: Moor kann mehr als Torf
Niedersachsens Umwelt- und Klimaschutzminister Christian Meyer hat sich den Moorschutz auf die Fahnen geschrieben. Tut er genug? Matthias Schreiber vom Umweltforum Osnabrücker Land zweifelt
Von Harff-Peter Schönherr
Man kann mit dem Moor umgehen wie die Band Torfrock: „Rut mit’n Torf, hau rin und hol rut, dat matscht so schön und tut so gut.“ Spaßfaktor hoch, Problembewusstsein gleich Null. Ratsam ist das nicht. Denn Torfabbau tut nicht gut. Vor allem nicht dem Klimaschutz.
208.000 Hektar Hoch- und 187.000 Hektar Niedermoor gibt es in Niedersachsen, so das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie. Auf über 8.000 Hektar wird derzeit Torf abgebaut: für unsere Blumentöpfe und Gemüsebeete. Fast die gesamte deutsche Torfproduktion findet hier statt, rund sieben Millionen Kubikmeter pro Jahr.
Lässt man Moorböden in Ruhe, binden sie CO2, statt es freizusetzen. Aber man lässt sie nicht in Ruhe. Auch nicht unter Niedersachsens Umwelt- und Klimaschutzminister Christian Meyer (Grüne), der sich gern als ihr Beschützer zeigt. Die Studie „Zum Stand des Torfabbaus in Niedersachsen“, die das Umweltforum Osnabrücker Land im Herbst 2023 vorgelegt hat, ist alarmierend: Von 89 Genehmigungen ist darin zu lesen; einige davon gehen bis 2047, zwei sind unbefristet. Neue Genehmigungsverfahren laufen.
Zwar enden 80 Prozent aller befristeten Abbaugenehmigungen bis 2035. „Aber das ist keine beruhigende Nachricht“, sagt Matthias Schreiber, Vizevorsitzender des Umweltforums und einer der Co-Autoren der Studie. „Denn solange wird ja CO2 freigesetzt. Und danach ist die Torfmenge dort ohnehin aufgebraucht.“ Schreiber ist überzeugt: „Wir leisten uns Absurditäten. Dass im Moor was vorangeht, erkennt man nicht.“
Auch die behördliche Informationspolitik ist absurd: Nicht alle Landkreise haben für die Studie des Umweltforums Angaben gemacht. „Teils gab es Akteneinsicht auch nur vor Ort“, sagt Schreiber, „und statt einer Kopie musste man alles abschreiben.“
Dass die Abtorfung in Niedersachsen noch lange weitergehen könnte, zeigt auch die Große Anfrage „Moorschutz ist Klimaschutz“ der Landtagsfraktion der Grünen von 2021. In mehreren Landkreisen, räumt das Umweltministerium in seiner Antwort ein, laufen Genehmigungen bis 2060.
Niedersachsens SPD und Grüne wollen zwar Ende diesen Jahres im Landtag ein Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beschließen, das vorsieht, „dass keine neuen Genehmigungen für den Abbau von Torf erteilt werden“, sagt Lotta Cordes, Sprecherin des Umweltministeriums. Aber in bestehende Abbaugenehmigungen greift das Gesetz nicht ein.
„Das war ein langer Kampf“, sagt Christian Meyer. „Und die Torf-Lobby läuft jetzt natürlich gegen mich Sturm. Aber wir brauchen einen Ausstieg aus der klimaschädlichen Torfnutzung.“ Zum 1. Dezember, so Meyer weiter, trete zumindest schon einmal eine neue Beschaffungsrichtlinie in Kraft, „die den Einsatz von Torf durch Landesbehörden ausschließt“.
Schreibers Hoffnung, dass Minister Meyer bestehende Genehmigungen aussetzt, hat sich bisher nicht erfüllt. Der Minister sagt dazu: „Es ist juristisch strittig, ob man das als Land überhaupt tun könnte, weil es natürlich Vertrauensschutz in einmal erteilte Genehmigungen gibt.“ Außerdem, so Meyer weiter, stünde bei rückwirkenden Eingriffen des Staates in bereits erteilte Genehmigungen „dann auch die Forderung nach hohen Entschädigungen im Raum“.
Meyer vermutet, dass auch die Gesetzesnovelle selbst Gegenstand einer Gerichtsentscheidung wird, denn der Arm der Torf-Lobby reicht weit. „Eine zweite juristische Front zu eröffnen, solange sie nicht in trockenen Tüchern ist, ist nicht ratsam.“
Auch das Substrat-Unternehmen Gramoflor aus Vechta baut in Niedersachsen Torf ab, auf 200 Hektar, derzeit jährlich bis 200.000 Kubikmeter, Tendenz sinkend. Seine Abbaugenehmigungen enden zwischen 2029 und 2036. „Neue sind nicht mehr geplant“, schreibt Josef Gramann, geschäftsführender Gesellschafter von Gramoflor. Er gehe davon aus, „dass unsere bestehenden Genehmigungen von dem neuen Gesetz unberührt bleiben“. In der Gesetzesnovelle sieht er „erhebliche inhaltliche Mängel“ und verweist auf ein Rechtsgutachten des Industrieverbands Garten (IVG), sie sei nicht verfassungskonform.
Philip Testroet, Referatsleiter Gartenbau und Umwelt des IVG, lobt gegenüber der taz derweil den Torfabbau als positiv: Die Biodiversität werde „dadurch gefördert, dass artenarme landwirtschaftlich genutzte und seit langer Zeit trockengelegte Flächen nach dem Abbau zu lebenden Mooren, CO2-Senken und Habitaten für seltene Tiere und Pflanzen und unter dauerhaften Schutz gestellt werden.“
Matthias Schreiber, Umweltforum Osnabrücker Land
Sicher, Torfabbau auf Agrarflächen kann ein Schlüssel zur Moor-Renaturierung sein, so widersinnig das klingt und ist. Aber er hat Klimakonsequenzen. Und was der Mensch in wenigen Jahren zerstört, braucht Jahrtausende, um wieder zu wachsen.
„Unser Engagement bei der Hochmoorentwicklung“, sagt Gramann, „ist eine echte Herzensangelegenheit.“ Gramoflor habe auf über 300 Hektar hohe Biodiversität und Artenvielfalt entstehen lassen. Schreiber attestiert Gramoflor eine gute Nachsorge. Aber er wirft dem Unternehmen zugleich eine Haltung „von früher“ vor: „Angesichts der Klimakrise gibt es heute einen ganz neuen Handlungsdruck.“
Und es gibt Handlungsvorbilder: Im Herbst 2023 ist ein vom Umweltforum mitinitiierter Bürgerdialog zu Perspektiven für das Große Moor/Campemoor nordöstlich von Osnabrück an den Start gegangen. 260 Leute kamen. „Die Atmosphäre war abwartend, neugierig“, sagt Schreiber, „nicht abwehrend aggressiv, wie oft bei Naturschutzprojekten.“ Landwirte waren da, Kommunen, Umweltverbände, die Torfindustrie. Anfang 2024 steht ein neuer Termin an.
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