Tories nach dem Brexit: May – or May Not
Das Rennen um die Nachfolge des Premierministers Cameron ist eröffnet – ohne Boris Johnson. Als Favoritin gilt Innenministerin Theresa May.
May und Gove kommen aus entgegengesetzten Brexit-Lagern, aber darum geht es nicht mehr. Innenministerin May erklärte, sie sei für den Verbleib gewesen, aber als Regierungschefin werde sie den Austritt umsetzen. Justizminister Gove war ohnehin einer der beiden Chefs der überparteilichen „Vote Leave“-Kampagne gewesen.
Es geht jetzt um politische Loyalitäten. Gove war bis Mittwoch früh ein Johnson-Getreuer. Nicht nur sein Alleingang war dann für den bisherigen Favoriten ein Schock, sondern auch, dass so viele andere Johnson-Anhänger sich sofort Gove anschlossen. Neben ihm hat bereits Wirtschaftsstaatssekretärin Andrea Leadsom ihre Kandidatur erklärt – eine Brexit-Befürworterin, deren Präzision im Wahlkampf vorteilhaft mit dem eher wirren Auftritten Johnsons kontrastiert hatte.
Seinen Favoritenstatus hatte Johnson ohnehin schon eingebüßt. Er sonnte sich untätig in der Gewissheit der eigenen Alternativlosigkeit und merkte nicht, dass im Schatten Alternativen heranschlichen. Eine „Stop Boris“-Kampagne kam in Fahrt und sammelte sich um Innenministerin Theresa May. Sie ist ein Arbeitstier, sie steht für den unspektakulären, traditionellen Konservatismus, den die Basis schon bei David Cameron liebte und den man bei Boris Johnson vermisst.
Als Cameron im Februar das EU-Referendum ansetzte, hatte es viel Spekulation über May gegeben. Sie entschied sich für „Remain“, hielt sich dann aber aus dem Wahlkampf heraus. Zugleich gilt die gestrenge Ministerin, deren Durchsetzungskraft ihr viel Respekt eingebracht hat, als Hardlinerin in der Einwanderungspolitik. Als sie jetzt ihre Kandidatur erklärte, trat als ihre rechte Hand Chris Grayling auf, EU-Gegner und Fraktionsführer der Konservativen im Unterhaus, der am klarsten formuliert hat, wie der Brexit praktisch zu organisieren sei.
So kann May nun dafür werben, sie sei die Einzige, die die Tories und das Land wieder zusammenführen könne. Die nötige Autorität würde ihr keiner absprechen. Während Boris Johnson zum Erklären seiner Nichtkandidatur ein Luxushotel wählte, trat Theresa May vor Bücherregalen in einem Thinktank auf.
Ihre Sätze waren kristallklar: Das Volk hat entschieden; es gibt kein Zurück, kein zweites Referendum, auch keine vorgezogenen Neuwahlen, keinen Nachtragshaushalt, keinen sofortigen Austrittsbeschluss. Dann erklärte sie trocken, als Tochter eines Pfarrers und Enkelin eines Offiziers gehe es ihr um Pflichterfüllung, nicht um Ideologie, Ambition oder Show. „Ich mache einfach den Job, der ansteht“, sagte May zu lautem Applaus. Regieren sei „kein Spiel“. Es war klar, von wem sie sich absetzen wollte.
Kurz vor Theresa May hatte schon Johnsons Mitstreiter Michael Gove dessen Kandidatur den Todesstoß versetzt. „Ich bin schweren Herzens zum Schluss gekommen, das Boris für die anstehende Aufgabe weder die Führung bieten noch das Team bauen kann“, sagte Gove. Beide haben Monate gemeinsamen Wahlkampfs hinter sich.
Als schließlich Johnson selbst vor die Journalisten trat, wenige Minuten vor Ablauf der Kandidatenfrist am Mittag, blieb ihm nur der Schwanengesang. Er lobte sich selbst in der Vergangenheit – als ehemaliger Bürgermeister Londons. Das EU-Referendum sei das Gegenteil vom insularen Rückzug: „Dies ist unsere Chance, wieder global zu denken.“ Aber der richtige Premierminister für einen neuen Deal mit der EU „kann ich nicht sein“.
Mit seiner Nichtkandidatur stahl Johnson den anderen die Show. Aber nur für diesen einen Tag. Nächsten Dienstag läuft der erste Wahlgang in der Fraktion. Es folgen weitere Wahlgänge, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind. Über die stimmt dann die Parteibasis ab. Bis zum 9. September soll Camerons Nachfolger – oder Nachfolgerin – stehen.
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