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■ Tobias RappScheibengericht

Rob Swift

The Ablist (Asphodel/ RTD)

Die Plattenspieler sind zurück. Obwohl schon seit langem kaum ein Produzent schwarzer Musik noch Plattenspieler benutzt, um Breakbeats zu schneiden, erlebt der HipHop-DJ – und speziell das DJ-Album – gerade eine ähnliche Renaissance wie Breakdance. Mehr und mehr DJ-Alben kommen heraus, die eben nicht einfach Mixplatten sind, sondern künstlerisches Statement sein sollen.

So verhält es sich auch mit Rob Swift, einem Mitglied der X-Ecutioners – einem DJ-Kollektiv, das, wenn es auflegt, bei Jungs Anfang Zwanzig ähnlich zitternde Hände hervorruft wie dreißig Jahre zuvor ein Eric-Clapton-Konzert. Die X-Ecutioners scratchen, mixen und cutten, bis die Nadeln nadeln. Doch auf Swifts Album trifft genau das zu, was für viele andere DJ-Alben auch gilt: es ist ziemlich perfekt , wenn auch relativ langweilig. Auf hörspielartigen Zwischenteilen wird immer wieder betont, daß nur die Musik zählt, und ähnliche Mixingdesk-Allgemeinplätze.

Es wird viel gescratcht und bewiesen, daß dies nun wirklich der dopeste Stuff auf Plastik ist. Doch das Glücksversprechen, auf dessen Ticket sich DJ-Alben verkaufen – hier und jetzt den einzigen und irren Kram zu bekommen, der keinen Kompromiß macht –, kann „The Ablist“ nicht einlösen. Wie die meisten DJ-Alben ist es vor allem eins: geschmackssicher.

Ohne das, was sich vor einigen Jahren DJ-Culture nannte und heute als Turntablism bezeichnet wird, sähe Geschmack in deutschen Bohemistenkreisen heute allerdings anders aus. Wer sich von Deutschland aus an den „Black Atlantic“, dieses von dem britischen Theoretiker Paul Gilroy so genannte Netzwerk schwarzer Kultur zwischen Afrika, Amerika und Europa, andocken möchte, der tut das am besten über seine Plattensammlung.

The Uniques

Watch This Sound

(Pressure Sounds/EFA)

King Tubby & Friends

Dub like dirt (Blood & Fire)

Daß Dub neben Kraftwerk, Krautrock und Disco ein wichtiger Vorläufer all dessen war, was man heute so für wichtig erachtet, ist mittlerweile Allgemeingut. Nicht zuletzt, weil die beiden britischen Wiederveröffentlichungs-Labels „Blood & Fire“ und Pressure Sounds“ immer mehr raren Siebzigerkram auf den Markt werfen. Neben Lee Perry ist es vor allem King Tubby, der als Referenz mittlerweile durch jede bessere Plattensammlung geistert.

Tubbys Können hinter dem Mischpult ist so legendär wie seine Person unbekannt. Doch schlußendlich reicht auch das Wissen, das das Cover vermittelt: daß Tubby ein dufter Kumpel war, keiner Fliege etwas zuleide tun konnte und den ganzen Tag vor dem Mischpult saß. Tatsächlich sind seine Produktionen von entrückter Schönheit, bei gleichzeitigem maximalen Verrücktheitsgrad. Da pumpt der dickste Bass der westlichen Welt, darüber schweben die zerhackten Stimmen der Sänger.

Um den Rest jamaikanischer Musik ist es, zumindest in Deutschland, noch nicht so gut bestellt: Reggae fristet eine ziemlich erbärmliche Existenz, als Bob-Marley-Platte zwischen Nirvana und den Doors in semiautonomen Plattenschränken, und Ska wird fast nur von kurzgeschorenen Londsdale-Pullover-Trägern gehört. Das könnte sich jetzt ändern. Denn „Pressure Sounds“ gräbt nicht mehr nur nach Dub, sondern auch nach Rock Steady.

Den Uniques kommt die Ehre zu, die Brücke vom Dub in die Endsechziger zu schlagen. Rocksteady war nicht nur der Nachfolge-Sound von Ska und die Vorform des eigentlichen Reggae, Rocksteady lebte auch vom Einfluß durch US-Soul. Bei den Uniques gibt es die wunderbare Coverversion des Buffalo-Springfield-Songs „Watch this sound“ und des Klassikers „Gypsy Woman“ von den Impressions.

Die Uniques waren ein Vocal-Trio rund um den Sänger Slim Smith, der bis heute als einer der begnadesten Sänger Jamaikas gilt. Um den Abend, an dem er Bob Marley und den Wailers die Show stahl, ranken sich heute noch Legenden – und das nicht nur, weil sie ihn danach mit dem Messer bedrohten. Slim Smith ließ seine Gefühle heraushängen wie andere Leute ihre Brusttücher. 1972 starb er unter ungeklärten Umständen.

Racubah!

A Collection of modern afro-rhythms (Groove Attack)

Im Zuge der Suche nach den immer rareren Grooves aus den Siebzigern ist die Trackgräbergemeinde jetzt bei afrikanischem Funk gelandet. Und da kann sie ruhig noch ein bißchen länger verweilen. Denn nicht nur nach Jamaika strahlte die afroamerikanische Musik, auch ins Motherland nach Afrika fand sie ihren Weg. Afrikanische Musiker machten sich ihren eigenen Reim auf die Vorgaben ihrer nordamerikanischen Brothers.

