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Tour de FranceArmstrong hat verstanden

Der einstige Dominator der Frankreich-Rundfahrt purzelt ständig vom Rad und strampelt der Konkurrenz hinterher. Nun begreift auch er, dass seine Zeit schlicht vorbei ist.

Beim Start noch nah dran am Führenden der Tour de France: Lance Armstrong. Bild: ap

Nach einer Woche tritt die Tour de France in eine neue Epoche ein: in die ultimative Post-Armstrong-Ära. Der Cowboy handelte sich bei der ersten Alpenetappe sensationelle knapp zwölf Minuten Rückstand ein. Er hatte danach Stil genug, zu sagen: "Meine Tour ist vorbei. Ich genieße noch die letzten zwei Wochen in Frankreich. Aber die Tour gewinne ich nicht mehr."

Nun ist der Weg frei für die, die sportlich schon im letzten Jahr besser waren, vom Amerikaner medial aber an den Rand gedrückt wurden. Ein "in der Form meines Lebens" befindlicher Andy Schleck tritt ohne brüderliche Unterstützung - Fränk lässt zu Hause sein Schlüsselbein zusammenwachsen - gegen einen nicht ganz so stark wie im Vorjahr wirkenden Titelverteidiger Alberto Contador und den Champion der ersten Woche, Cadel Evans, an.

Bis es dazu kommen konnte, mussten sich erst einige Winke des Himmels in handfeste Hiebe materialisieren. Denn Armstrong, eigentlich kein dummer Kerl - wie sieben Toursiege gegen meist talentiertere Konkurrenz, ein Millionenvermögen durch Wellness- und Diättips, ein gewieftes Antikrebsmanagement sowie eine bislang erfolgreiche Umschiffung aller Antidopingfallstricke beweisen - wollte nicht erkennen, dass die Zeit des Abschieds längst angebrochen war. Sehr deutlich war bereits im letzten Jahr die Botschaft auf den Asphalt gepinselt: Lance, du bis noch immer sehr gut. In der Ü35-Kategorie würdest du jedes Rennen gewinnen. Aber jetzt sind ein paar Leute da, deren Fleisch straffer, deren Blut sauerstoffhaltiger und deren Tritte explosiver sind. In dieser Saison nahmen diese Botschaften die Dimension von Kettenbriefen an.

Armstrong gewann kein einziges Zeitfahren - das war einst seine Spezialdisziplin. Er keuchte in den Bergen hinterher. Und er purzelte immer wieder vom Rad, was ihm in den 17 Karrierejahren zuvor verblüffend selten unterlaufen war. Weil Armstrong diese Zeichen einfach nicht lesen wollte, mussten die Feen des Schicksals in diesem Sommer Schwerstarbeit leisten. Sie brachten den unwilligen Lerner am dritten Tourtag auf dem Col de Stockeu ins Rutschen und holten ihn tags darauf bei der Kopfsteinpflasteretappe nach Arenberg erneut vom Rad. Weil Armstrong an diesen Tagen nicht der Einzige war, der aus dem Gleichgewicht geriet - 56 Sturzopfer zählte das medizinische Bulletin allein am Col de Stockeu -, mochte man es ihm fast nachsehen, dass er immer noch nicht verstand.

Auf der achten Etappe legten die Feen nach. Durchaus mit Sinn für das Komödiantische, das jedem Drama folgt, wählten sie sich die erste Bergetappe als Schauplatz der Entzauberung aus. In früheren Jahren pflegte der Amerikaner hier seine Konkurrenten zu zermalmen. Jetzt war er selbst ein Geschlagener. Dies verstand er allerdings erst beim dritten Streich.

Als er einer Karambolage im Peloton auf den Acker ausweichen musste wie 2003 in Gap, geriet er nicht ins Stutzen. Als sich seine Pedale in einem Kreisverkehr verfing, er daraufhin bei 65 km/h stürzte und so lange auf seiner linken Seite schlitterte, bis ihn die Reibung zwischen Textil, Haut und offenem Fleisch auf der einen und dem Asphalt auf der anderen Seite zum Anhalten brachte, fiel ebenfalls nicht der Groschen. Armstrong schüttelte sich ein wenig, schnappte sein Rad und beorderte seine Helfer wie gewohnt voraus.

Erst als ihn beim dritten Mal - er hatte zwischenzeitlich den Anschluss nach vorn geschafft, war bei einer Tempoverschärfung allerdings wieder stehen gelassen worden - ein Euskaltel-Fahrer nur wenige hundert Meter von der Stelle entfernt umriss, an der er schon 2003 während der Dauphiné Libéré gestürzt war, schlug der Blitzstrahl der Erkenntnis in den texanischen Hartschädel ein. Dem mit dem Wolf tanzenden Kevin Kostner gleich breitete er die Arme aus. Er blickte zum Himmel. Dann setzte er sich demütig auf sein Rad und folgte gesenkten Haupts und in gemessenem Tempo denen, die schneller, besser und aufmerksamer sind.

Armstrong backt jetzt kleinere Brötchen. Er möchte sich mit einem Etappensieg verabschieden. Im Lager von Radioshack deuteten sie an, dass dies möglichst kein x-beliebiger Etappensieg sein sollte. Fest ins Auge gefasst ist ein Sieg auf dem Tourmalet. Der Drang, sich in die Geschichte einzumeißeln, ist weiterhin der Motor des gefallenen Heros aus Texas.

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3 Kommentare

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  • O
    ole

    Also entweder berichtet die taz über die Tour, die sich ja mittlerweile in der 2. Woche befindet oder man läßt es sein. Dieser hämische Artikel macht lediglich den Eindruck, daß man Lance noch einmal was obendrauf geben muß. Kann man sich schenken.

  • RS
    Richard Siecinski Hannover

    Wenn ich solch agressive Artikel lesse, vergeht mir jegliche Lust meine geliebte TAZ zu lesen. Schafft überhaupt der Autor zwei Kilometer Rad zu Fahren ?

  • HD
    Herr Denk Drüber

    Die Tour hat es nicht verdient dass man über sie berichtet.

     

    Armstrong steht im schweren Verdacht Jahre lang gedopt zu haben. Es gab sogar Berichte im öffentlich Rechtlichen.

     

    Jeder Artikel zu diesem Sport ohne ein Wort zum Doping und groß angelegten Beschiss an der Öffentlichkeit ist salopp gesagt ein missglückter Artikel.