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Tour de FranceDoping ist wie Akne

Der Anti-Doping-Kampf wird bei der Tour de France nicht mit der Konsequenz früherer Jahre geführt. Denn Dopingnachrichten mitten im Renngeschehen versauen das angekratzte Image.

Ein weiterer beharrlicher Cera-User: Danilo di Luca, Zweiter beim Giro d´Italia. Bild: ap

ANNECY taz | Der Radsportgott, wenn es denn einen gibt, hat Humor. Ausgerechnet an dem Tag, als Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy der Tour de France seine Aufwartung machte und bei dieser Gelegenheit Lance Armstrong seine Bewunderung zollte, wurde in Italien ein großer Matador des letzten Giro dItalia als beharrlicher Cera-User enttarrnt. Doch zwei Monate hat es gedauert, bis der Doping-Fall Danilo di Luca bekannt wurde.

Die Zeitdifferenz gibt zu denken. "Drei bis vier Wochen kann eine Cera-Analyse dauern. Unterschiedliche Verfahren werden angewendet, die Ergebnisse abgeglichen, vielleicht noch Experten zu Rate gezogen. Im negativen Falle geht alles schneller, aber die Analytik bei einem positiven Test erfordert Zeit", erklärt Mario Thevis von Kölner Dopingkontrollabor.

Drei bis vier Wochen dauerte es auch, bis der Cera-Befund von Inigo Landaluze oder Ricardo Serrano kommuniziert wurden. Bei der letzten Tour ging es freilich noch schneller. Das Cera-Trio Ricco, Beltan und Duenas wurde noch während des laufenden Wettbewerbes ertappt und ausgeschlossen.

Tourorganisator ASO scheint daraus gelernt zu haben. Skandale tun weh. Skandale halten Staatspräsidenten fern. Dass aus der Führungsriege der ASO gerade die Männer entfernt wurden, die an den schmerzhaften Weg der Therapie geglaubt haben, die Skandale in Kauf nahmen, um damit die Doper abzuschrecken, gibt einen Hinweis auf den Lernprozess in den Reihen der ASO. Doping ist immer noch nicht gern gesehen. Wird aber heute behandelt wie Gesichtsakne: Nicht schön, aber es gibt Mittel dagegen. Mittel, die die Haut reinigen. Und Cremes, die zentimeterdick rübergeschmiert werden können.

Konnte man bis zum letzten Jahr Ansätze der porentiefen Reinigung erkennen, so ist jetzt endgültig die Make-up-Ära angebrochen. Doping ist weiter doof. Aber die zentrale Botschaft ist: Komm mir bloß nicht mit Dopingnachrichten während meines laufenden Wettbewerbs.

Der Giro dItalia hat dieses Verhalten perfektioniert. Bergkönig Sella flog im letzten Jahr auf, als die Karawane längst nach Frankreich gezogen war. Der Giro-Zweite Di Luca durfte sich am Fuße des Kolosseums als "König der Herzen" feiern lassen und wird erst als Betrüger bekannt, als sich niemand mehr für den 100-jährigen Giro interessiert.

Bei der Tour tickten die Uhren zuletzt anders. Gelbträger Rasmussen wurde aus dem Wettbewerb gezerrt, Bergkönig Ricco in den Knast gesteckt: Konsequenz im Antidopingkampf. Aber: Die Bilder waren anstößig.

Die vier bis fünf Wochen Verzögerung im Fall Di Luca, erklärt Mario Thevis, sei nicht die Schuld des Labors: "Manchmal dauert es, bis der Auftraggeber eine Information nach draußen gibt, weil die interne Diskussion noch andauert." Doch Pat McQuaid, Präsident des Radsportverbandes UCI, schließt eine solche interne Verzögerung auf telefonische Anfrage kategorisch aus.

"Die Prozesse im Labor dauern so lange. Wir geben die Ergebnisse sofort bekannt. Laut neuem Wada-Reglement veröffentlichen wir jetzt auch schon die Ergebnisse der A-Probe", sagt der Ire. Für ihn gibt es keinen Anlass, eine Politik der verzögerten Information anzunehmen.

