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Tischtennis-Neuling TTC Neu-UlmDirekt in die Bundesliga

TTC Neu-Ulm startet ganz neu und als kleinster Tischtennisverein des Landes in die Bundesliga-Saison. Eine Lizenzvergabe macht’s möglich.

Überraschungen gibt es auch manchmal im Tischtennis Foto: unsplash/Conor Samuel

Berlin taz | Dem kleinsten Tischtennisclub Deutschlands war nach viereinhalb Stunden das Glück doch nicht hold. Eine 2:3-Pleite ging in die Annalen des vor wenigen Monaten frisch gegründeten Vereins ein. Erträglicher machte die Niederlage für den TTC Neu-Ulm beim ASV Grünwettersbach, dass sie gleich ganz oben, also in der ersten Bundesliga erfolgte. Ein Novum in der Geschichte des deutschen Sports.

Einige Beispiele gab es bereits, bei denen Klubs die Erstliga-Lizenz eines anderen Vereins übernahmen. So rückten etwa die viertklassigen Basketballer des FC Bayern München 2008 für die Düsseldorf Magics ins Oberhaus. Zudem nutzte vor zwei Jahren das deutsch-österreichische Volleyballteam Hypo Tirol Alpenvolleys Haching den Verzicht des TSV Unterhaching zum Sprung ins Oberhaus. Im Tischtennis gab es 2009 ebenfalls einen Kuhhandel, als die TG Hanau das Spielrecht von Timo Bolls Stammverein TTV Gönnern übernahm.

Dass es jedoch keines einzigen Aufstiegs in der Vereinshistorie, ja nicht einmal eines einzelnen Spiels bedurfte, schaffte Florian Ebner. Der Medienunternehmer fand Gefallen an der schnellsten Rückschlag-Sportart und erkundigte sich bei der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) nach einer Lizenz. Das war eine äußerst willkommene Anfrage bei der TTBL, denn seit Jahren erreicht die Bundesliga nicht mehr ihre Sollstärke von zwölf Mannschaften. Abstiegskampf blieb deshalb ein Fremdwort.

Aus der zweiten Liga mochte kaum einer hoch, weil die Vereine die höheren Ausgaben scheuten oder ihre Teams nicht verkleinern wollten, sprich verdiente Stammkräfte hätten abserviert werden müssen, um in der Liga mit Weltklassespielern bestehen zu können. Auch wenn die Tischtennis-Szene ob des Antrags der Retortenmannschaft gespalten war, erhielt der TTC Neu-Ulm die Lizenz.

Schnell ein neues Team gefunden

Ebner, der sich als ehemaliger Präsident des Fußballklubs SSV Ulm 1846 mit Profisport auskennt, stampfte in wenigen Wochen ein Team aus dem Boden. „Das war unfassbar viel Arbeit“, zitierte ihn die Augsburger Allgemeine, ob sich sein Projekt trage, werde sich zeigen. Immerhin zog es vergangenen Donnerstag mehr als 150 Gäste in ein Festzelt, in dem sich ein paar der neuen Stars in Lederhosen präsentierten.

Die wurden den Bajuwaren am Samstag beim ersten Spiel der Vereinsgeschichte in Karlsruhe rasch wieder ausgezogen. Der ASV Grünwettersbach startete furios: Das von Fulda-Maberzell gewechselte Abwehr-Ass Wang Xi ließ dem Franzosen Abdel-Kader Salifou ebenso wenig eine Chance wie das deutsche Nachwuchstalent Dang Qiu dem Portugiesen Tiago Apolónia.

Gustavo Tsuboi verhinderte jedoch bei der Premiere eine peinliche 0:3-Höchststrafe beim Vorjahressiebten. Der Brasilianer, der vom Liga-Rivalen Werder Bremen kam, schlug den Inder Sathiyan Gnanasekaran in fünf Sätzen. Das Gesamtmatch entwickelte sich zu einem viereinhalbstündigen Krimi, weil Apolónia zum 2:2 ausglich.

Der aktuelle WM-Dritte im Doppel und der hinter Timo Boll jahrelang erfolgreichste Bundesligaspieler Wang rissen Ebner und die 400 Zuschauer mehrfach zu stehenden Ovationen hin. Erst der überragende Dang Qiu behielt im Doppel mit dem zweiten ASV-Neuzugang, dem Dänen Tobias Rasmussen, am Ende die Nerven beim 11:8 im fünften Satz über Salifou/Tsuboi und fügte Neu-Ulm die erste Niederlage zu.

Kaum zu schlagen?

Immerhin zeigte sich bei dem dramatischen Debüt, dass der Liganeuling selbst mit dem zweiten Anzug konkurrenzfähig ist. „Es war ein tolles Spiel“, befand Apolónia und schob nach: „Wir sind natürlich traurig, dass wir nicht gewonnen haben.“ Der Weltklassespieler formulierte jedoch vorm ersten Heimspiel am Sonntag gegen den Post SV Mühlhausen eine Kampfansage an den Rest der Liga: „Wir werden besser und besser!“

Dass selbst der vierte Playoff-Platz für Neu-Ulm in Reichweite liegt, glauben auch die meisten Rivalen – vor allem, wenn die Asiaten einfliegen sollten. Der zum erweiterten chinesischen Nationalkader zählende Cui Qinglei soll ab Spiel drei für Punkte sorgen. Kaum zu schlagen wäre der kleinste deutsche Tischtennisclub, wenn auch noch der Chinese Hao Shuai, der einst die WM-Träume von Boll platzen ließ, und vor allem An Jaehyun kämen.

Die Gegner haben jedoch diese Saison vielleicht noch Glück, dass der Retortenclub nicht auch gleich Meister wird: Der 19-jährige WM-Dritte An soll sich in Südkorea auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio vorbereiten, weshalb sich sein Verband bei der Freigabe für die Bundesliga sträubt.

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