Tommy Haas' goldener Karriereherbst: Ein inspirierender Unfall
Der 34-jährige Tommy Haas ist fitter denn je. In Key Biscane steht er erstmals das Achtelfinale – gegen den Weltranglistenersten Novak Djokovic.
MIAMI taz | Am Ende war’s die reine Idylle. Mit seiner knapp zweieinhalb Jahre alten Tochter Valentina auf dem Arm machte Tommy Haas ein paar Schritte vorm Schiedsrichterstuhl, daneben stand Vater Peter, und der hielt die Szene für die Nachwelt fotografisch fest.
„Als ich Vater wurde, wusste ich ja nicht, wie lange ich noch spielen würde“, sagt Tommy Haas, „und auch nicht, wie es sich anfühlen würde, meine Tochter auf der Tribüne zu sehen. Vor zwei Tagen war sie schon dabei, heute wieder. Und dann kommt sie auch noch auf den Platz … So was ist vielleicht ein bisschen kitschig, aber irgendwann wird’s toll sein, wenn wir diese Bilder haben.“
Haas wird in der kommenden Woche 35; er hat sich mittlerweile daran gewöhnt, bei jedem Turnier einer der ältesten Spieler zu sein. Alexander Dolgopolov, gegen den er in der dritten Runde der Sony Open souverän gewann (6:3, 6:2), ist 24, und Haas sagt zu diesem Abstand: „Zu wissen, dass man sooo viel älter ist, ist fast surreal. Aber wenn du den Ball zum ersten Aufschlag in die Luft wirfst, dann ist das Letzte, was du denkst: Gott, der Typ ist erst Mitte zwanzig; dann willst du nur noch einen Weg zum Sieg finden.“
Gegen den trickreichen Ukrainer hatte Haas das Geschehen im Griff, zuerst im weißen Hemd, dann im fliederfarbenen und schließlich im blauen. Kaum zu glauben, dass er nun zum ersten Mal seit 2001 in der vierten Runde in Key Biscayne gelandet ist – wobei der Vergleich im Prinzip nur halb stimmt. Seinerzeit wäre er zwar für das Achtelfinale gegen Andre Agassi qualifiziert gewesen, aber wegen einer Verletzung trat er schließlich nicht an.
Unter Druck bei Freunden
Irgendwie klappte es seit dem ersten Auftritt vor 16 Jahren nie besonders gut bei diesem Turnier, was ihn in all den Jahren wurmte, weil Florida lange Zeit seine zweite Heimat war und auf der Tribüne immer auch Freunde saßen, denen er gern mehr geboten hätte.
Jetzt ist er froh, dass es diesmal anders ist. Und vor allem freut er sich auf die nächste Begegnung, den Auftritt auf dem Centre Court am Dienstag gegen die Nummer eins der Welt, Novak Djokovic (Mittwoch, 2 Uhr MEZ). Die beiden bisher letzten Begegnungen gegen den Serben liegen nicht allzu lange zurück; im Sommer 2012 erzwang Haas beim Turnier in Toronto drei Sätze und hatte dabei das Gefühl, gut zu spielen, im Herbst in Schanghai wollte er nach eigener Einschätzung zu schnell zu viel und verlor glatt in zwei Sätzen.
Was das Tolle am eindrucksvollen letzten Teil seiner Karriere ist – irgendwie sieht es so aus, als sei Tommy Haas sogar fitter und schneller auf den Beinen als früher. Im Vergleich zur selben Zeit vor einem Jahr geht es ihm jedenfalls um Klassen besser. Nach dem Turnier in Miami 2012 hatte er ernsthafte Probleme mit dem Knie, konnte danach wochenlang nicht trainieren, fiel in der Rangliste weit nach unten und musste schließlich sogar bei den French Open in die Qualifikation. Und sowas macht nicht allzu viel Spaß, wenn man mal zu den Besten gehörte.
Die Herausforderungen dieser Tage gefallen Haas deutlich besser, weil es ihm auch deutlich besser geht. Er versucht, seinen durch viele Operationen strapazierten Körper in Schuss zu halten, und das gelingt ihm im Moment ziemlich gut. Davon sind auch die Konkurrenten überzeugt. An Respekt vor der Leistung von Haas fehle es sicher nicht, sagt Djokovic, der sei vermutlich im Moment einer der Spieler mit der größten Erfahrung in der Welt des Tennis.
Haas meint, vieles von der Stärke und dem Willen, mit dem sein Vater einst den schweren Motorradunfall überstanden habe, stecke auch in ihm. Das sei eine große Inspiration für ihn gewesen, die eigenen schweren Phasen zu überstehen. Ist er tatsächlich dabei, im Herbst seiner Karriere manche Dinge mit größerer Konsequenz zu verfolgen als im Frühling? „Wenn du arbeiten kannst“, sagt er, „was steht dir dann im Weg? Wenn du zwei Beine hast und rennen kannst, dann geh raus und spiel das Spiel, das dir so viel bedeutet.“ Klingt gut. Besser denn je.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis