Tote nach Psychotherapie-Sitzung: "Eine furchtbare Tragödie"
Nach der illegalen Gruppentherapie mit tödlichem Ausgang gerät die "psycholytische" Therapie in Misskredit. Welche Drogen genau im Spiel waren, ist noch unklar.
![](https://taz.de/picture/337589/14/pillen_03.jpg)
Von "Scharlatanerie" sprach am Montag der Vorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung, Dieter Best. Das, was in Berlin am Samstag passiert sei, dürfe niemals mit "Psychotherapie" in Verbindung gebracht werden. Infolge einer Gruppensitzung mit einem illegalen Drogenmix waren zwei Menschen gestorben, einer liegt noch im Koma.
Gegen den Arzt Garik R., der in seiner Praxis in Berlin-Hermsdorf die Sitzung mit zwölf Patienten geleitet hatte, erging Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Er soll den zwölf Patienten im Alter zwischen 26 und 59 Jahren psychoaktive Substanzen in noch unbekannter Kombination verabreicht haben.
Der 50-jährige Garik R. ist Arzt für Allgemeinmedizin und ausgebildeter Psychotherapeut. Er bietet - sogar ganz offen auf dem Praxisschild - auch die sogenannte psycholytische Therapie an. Dies sind von der Kasse nicht anerkannte Behandlungen unter Einsatz von psychoaktiven Substanzen, darunter auch dem in Deutschland illegalen LSD und MDMA (Ecstasy).
Aus Ermittlerkreisen heißt es, dass bei der Gruppenbehandlung Ecstasy mit im Spiel gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft wollte sich am Montag über die genaue Zusammensetzung des von Garik R. verabreichten Cocktails noch nicht äußern, sondern erst ein toxikologisches Gutachten abwarten. Sie geht aber nicht von einem Tötungsvorsatz des Arztes aus.
Garik R. absolvierte vor 15 Jahren eine Ausbildung bei dem umstrittenen Schweizer Psychiater Samuel Widmer, der die sogenannte Therapeutisch-Tantrisch-Spirituelle Universität leitet und auf seiner Website ganz offen für die psycholytische Therapie wirbt. Garik R. ist im Seminarprogramm Widmers auch als Referent für eine Veranstaltung im kommenden Jahr aufgeführt.
Widmer hatte bis 1993 die behördliche Erlaubnis, mit psychedelischen Substanzen wie MDMA und LSD in der Schweiz therapeutisch zu arbeiten. Er war Mitgründer der Schweizer Ärztegesellschaft für psycholytische Therapie (Säpt). Er arbeite nur mit genehmigten Substanzen, sagte Widmer. Er müsse daher annehmen, dass Garik R. in seinen Sitzungen "etwas anderes genommen hat, denn meine Substanzen sind ungefährlich", so Widmer. Laut seiner Internetseite bringt er heute nur Ketamin und Ephedrin zur Anwendung. Widmer lebt in einer Hofgemeinschaft im schweizerischen Lüsslingen mit 75 Erwachsenen und 60 Kindern zusammen.
In der Schweiz sind heute Behandlungen mit LSD und MDMA bei regulären Psychotherapien verboten, bei zwei eng begrenzten Forschungsvorhaben aber erlaubt, erklärte der Präsident der Säpt, Peter Gasser, der taz.
Gasser führt im Rahmen einer Studie eine "LSD-unterstützte Psychotherapie" bei Personen mit Angstsymptomatik in Verbindung mit schweren Erkrankungen wie Krebs durch. In den Sitzungen erhalten die Patienten genau dosierte Mengen an LSD, sie werden sorgfältig begleitet und überwacht, ein Beruhigungsmittel steht bereit.
Gruppenbehandlungen wie die von Garik R. seien auch deswegen hochproblematisch, weil man wegen der illegalen Beschaffung nie wirklich wüsste, wie die Dosierung und die Kombinationen in den Substanzen seien, meinte Gasser. Der Fall in Berlin sei "eine furchtbare Tragödie".
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