Torstraße in Berlin-Mitte: Senat hängt an der Doppelspur
Beim Umbau der Torstraße will Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) dem Autoverkehr unbedingt viel Platz geben. Zu einer Infoveranstaltung kam sie nicht.
Die Senatsverwaltung für Verkehr ist offenbar fest entschlossen, den ab 2026 vorgesehenen Umbau der Torstraße in Mitte am Autoverkehr auszurichten. Mobilitätspolitische Organisationen kritisieren diesen Ansatz scharf, weil er Pkws und Lkws mehr Raum als nötig einräume – das gehe auf Kosten der Verkehrssicherheit, aber auch der Aufenthaltsqualität auf der Ost-West-Verbindung. Dass weder Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) noch ihr Staatssekretär bei einer Infoveranstaltung am Mittwochabend trotz großen Interesses der BürgerInnen teilnahmen, ist für sie ein Zeichen, dass die Verwaltung in dieser Sache nicht mit sich reden lassen will.
Der Umbau der maroden Straße, auf der es bis dato keine Radspuren gibt, ist seit Längerem geplant. Die bis 2023 grün geführte Verkehrsverwaltung hatte eine Reduzierung der Fahrspuren für den motorisierten Verkehr angedacht – vor Kurzem nun veröffentlichte die CDU-geführte Verwaltung ihre angepasste Planung für den westlichen Abschnitt zwischen Chausseestraße und Rosenthaler Platz, die wieder jeweils zwei Spuren vorsieht. Zur Begründung wird auf den „Erhalt der Leistungsfähigkeit“ der Straße verwiesen.
Ein Effekt davon ist, dass Radfahrende auf der südlichen Straßenseite auf einem sogenannten Hochbordradweg fahren sollen, dessen Breite vom aktuellen Gehweg abgeht. Außerdem sollen nach Beginn der Arbeiten im 3. Quartal des kommenden Jahres etliche jahrzehntealte Straßenbäume ersatzlos gefällt werden, weil Bondes Verwaltung Kfz-Stellplätze erhalten will.
„Statt eines innerstädtischen klimaangepassten Boulevards mit Aufenthaltsqualität soll eine Autoschneise erhalten werden, für die es nicht einmal verkehrlichen Bedarf gibt“, so das Fazit des Berliner Bunds für Umwelt und Naturschutz. „Die Entscheidung, die Torstraße vierspurig auszubauen, ist politisch getroffen worden“, meint BUND-Verkehrsexpertin Katharina Wolf, „auf Basis der Fakten würden auch zwei Autospuren ausreichen.“
Trotzdem sei die politische Leitungsebene der gut besuchten Veranstaltung im eigenen Haus ferngeblieben. Wolf: „Es ist feige, den berechtigten Unmut über die Autopolitik der CDU einfach ungebremst auf die Beschäftigten der Verwaltung niedergehen zu lassen, ohne sich vor sie zu stellen.“
Eine Spur pro Richtung soll reichen
Um die insgesamt vier Fahrspuren für den Autoverkehr zu rechtfertigen, argumentiert die Verkehrsverwaltung mit den Verkehrszählungen der vergangenen Jahre. In ihrer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion gibt sie durchschnittliche Verkehrsstärken an Werktagen von 20.100–33.800 Fahrzeugen im Jahr 2019 und 18.200–32.300 im Jahr 2023 an. Nach einer Auswertung der Grünen bezieht sich die jeweils kleinere Zahl auf den westlichen Abschnitt, um den es aktuell geht. Diese ließe sich aber auch mit jeweils einer Fahrspur bewältigen.
Weitere Zweifel an der Seriosität der vorliegenden Planungen wirft ein alternatives Sicherheitsaudit auf, das der Verein Changing Cities vor wenigen Tagen vorstellte. Diesem zufolge soll der Entwurf „34 gravierende Sicherheitsdefizite“ enthalten, „die voraussichtlich zu verletzten Personen führen würden“. Ein von der Senatsverwaltung selbst in Auftrag gegebenes externes Sicherheitsaudit ist hingegen nicht einsehbar. Changing Cities fordert nun Ute Bonde auf, diesen Bericht zu veröffentlichen.
Auch eine Alternativplanung hat Changing Cities vorgelegt – mit zwei Fahrspuren für den Kfz-Verkehr, einer breiten „Safety Lane“ für Radfahrende, die im Notfall von Rettungsdiensten genutzt werden kann, und einem Multifunktionsstreifen, wo zu bestimmten Tageszeiten der Lieferverkehr halten kann. „Keine Bäume müssen gefällt werden, und die Fußgänger*innen bekommen mehr Platz“, so das Versprechen.
Vor der Informationsveranstaltung am Mittwoch demonstrierte die Bürgerinitiative Lebendige Torstraße vor dem Dienstgebäude der Senatsverwaltung in der Brunnenstraße. Die Initiative kritisiert nicht nur die vorliegende Planung, sondern zieht auch in Zweifel, dass die PlanerInnen sich wirklich ein Bild von der Lage vor Ort gemacht haben. Das werde auch daran deutlich, dass viele existierende Elemente auf der Torstraße „gar nicht berücksichtigt“ seien.
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