piwik no script img

Tobias Schulze über die Flüchtlingspolitik im FreistaatBayerisches Sowohl-als-auch

Saubere Leistung. In nur zwei Tagen hat sich die bayerische Staatsregierung doppelt unmöglich gemacht. Erst reißt Innenminister Herrmann rassistische Sprüche, dann erklärt Sozialministerin Müller einem Kosovaren im Abschiebezentrum, dass er sich demnächst verduften müsse. Bayern und die CSU – ein Hort der Empathielosigkeit?

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Einem Flüchtling kann derzeit wenig Besseres passieren, als in Bayern zu landen. Während Asylbewerber im ach so weltoffenen Berlin zum Teil tagelang auf Parkbänken schlafen müssen, funktioniert die Unterbringung im Freistaat relativ problemlos. Selbst die Hunderte Flüchtlinge, die am Montag in Zügen aus Budapest ankamen, erhielten in München einen grandiosen Empfangen.

Das lag an den Münchnern, die spontan Spenden zum Bahnhof brachten. Das lag am SPD-Oberbürgermeister, der die Flüchtlinge persönlich am Bahnsteig begrüßte. Und das lag an den Landes- und Bezirksbehörden, die die Neuankömmlinge innerhalb weniger Stunden auf Unterkünfte verteilten. Eine Aufgabe, für die unter anderem die Ministerien von Müller und Herrmann zuständig sind.

Was schizophren wirkt, ist nichts anderes als die alte CSU-Strategie des Sowohl-als-auch: Einerseits erledigt sie ohne großes Aufheben ihren Job als Regierungspartei und sorgt dafür, dass Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf haben. Dazu passt auch, dass Bayern als einziges Bundesland die Unterbringungskosten der Kommunen übernimmt. Andererseits fischt die Staatsregierung mit Verbalrassismus am rechten Rand um Wählerstimmen und lässt so fleißig abschieben wie niemand sonst.

Diesen Kurs muss man nicht gut finden. Er produziert Verlierer und heizt die rassistische Stimmung in Teilen der Bevölkerung weiter an. Wer ehrlich ist, muss aber auch zugeben: Dass in dieser Woche kein Flüchtling am Münchner Bahnhof campieren muss, ist eine saubere Leistung.

Schwerpunkt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen