Tod auf dem Weg zur Schule in Syrien: „Wann wird dieser Krieg enden?“
Syriens letzte Rebellenhochburg Idlib wird immer wieder von der Regierungsarmee angegriffen. Wie vier Kinder auf dem Schulweg ums Leben kamen.
Seitdem ist für die Familien nichts mehr, wie es war. „Davor waren wir gemeinsam zu Hause, alles war in Ordnung“, erzählt der Vater von Yamen. Er sei froh gewesen, dass sein Sohn in die Schule ging, sei stolz auf ihn gewesen. Nun steht er an der Stelle, an der dieser starb und weint. Die Leiche seines Kindes habe er nur anhand der Schuhe identifizieren können.
Die Lehrkräfte der Schule der Kinder – sie heißt Madrassah Al-Amal, Schule der Hoffnung – besuchten gemeinsam die Beerdigung. Ahmed Al-Maher, ein Nachbar aus dem Dorf, der ebenfalls teilnahm, fragt: „Wann wird dieser Krieg endlich enden?“ Denn nicht nur die kontinuierliche Bedrohung durch Bombardements und andere Angriffe behindern die Ausbildung junger Menschen in Syrien. Auch dass viele Kinder Binnengeflüchtete sind, es nicht ausreichend Platz und Gebäude für Schulen gibt, aber auch die allgemeinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen viele Menschen im Land stecken, sorgen dafür, dass Syrien in einer Bildungskrise steckt.
Hamza, so erzählt sein Vater, hatte dennoch große Hoffnungen: Nachdem seine Mutter im vergangenen Jahr an Krebs gestorben war, wollte er Arzt werden. Der Direktor der Schule, Yasser Haj Ahmad, beschreibt ihn als einen seiner besten Schüler. An dem Tag, an dem sie getötet wurden, habe auch er gearbeitet und gerade alles für die folgenden Klassen vorbereitet, als er die Explosion hörte. „Zuerst habe ich nur eine Staubwolke gesehen, und gebetet, dass niemandem etwas passiert ist.“ Seine Schüler habe er in Gruppen aufgeteilt, für den Fall, dass noch ein Angriff folge. Erst dann sah er die Toten.
Das Dorf wird immer wieder von Syriens Armee angegriffen
Das Haus auf dem Schulweg der Kinder, vor dem sie starben, gehört der Familie von Malik. Er sei der zweitbeste Schüler der ganzen Schule gewesen, erzählt sein Vater, habe gerne Fußball gespielt, Poesie geliebt. Auch das Haus wurde beinahe zerstört, Schrapnelle liegen auf dem Boden. Die Familie steht noch immer unter Schock. Maliks Freund Nasser, so erzählt es dessen Vater, sei der beste Schüler gewesen. Dass sein Sohn Arzt wird, habe er sich gewünscht – doch Nasser, der kein Blut sehen konnte, wollte lieber Ingenieur werden.
Gemeinsam wurden die vier auf dem Friedhof des Dorfs begraben, eingewickelt in schwarze Säcke. Maarat al-Na’asan hatte früher einmal mehr als 5.000 Einwohner, heute sind es noch 500. Jeden Tag fühle er sich, als sei sein letzter Tag gekommen, erzählt Mansour Al-Aswad, der ebenfalls im Dorf lebt. Immer wieder höre er Gefechte in der Nähe. Ma’arat al-Na’asan war nicht zum ersten Mal Ziel von Attacken des syrischen Regimes. Im Februar starben dort sechs Menschen durch syrische und russische Bomben, darunter zwei Frauen und zwei Kinder. Die Stadt liegt nahe an der Grenze zwischen dem Rebellengebiet und dem des syrischen Staats. Viele, die hier leben, haben Verwandte oder Freunde verloren.
Die Vereinten Nationen haben zwar mehrfach die Kriegsparteien dazu aufgerufen, weder Zivilisten noch zivile Infrastruktur zum Ziel zu nehmen. Doch obwohl weder die Rebellen noch die Armee große Fortschritte erzielen können, gibt es zwischen den beiden Seiten immer wieder Schusswechsel. Vor über zwei Jahren einigten sich die Türkei und Russland stellvertretend auf einen Waffenstillstand für die Region Idlib. Doch gerade das syrische Militär hält sich nicht an die Vereinbarung. Ein friedliches Leben bleibt so für die Menschen in und um Idlib ein Traum.
Mitarbeit: Lisa Schneider
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