Dabei ist Afrika auch bei dieser Zusammenstellung von Musik eine eher ideelle Klammer. Denn die Musiker lebten verstreut zwischen Paris und Lagos, Berlin und New York. Das gemeinsame liegt eher in der Rhythmik, die sich von dem, was an Funk in den Vereinigten Staaten gespielt wurde, durch größere Vielschichtigkeit unterscheidet. Es gibt auch mehr verschiedene Trommeln und Rasseln, wenn auch manchmal ein wenig sehr auf die Kuhglocke geklopft wird. Doch diese Vielschichtigkeit verträgt sich gut mit den offenen Vorgaben der Funktracks. Ansonsten ist es einfach Funk, es könnten auch Amerikaner mit einem besonders starken Schlag ins Afrozentrische sein. Von Manu Dibango und Tony Allen, der zusammen mit der Band von Fela Kuti spielt, reicht die Zusammenstellung bis zu der Gruppe Mombasa, die vor 25 Jahren in Deutschland lebte und veröffentlichte.

Trouble Funk

Droppin Bombs (Edel)

Als der Disco-Sound Mitte der Siebziger die USA überzog, da gab es eine Stadt, die dem Discofieber widerstand: Washington D. C. Der Grund: In Washington regierte GoGo. Das Geheimnis dieses Sounds war, daß die GoGo-Bands zwischen ihren Stücken keine Pause machten, sondern ein Percussion-Break spielten und sofort zum nächsten Track übergingen. GoGo war eine Funk-Variante, und der Godfather war Chuck Brown & the Soul Searchers.

In dessen Vorprogramm tauchten Trouble Funk 1978 das erste Mal an prominenter Stelle auf. Anfang der Achtziger veröffentlichten sie ihr erstes Album bei Sugarhill Records, „Drop the bomb“ – zwischen den ersten Rap-Künstlern, die sich im Vergleich allerdings anhören, als seien sie schwach auf der Brust. Auch zwanzig Jahre später tönt der Trouble-Funk-Sound, irgendwo zwischen Electro und P-Funk, zwischen frühem Hiphop und spätem Funk, noch unglaublich fett. Das Besondere, was Trouble Funk hatten und die HipHopper der ersten Stunde nicht, war genau das, was die Clubs einige Jahre zuvor in Washington haben wollten und im Rest des Landes nicht: Trouble Funk konnten live das Haus rokken, bis sich das Hallendach hob. Trouble Funk brachten eine ganze Band mit und konnten stundenlang eine Funk-Bombe nach der anderen droppen, ohne daß irgendwem langweilig wurde.

Mit Rappern späterer Schulen hat all das natürlich nichts zu tun. Ähnlich wie heute die MCs von Drum ‘n‘ Bass-Sets. hat auch der MC von Trouble Funk nichts Substantielles zu vermelden. Außer, daß man besser die Anlage nicht anrühren sollte, wer denn da auf der Bühne steht, daß von Ost bis West von Trouble Funk die Parties gerockt werden und daß es für alle Tänzer besser wäre, sich jetzt schleunigst zu bewegen: Work your Body, Pump it up! Dieses Schema, über Stunden wiederholt, hat hypnotische Wirkung, zumal sich ja auch der Rhythmus nur minimal ändert.

Superrappin

The Album (Groove Attack)

Im Hiphop geht es auch in der neuesten Rapschule darum, die Scheiße „real“ zu halten. Nach dem vorläufigen Ende des Gangstersounds als Innovationswalze unter den Ketten des No-Limit-Labelpanzers von Master P. geht das aber nicht mehr so einfach. Und einfach darauf zu bestehen, schon immer dabeigewesen zu sein, ist auch nicht ohne weiteres möglich, wenn man Anfang Zwanzig ist und es Rapper gibt, die schon Mikrophone gerockt haben, als man noch in den Windeln gejodelt hat.

Was tun also: Die jüngste HipHop-Generation, die auch gerne unter dem Schlagwort Independent oder Underground gehandelt wird, besinnt sich zum einen auf die „skillz“, also die Künste am Mikrophon. Zum anderen versucht sie, sich zu vernetzen. Ging es bisher vor allem immer darum, sein Viertel und die Verbundenheit mit der Nachbarschaft zu mobilisieren, geht es heuer eher darum, sich mit all denjenigen fünfe zu geben, die mit ähnlichen Soundvorstellungen unten sind.

Dann ist es auch gleich, ob die im Einzelfall aus Wuppertal kommen wie Walkin Large, aus Brooklyn wie Mos Def oder aus Philadelphia wie Bahamadia. Heuer wird gescratched und Respekt gezollt über bestimmte Phrasen der Plattensammlung (die wahrscheinlich bei allen relativ ähnlich aussieht, ob sie nun in einer heruntergekommenen Souterrainwohnung an der Wand lehnt oder in einer Vorortvilla in maßangefertigten Edelholz-Regalen lagert).

Fast alle der Tracks auf der Zusammenstellung „Superrappin“ hören sich an, als würden A Tribe Called Quest und Gang Starr als Überväter Ideen von den Wolken werfen, wenn einer der Produzenten in einer Pause vor seinem Studio was raucht: langsame und feingeschnittene Beats, minimalistisch arrangiert, und hier und da ein paar Jazzeinsprengsel. Glamour oder zuviel Eingängigkeit, etwa in Form von Melodie oder Gesang, sind eher ungern gesehen.

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