Torten-Attacke: Biskuit mit Creme und Schwandner
Arg bekleckert begrüßte Oldenburgs Oberbürgermeister Fritz Gerd Schwandner am Dienstagabend Neubürger: Eine Gruppe Maskierter hatte ihn mit einer Torte beworfen. Empörung und Entsetzen blieben aus
Den Zivilcourage-Preis der Nordwest Zeitung bekommt Michael Exner jedenfalls nicht. Definitiv. Denn der Leiter der Oldenburger Lokalredaktion saß am Dienstagabend als aufmerksamer, aber stiller Beobachter in der ersten Reihe, als im Rahmen einer Neubürgerbegrüßung ein Attentat aufs Stadtoberhaupt verübt wurde.
Als Oldenburgs Oberbürgermeister Fritz Gerd Schwandner die Bühne des Kulturzentrums PFL betrat, schritt auch ein Trupp Maskierter in den Saal, fünf hat die Polizei gezählt. Alle bekleidet mit roten Kapuzenpullis - auf dem Rücken den Schriftzug "Die Überflüssigen" in weiß. Vorne angekommen reichte einer von ihnen Schwandner die Hand, um ihm zugleich mit der Linken eine Torte ins Gesicht zu drücken, klassischer Biskuitboden mit Creme oder möglicherweise Sahne.
Gesichert ist indes, dass sich der Amtsträger zu wehren versuchte. Während des Gerangels gelangen auch dem NWZ-Fotografen etliche Schnappschüsse. Auf mehreren ist Exner als neugieriger Zuschauer verewigt, ebenso zu erkennen der zur Salzsäule erstarrte Leiter des Ordnungsamtes. Von Empörung oder Entsetzen ist auf dem Video von dem Vorgang nichts zu bemerken. Deutlich zu vernehmen ist dagegen der Ausruf: "Das hat er sich redlich verdient!"
Anschließend verließ das Grüppchen den Ort des Geschehens - ohne Hast, unbehelligt und nicht ohne erläuternde Flugblätter zu hinterlegen. Die Neu-Oldenburger bekamen so verdeutlicht, dass ihr Stadtoberhaupt, das sie anschließend bekleckert willkommen hieß, selbst in den eigenen Reihen allzu eifrige Anhänger kaum mehr hat. In der Vorwoche hatten sich 70 Prozent der Ratsleute für seine Abwahl ausgesprochen: Wortbruch, Selbstherrlichkeit und Missachtung der Stadtverordneten werfen sie ihm vor.
Die Tortenwerfer geben in ihrem Flyer an, man habe Schwandner nicht als Person, sondern "als Repräsentanten einer Politik, die Überflüssige schafft" treffen wollen. Konkreter Anlass der Aktion seien die Pläne fürs Hafen- und Bahnhofsquartier: Dort solle, so der Vorwurf "ein Viertel für die neureiche Elite" entstehen. Das verursache durch den erwartbaren Anstieg der Mieten eine Vertreibung von "Menschen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen". Die Oldenburger Polizei ermittelt wegen Beleidigung und Hausfriedensbruchs.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!