt sind. Eigentlich soll das klimatisierte Doppelzimmer 35.000 CFA-Franc kosten (53 Euro). Zuerst geht er auf 30.000 herunter. Schließlich sind es 20.000. Gäste, vor allem aus Europa, gibt es kaum, obwohl das Hotel in Malis Hauptstadt ganz in der Nähe der beliebten Ausgehmeile Hippodrome liegt.
Das Hotel ist nicht das einzige, das um Kunden kämpft. Jeder bemüht sich um die wenigen Touristen, die noch nach Mali kommen und die das Land dringend braucht. Bisher ist das Land mit knapp 14 Millionen Einwohnern eines der beliebtesten Reiseziele in Westafrika. Bekannt ist es für seine Musikszene mit Künstlern wie Salif Keïta, Ali Farka Touré oder dem Duo Amadou und Mariam, mit vielen Livekonzerten, die an den Wochenenden stattfinden.
Zu den Höhepunkten gehört ein Besuch im Land der Dogon, das gemeinsam mit dem Felsplateau von Bandiagara in die Weltkulturerbe-Liste der Unesco steht. Die steinige Gegend dicht an der Grenze zur Burkina Faso gilt als einmalig, man wandert durch die Dogon-Dörfer mit ihren Lehmmoscheen und die "Falaise" mit in Felsen gebauten Häusern.
Das alles zeigt Saïdou Nango seinen Besuchern noch immer gern. Der Vater einer kleinen Tochter arbeitet als Fremdenführer und bietet von Bandiagara, der Hauptstadt des Dogon-Lands, Touren an. Um überhaupt ein paar Kunden zu bekommen, geht auch er jetzt kräftig mit den Preisen runter. "Heute kommen noch ein paar Italiener oder Deutsche. Franzosen haben wir schon lange nicht mehr."
Ein Deutscher erschossen
Für die Dogon-Dörfer ist Tourismus eine wichtige Einnahmequelle, da sie von jedem Besucher ein Eintrittsgeld erhalten. Einige Bewohner versuchen zudem, durch den Verkauf von Mittagessen oder Holzschnitzereien ihr Budget aufzubessern. Klappt das nicht mehr, bleibt nur der Anbau von Gemüse wie Zwiebeln, oder man hat etwas Vieh.
Schuld am Touristenschwund ist die kritische Sicherheitslage. Bislang betroffen ist vor allem der Norden, wo kriminelle Banden, aber auch der Maghreb-Arm von al-Qaida (AQMI) aktiv sind und mit Entführungen von Ausländern ihre Kassen aufbessern.
Ende November spitzte sich die Lage zu, als bei einem Entführungsversuch mitten in der alten mittelalterlichen Universitätsstadt Timbuktu ein Deutscher erschossen wurde. Er aß mit drei anderem Europäern in einem Restaurant, als AQMI-Kräfte es stürmten. Die anderen drei wurden entführt. Einen Tag später wurden die restlichen Touristen aus der Oasenstadt in der Wüste ausgeflogen.
Negativ ausgewirkt hat sich dieser Vorfall nun auch auf das große "Festival au Désert", jenem musikalischen Wüstenspektakel in Timbuktu, das normalerweise Besucher aus der ganzen Welt anzieht.
Selbst Bono hilft nicht
Offiziell wurden in diesem Jahr gerade mal 300 Karten verkauft, obwohl sogar U2-Frontmann Bono angereist war und die Veranstalter versprachen, dass das Sicherheitsaufgebot so gut wie nur möglich sein werde. Allerdings rieten auch sie, am besten mit dem Flugzeug zu kommen, nicht über Land.
Die Angst blieb. Viele Reisende entschieden im letzten Moment, lieber doch nicht nach Timbuktu zu fahren. Ein Schweizer hat es trotzdem gewagt und das Festival in familiärer Runde besucht. "Es war toll", erzählt er. "Aber es sollen ja in Wirklichkeit nur etwa 160 Eintrittskarten verkauft worden sein."
Profitieren davon könnte nun allerdings das bisher international eher unbekannte Musikfestival in Ségou. Das ist eine freundliche Stadt mit gut erhaltenen Kolonialgebäuden, die direkt am Fluss Niger liegt und von Bamako aus unkompliziert mit dem Auto zu erreichen ist. Überall in der Hauptstadt machen seit ein paar Wochen große Plakate auf das "Festival sur le Niger" Mitte Februar aufmerksam. Denn für Ségou gibt es immerhin noch keine konkreten Warnungen.
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