Tischtennis-WM in Rotterdam: Ding, Chen, Ma und Zhang
Gegen die geballte Übermacht aus China hat selbst ein Timo Boll keine Chance. Dennoch gewinnt der 30-Jährige eine Bronzemedaille und wetzt damit eine Scharte aus.
ROTTERDAM taz | Timo Boll hat zwar seine erste WM-Einzelmedaille gewonnen, beim Ansturm auf die große Mauer scheiterte er aber am Sonntag in Rotterdam als letzter Spieler an der Tischtennis-Supermacht China. "Es ist keine Schmach, im Halbfinale auszuscheiden", befand der Weltranglistenzweite und zeigte sich nach dem 1:4 gegen den direkt hinter ihm gesetzten Zhang Jike überzeugt, "dass in ein paar Stunden die Freude über Bronze überwiegt. Damit fiel der Makel von mir ab, dass ich trotz der zehn Jahre in den Top Ten nie eine WM-Medaille holte."
Unter den rund 7.000 Zuschauern drückte mit dem Vizeweltmeister von 1969, Eberhard Schöler, auch jener Spieler die Daumen, der vor 42 Jahren die letzte deutsche Weltmeisterschafts-Einzelmedaille gewonnen hatte. Boll misslang es allerdings, als erster Nichtchinese seit 2005 wieder in ein Endspiel einzuziehen. In Schanghai hatte er seinerzeit mit seinem Düsseldorfer Vereinskamerad Christian Süß Silber im Doppel erobert. "Ich freue mich für Timo. Zhang Jike hat leider unheimlich gespielt. Die drei Chinesen im Halbfinale sind einfach Sonderklasse", sagte Altmeister Eberhard Schöler.
Besonders prickelnd waren die Wettbewerbe in der Rotterdamer Ahoy-Arena vor bis zu 8.000 Zuschauern am Wochenende nicht: Denn die Pingpong-Asse aus dem Reich der Mitte setzten die Monotonie fort und blieben zum dritten Mal hintereinander in allen fünf Endspielen unter sich. Der 13-fache Europameister Boll spielte im Halbfinale laut Bundestrainer Jörg Roßkopf "sehr gut". Aber sein Kontrahent in der Vorschlussrunde, Zhang Jike, sei eben ein "ganz anderes Kaliber" als Chen Qi im Viertelfinale.
"Einen verdammt guten Tag"
Chen, den Weltranglistenzwölften, der als einziger Chinese bei dieser WM nicht einem Landsmann unterlag, überfuhr Boll mit 4:1. Ähnlich überlegen präsentierte er sich gegen Zhang: "Ich dachte, da geht was", glaubte der 30-jährige Odenwälder bis zum 11:7-Satzgewinn. Doch in den folgenden drei Sätzen kam Zhang "immer mehr ins Rollen", gewann vier Sätze hintereinander und damit das Match. Boll erfuhr, dass "man einen verdammt guten Tag haben muss, um gegen so einen Chinesen eine Chance zu haben. Zhang habe "immer aggressiver und druckvoller" gespielt.
Erst beim 5:9 im fünften Satz kam der Düsseldorfer wieder auf und hoffte, "den Satz dem Chinesen noch zu klauen", doch "zwei zu hohe und lange Aufschläge" beendeten die Hoffnungen der Fans auf den zweiten Sieg des Deutschen im fünften Duell mit dem 23-Jährigen. "Das bewundere ich, wie sie spielen. Respekt! Auf meine guten Bälle hatte er eine immer noch bessere Antwort, die mich erstaunte. Er war der bessere Mann und zog verdient ins Finale ein", sagte Boll, ehe er von den Schiedsrichtern als "fairster Spieler der WM" ausgezeichnet wurde.
Die deutsche Bilanz bei der 51. Tischtennis-WM fällt durchaus positiv aus. Während bei den Frauen nur Wu Jiaduo (Kroppach) das Achtelfinale erreichte, zogen erstmals drei deutsche Männer in die Runde der letzten 16 ein: Russland-Legionär Dimitrij Ovtcharov unterlag Boll mit 2:4, und Bastian Steger (Saarbrücken) zog gegen den chinesischen Olympiasieger Ma Lin den Kürzeren.
Olympia-Ticket direkt gelöst
"Damit haben wir gute Möglichkeiten bei der Mannschafts-WM nächstes Jahr in Dortmund", blickte Dirk Schimmelpfennig, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes, voraus. Obwohl Kristin Silbereisen (Kroppach) ebenso wie Christian Süß in der ersten Runde gescheitert war und zu den WM-Enttäuschungen gehörte, löste sie dank ihrer vorherigen Ergebnisse wie Boll, Ovtcharov und Wu das direkte Olympia-Ticket.
Bei den China-Festspielen gönnte das Reich der Mitte nur in den Doppeln und im Mixed den Konkurrenten Bronze-Plaketten. Neue Einzel-Weltmeisterin wurde Ding Ning durch ein 4:2 über Li Xiaoxia. Die Weltranglistenerste revanchierte sich im Doppel an der Seite von Gue Yue mit einem 4:0 über Ding Ning/Guo Yan. Im Herren-Doppel rückten die Jungstars Ma Long und Xu Xin einen Platz nach oben auf dem Podest durch das 4:1 über Chen Qi/Ma Lin.
Timo Boll schickte zum Abschluss eine Kampfansage nach Peking: "Ich muss einen kleinen Rückstand auf die Chinesen aufholen. Deshalb spiele ich im Sommer in ihrer Liga", kündigte Boll an, "da kann ich von ihrem unglaublichen Niveau im Training profitieren. In allen anderen Ländern spielt man doch nur gegen Schwächere."
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