■ Standbild: Tooor! Tooor! Tooor!
„Im Sog der Einheit“, Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD
„Im Blick zurück über fünf Jahre ist es unzweifelhaft, daß mit dem Fall der Mauer – in dem Sinne, daß sie nicht mehr wie vordem die absolute Absperrung der DDR bedeutet – die deutsche Vereinigung eingeleitet wurde.“ Im Blick zurück auf die FAZ von vorgestern ist es unzweifelhaft, daß mit dieser brillanten Analyse der Kommentar von Leitartikler K.F. Fromme eingeleitet wurde.
Jenes einfache Volk aber, das selten über derart Ciceronische Wortgewalt verfügt, brachte es schon im November '89 im direkten Umfeld des seiner Funktion beraubten Trennungs-Bauwerkes (Fromme) und vor laufenden Kameras auf etwas knappere Formeln: „Das ist Wahnsinn!“ oder „Das ist Geschichte live hier!“ oder „Gott segne unser deutsches Vaterland!“ (Kohl) Allerdings muß man diese Szenen, die uns die ARD zum fünften Jahrestag der Maueröffnung nochmals geballt präsentierte, vielleicht doch vor Augen haben, um zu begreifen, daß auch Frommes Kollege Gustav Seibt nicht komplett durchgeknallt ist, wenn er schreibt: „Die Berliner Nacht vom 9. zum 10. November war einer der seltenen Momente, in denen sich Weltgeschichte sichtbar manifestierte, wo sie an einem Ort und in ein paar Stunden szenisch wird, anschaubar, erinnerbar.“ Ebenso szenisch wie erinnerbar wird uns nämlich ein paar Zeilen weiter auch seine Feststellung, daß der „9. November“ ein solch „rarer Moment“ gewesen sei, daß „in dessen Nacht daher jeder Schritt und jede Geste symbolisch wurden – und symbolisch erlebt wurden.“ Anders gesagt: In jener Nacht wurde bereits die Fußball-WM '94 gefeiert.
Wer die entsprechenden Fernsehbilder noch einmal sah, der fühlte sich auch durch einen weiteren Aufschrei des FAZ- Mannes nicht vor den Kopf gestoßen: „Da war das Undenkbare mit fast epiphanischer Gewalt Wirklichkeit geworden.“ Wer aber nicht ferngesehen hat, hat womöglich vergessen, wie seinerzeit etwa Walter Momper sich mit fast epiphanischer Gewalt zum Schaffner eines S-Bahn-Sonderzugs aufschwang oder was für eine schlechte Seifenoper Kohl, Krause und Krenz mit dem Weltgeist im Nacken vor unseren Augen abzogen. Und der muß doch die FAZ für stark senil halten. Sehen Sie, Stoiber, wie wichtig die ARD ist?! Martin Sonneborn
P.S.: Worüber sollte ich eigentlich schreiben? Wiedervereinigung? Stoiber? FAZ? Gruß, Martin!
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