Tour de France: Doppelter High Noon am Hausberg

In den unmenschlich steilen Rampen der Pyrenäen entscheidet sich die Frankreich-Rundfahrt. Die besten Aussichten hat eindeutig Titelverteidiger Alberto Contador

Der größte Vorteil Contadors liegt in der eigenen Muskulatur. Bild: reuters

REVEL taz | Alberto Contador bittet zum Tanz. Seit gestern ist die Tour de France in seinem Lieblingsgebirge unterwegs - in den Pyrenäen. Hier trainiert der Spanier häufig. Hier hat er seine Explosivität auf den unmenschlich steilen Anstiegen noch verfeinert. Hier will er die diesjährige Tour zu seinen Gunsten entscheiden.

"Das Podium wird auf dem Tourmalet gemacht", ist sich Contador sicher. Eine nicht allzu prophetische Aussage, schließlich wird der Hausberg der Tour - nur ganze 14-mal wurde der höchste Pyrenäenpass auf französischer Seite seit seiner Erstaufnahme in den Tourparcours von exakt 100 Jahren vom Peleton ausgelassen - in diesem Jahr sogar zweimal befahren, am Dienstag und am Donnerstag.

"Die Abstände werden groß sein", prognostiziert Yvon Sanquer, Manager von Contadors Team Astana. Er meint vor allem die Abstände zwischen dem derzeit beherrschenden Duo Contador und Andy Schleck einerseits und dem Rest des Feldes andererseits. Nur zwei Spanier vermochten als Solisten bislang ein wenig besser mitzuhalten, wenn Schleck und Contador es etwas ernster meinten.

Joaquim Rodríguez, ein früherer Bergkönig der Vuelta aus der gut bekannten Dopingschule von Manolo Saiz, hielt Contador beim Anstieg in Mende stand. Samuel Sánchez, Olympiasieger 2008 und Vuelta-Zweiter des Vorjahres, blieb auf dem Col de la Madeleine ganz allein strampelnd in der Nähe des sich fabelhaft abwechselnden Duetts. Sánchez wird derzeit betreut vom früheren Saiz-Schüler Igor Gonzáles de Galdeano, der seinerseits wegen zu offensichtlichem Pharmakonsum 2003 mit einem Tourbann belegt worden war.

Nicht zu vergessen ist Luis León Sánchez. Der Mann aus Murcia ist ein dicker Kumpel des ebenfalls von dort stammenden, mittlerweile gesperrten Alejandro Valverde. Wie dieser stand auch er auf der Kundenliste des Eufemiano Fuentes. Er durfte sich des Generalpardons des spanischen Sportministers erfreuen und geriet mangels ganz herausragender Leistungen nicht ins Visier der italienischen Dopingjäger, die immerhin Valverde aus dem spanischen Ensemble herausnahmen. Aber auch ohne Valverde sind die Spanier mit vier Fahrern unter den Top Ten der Gesamtwertung so stark wie lange nicht bei der Tour.

Sie, die sich von vielen geteilten Wettkampf- und Trainingskilometern kennen, haben das gemeinsame Interesse, zunächst die Nichtspanier aus dem Klassement zu fahren und danach erst die Reihenfolge untereinander zu ermitteln. Oder, um genau zu sein: die Reihenfolge hinter Contador, der von seinen Landsleuten als Branchenprimus anerkannt wird. Diese spanische Allianz ist für den Titelverteidiger in seinem Kampf gegen Schleck natürlich vorteilhaft.

Für eine besonders stimulierende Atmosphäre sorgen außerdem hunderttausende Fans, die die Serpentinen bevölkern. Es handelt sich zwar meist um Basken, doch ungeachtet aller sonstigen Separationsbestrebungen peitschen sie in diesem Falle die spanischen Radprofis aller Regionen frenetisch nach vorn.

Der größte Vorteil Contadors gegenüber seinem ärgsten Rivalen Schleck liegt aber in der eigenen Muskulatur. "Seinen körperlichen Voraussetzungen kommen die Pyrenäen sehr entgegen. Er kann mit einem schnellen Antritt auf den steilen, ihre Neigung oft ändernden Rampen sofort mehrere Meter gewinnen.

Andy Schleck hingegen braucht die längeren und eher harmonischen Anstiege, um seine Kraft ausspielen zu können", analysiert Alain Gallopin. Der Franzose, einst Masseur von Laurent Fignon, hat als sportlicher Leiter sowohl mit Schleck als auch mit Contador gearbeitet. Und besitzt angesichts der schlechten Performance seiner aktuellen Schützlinge bei Team Radioshack viel Gelegenheit für umfassende Beobachtungen.

Contador ist außerdem taktisch in der Vorhand. Der Spanier war bislang ein stärkerer Zeitfahrer als der Luxemburger. Zwei Minuten Rückstand könnte er beim Einzelzeitfahren am kommenden Sonnabend wohl problemlos aufholen. "Er kann in Ruhe betrachten, was Schleck unternimmt, und sich den besten Moment für seine Attacke aussuchen", skizziert Gallopin die Ausgangslage.

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