: Todesurteile in Ruanda
■ Erster Völkermordprozeß beendet. Als nächster kommt ein Politiker dran
Kigali (AFP/AP/dpa) – Erstmals seit dem Völkermord im ostafrikanischen Ruanda vor mehr als zwei Jahren sind gestern zwei daran Beteiligte zum Tode verurteilt worden. Ein Gericht in der Provinzstadt Kibungo befand den Krankenpfleger Deogratias Bizimana und den früheren Regierungsbeamten Egide Gatanazi für schuldig, an Massakern unter der Tutsi-Bevölkerung teilgenommen sowie Todesschwadronen der Milizen des Hutu-Volkes angeführt zu haben. Beide Angeklagte hatten sich bei Prozeßbeginn am 27. Dezember für nicht schuldig erklärt. Keinem der beiden standen Rechtsanwälte zur Seite. Die Angeklagten kündigten Berufung an.
Im vollbesetzten Gerichtssaal herrschte Stille, als die drei Berufsrichter erklärten, die Schuld der beiden Hutu sei in elf Punkten nachgewiesen. Es ging dabei um Beteiligung am Massenmord, Vergewaltigungen und Plünderungen. Der Prozeß hatte am vergangenen Freitag mit der Aussage von Überlebenden des Völkermordes begonnen. Der 37jährige Bizimana wurde für schuldig befunden, 1994 an Massakern in den Ortschaften Birenga und Sake als Anführer einer „Gruppe von Mördern“ beteiligt gewesen sein. Der 43jährige Gatanzi leitete 1994 eine sogenannte „Zelle“, eine Verwaltungseinheit der damaligen Regierung. Er wurde wegen Mordes, Vergewaltigung und Raub verurteilt. Gatanazi sprach ungeachtet einer belastenden Aussage seiner eigenen Schwester von einem politischen Komplott.
Inzwischen ist auch in Ruandas Hauptstadt Kigali eine Hauptverhandlung um die Massaker eröffnet worden. Angeklagt ist Froduald Karamira, vor dem Völkermord Anführer des extremistischen Flügels „Hutu-Power“ der Partei MDR. Die Regierung wirft ihm vor, in Reden zu Massenmord aufgefordert und Massaker organisiert zu haben. Augenzeugen zufolge war er einer der ersten Politiker, der zu Beginn des Völkermordes die Hutu über Rundfunk zur Ausrottung der Tutsi aufrief. Indien hatte den Geschäftsmann an Ruanda ausgeliefert; im Juni war er bei einem Fluchtversuch während einer Zwischenlandung in Äthiopien verhaftet worden.
Insgesamt wird 1.946 Ruandern eine führende Rolle beim Völkermord von 1994 vorgeworfen, bei dem über 500.000 Menschen getötet worden waren. In den überfüllten Gefängnissen des Landes sind mehr als 85.000 Ruander inhaftiert, denen weniger schwerwiegende Straftaten im Zusammenhang damit vorgeworfen werden.
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