Todesschuss: Rettende linke Hand
Hamburger Zivilfahnder vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung mangels Beweisen freigesprochen - auch, weil Kollegen versäumten, Spuren korrekt zu sichern.
Catrin Knuth hatte "keine einfache Entscheidung" angekündigt. Und so war es auch. Die Hamburger Amtsrichterin sprach Dienstag den Zivilfahnder Hans-Peter A. vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. "Eine echte Überzeugung hat das Gericht nicht gewonnen", räumte Knuth in der Begründung ein. "Ein Mensch ist unter tragischen Umständen ums Leben gekommen", führte sie aus, "aber eine Sorgfaltspflichtverletzung ist dem Angeklagten nicht nachzuweisen."
Der 52-Jährige hatte als Truppführer der Zivilfahndergruppe den 27-jährigen Tibor C. am 26. Juni 2007 beobachtet, als er mit einem Komplizen nachts an Bankautomaten nahe dem Rathaus mit gefälschten Kreditkarten Geld abgehoben hatte. Als die beiden Männer in ihren Renault Laguna eingestiegen sind, sollte der "perfekte Zugriff" erfolgen. A. und sein Kollege Michael B. keilten mit dem Auto den rechtsgesteuerten britischen Laguna ein. Hans-Peter A. will dann um das Heck des Wagens gerannt sein, um die Fahrertür des Laguna zu öffnen. Dabei will er die gezogene Waffe aus der rechten Schusshand in die ungeübte Linke genommen haben. Der Schuss habe sich ungewollt gelöst.
"Die Einlassung des Angeklagten ist glaubhaft und schlüssig und nicht zu widerlegen", sagte Knuth. Zwar entspräche diese Handlungsweise nicht den Gepflogenheiten, ein Halten der Waffe in der linken Hand werde jedoch beim Schießtraining für den Notfall geübt. Und ob er den Finger dabei sorgfaltswidrig am Abzug gehabt habe, so Knuth "konnte nicht geklärt werden".
Zwar sei auch die Version denkbar, dass A. mit der rechten Hand geschossen habe, das sei jedoch nicht nachzuweisen. Nicht zu letzt, weil die Ermittler es versäumt hatten, frühzeitig Schmauchspuren zu sichern. "Es ist aber nicht die Aufgabe des Angeklagten, Beweise gegen sich selbst zu sichern", sagte Knuth.
Unterstützt wird A.s Version vom Rechtsmediziner Klaus Püschel. Püschel glaubt, dass es aufgrund eines Rucks des Wagens, im Zusammenwirken mit anderen Faktoren, zu einem Reflex gekommen sei und ungewollt der Schuss ausgelöst wurde.
Die besondere "zentrale Frage" waren für Knuth ihren Angaben zufolge jedoch die Gesamtumstände. So sagten die Polizei-Richtlinien zwar einerseits aus, dass bei einem Zugriff arbeitsteilig vorgegangen werden sollte - "einer führt den Zugriff aus, der andere sichert mit der Waffe" - jedoch wird zugleich betont, dass die Eigensicherung Vorrang habe. Der Tod hätte nur vermieden werden können, wenn A. die Waffe weggesteckt hätte, bekräftigte Knuth. "Genau das kann nicht verlangt werden." Die Nebenklagevertreterin Astrid Denecke kündigte Rechtsmittel an.
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