Nicolas Sarkozy, der früher die Tour de France mit Nichtachtung gestraft hatte, wird allerdings genügend Garantien erhalten haben, dass sein Image bei einem Tourbesuch keine Flecken bekommt. Und Marie-Odile Amaury, die Herrin der Tour, setzt nach Informationen der Le Monde zum großen Sprung in das internationale Sportgeschäft an. Sie will sich an der Organisation der olympischen Übertragungsrechte beteiligen. Da darf nur agieren, wer gelernt hat, Skandale klein zu halten.

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5 Kommentare

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  • O
    ole

    Ach ja... ich überlege immer wieder, was wohl wäre, wenn die Deutschen das Thema Doping nicht hätten...

    Sonntagsradler werden plötzlich zu L’Alpe d’Huez-Kennern und zu Erythropoetin-Spezialisten.

    Naja, wenn Spitzenleistungen Mangelware sind braucht man ja neues ein Steckenpferd. Sind wir wieder gut...

  • T
    Tom

    Klar, ist man parteiisch. Sonst würde man sich das auch nicht anschauen. Jeder hat seine Leiblinge. Am ehesten halt mit etwas gemeinsamen, z.B. Nation, Land, Stadt oder Familie aus der man stammt.

    Wenn man mal nach Spanien oder Italien schaut, ist dieses Verhalten noch viel mehr ausgeprägt. Bei den eigenen Leuten schaut man eher gutmütig weg, läßt man für Unregelmässigkeiten einfache Erklärungen gelten.

    In Deutschland wird es schon einigermassen vernünftig wahrgenommen. Komplett Objektiv ist niemand. Ansonsten ist man ein emotionsloser Roboter.

     

    Die unmenschlichen Leistungen entstehen im Wettbewerb. Der Wettbewerb und dessen Bewertung ist unmenschlich: Der erste bekommt 90% des Ruhms. Darum streiten sich viele. Das ist halt eine extreme Auswahl, die zu extremen Verhalten führt. Da greift dann doch der ein oder andere zu unlauteren Mitteln.

  • F
    Fausto

    Doping ist kein Phänomen des Leistungssport. Gedopt wird überall.

     

    Wenn schon auf dem normalen Arbeitsmarkt häufig gedopt wird, ist es klar dass Sportler die fast "unmenschliche" Leistungen bringen MÜSSEN, auch dopen.

     

    Und wenn man die Reaktion vieler deutschen Medien sieht, die das Thema "Doping" vergessen sobald Deutsche gewinnen, und die jede Leistung in Frage stellen wenn kein Deutscher gewinnt, wird in zukunft sicher nicht viel ändern.

  • A
    Andrea

    Die Tour ist schon O.K. und spannend, wenn man sie als das versteht was sie ist. Es ist nicht der Fahrer wesentlich, sondern die Konstruktion, d.h. die richtige Abstimmung von "Fahrermaterial", Gerätschaft, richtige Kombinatorik und Dosierung der Drogen, Einstellung der Anatomie und Rennsrategie.

    Wie bei der Formel 1, sollte man eine Konstrukteursweltmeisterschaft für Tour-Ärzte einführen.

  • Z
    zwanzich

    Netter Artikel, da ist ganzsicher was dran. Wo viel Geld im Spiel ist, hat die Moral erstmal nix verloren - es sei denn zu nachgeschlateten Werbezwecken.

     

    Allerdings, auch dieser Hinweis muß erlaubt sein: der Radsport tut immerhin etwas gegen den chemischen Beschiss. Wer immer noch glaubt, Doping sei kein Phänomen des Leistungssports allgemein, sondern auf einige wenige Sportarten begrenzt, ist schon längst Opfer der geldmächtigen Populärsportarten - und merkt es nicht mal.

    Es geht eben doch nicht nur um Ballgefühl...