Tipps zur Tempelhof-Besetzung: Wie man einen Flughafen besetzt
Die Initiative "Squat Tempelhof" ruft für Samstag zur Besetzung des stillgelegten Flughafens auf, aus Protest gegen die Stadtentwicklungs-politik. Doch wie besetzt man eineneingezäunten Platz? Und darf man das überhaupt? Eine Handreichung für alle Fälle.
Wer will eigentlich was und warum? "Wir wollen ein Tempelhof für alle, so wie es vom Senat versprochen wurde", erklärt Volker Rachow von der Initiative Squat Tempelhof. "Ein halbes Jahr nach dem Ende des Flugbetriebs gehen die Pläne eher in Richtung eines Tempelhofs für Wohlhabende." Der Umgang mit dem Gelände sei exemplarisch für die Berliner Stadtentwicklungspolitik. "Uns ist kein Fall bekannt, in dem Wohnraum geschaffen wurde für Menschen, die sich keine hohen Mieten leisten können."
Wen will Squat Tempelhof dabeihaben? "Es beteiligt sich ein breites Spektrum, auch Anwohner und Mieterbündnisse sind dabei. Wir freuen uns über jeden, der mitmacht", sagt Aktivistin Dana Rieselow.
Aber die Polizei kommt doch auch! Zumindest das ist sicher. "Wir bereiten uns derart darauf vor, dass eine Besetzung verhindert wird", sagt ein Polizeisprecher. Mehr wird nicht verraten.
Was haben die Aktivisten vorbereitet? Mit dezentralen Aktionen wollen sie versuchen, der Polizei aus dem Weg zu gehen und auf das Gelände zu gelangen. Leitern könnten dabei ebenso eine Rolle spielen wie Drahtschneider oder Teppiche. Genaueres ist ebenfalls streng geheim. Klar ist bislang: Irgendwo wird ein Bienenschwarm mit dabei sein. Denn das Bürgerliche Gesetzbuch sieht vor, dass der Eigentümer eines Bienenschwarms bei seiner Verfolgung auch "fremde Grundstücke betreten" darf. "Wir setzten auf die Kreativität der Teilnehmer", sagt Rieselow.
Ab wann ist die Aktion eine Besetzung? "Eine Besetzung ist es, sobald mehrere Leute auf dem Gelände sind und sich auch mal hinsetzen", erklärt Klaus. Das sei allerdings nur der Anfang: "Wir sind zuversichtlich, dass, wenn der Zaun erst einmal offen ist, auch offen bleibt." Die Besetzer würden vermutlich nachts nach Hause gehen können und am nächsten Morgen ihre Arbeit fortsetzen.
Aber ist besetzen nicht verboten? "Wenn es friedlich bleibt und die Aktivisten nur über den Zaun klettern, kommt der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs infrage", erklärt Rechtsanwalt Rüdiger Jung. Hausfriedensbruch ist ein Antragsdelikt. Das heißt: Die Berliner Immobilienmanagement Gesellschaft (BIM) muss Strafantrag stellen - und hat das bereits angekündigt.
Und wenn schon ein Loch im Zaun ist? Darf man trotzdem nicht durch, betont die Polizei. Wer gar auf die Idee kommt, ein Loch erst reinzuschneiden, begeht zudem eine Sachbeschädigung, sagt Jung. Bei einer Räumung könne noch "Widerstand gegen die Staatsgewalt" hinzukommen.
Welche Konsequenzen drohen? "In der Regel enden solche Fälle mit Geldstrafen", sagt Jung. Um die 30 Tagessätze, also ein Monatseinkommen.
Und wenn ich dabei sein will, aber nicht über den Zaun? "Es wird Bespaßung rund um das Gelände geben", verspricht Aktivist Klaus. Ab 12 Uhr soll es in der Lichtenrader Straße ein Kinder- und Familienfest geben, ab 13 Uhr Kundgebungen am S-Bahnhof Tempelhof, am Platz der Luftbrücke, gegenüber vom Sommerbad Neukölln und am S-Bahnhof Hermannstraße.
Wenn ich mitmache - zähle ich dann zu denen, die auch Autos anzünden? Squat Tempelhof betont, dass es nicht um Gewalt gehe. Ziel sei "das Gelände und nicht die Polizei". Ausdrücklich von Gewalt distanzieren will sich die Initiative allerdings nicht. Doch das ist unter den Aktivisten umstritten. Einige lehnen Gewalt strikt ab und wollen auf keinen Fall mit Auto-Anzündern in einen Topf geworfen werden.
Was mache ich, wenn ich in Gewahrsam genommen werde? "Der Betroffene hat das Recht, unverzüglich einen Anwalt seines Vertrauens zu informieren", erklärt Rechtsanwalt Rüdiger Jung. Ausländer dürfen zudem die Botschaft ihres Heimatlandes benachrichtigen. Ohne richterlichen Beschluss darf der Gewahrsam maximal bis zum Ende des Folgetages andauern.
Gibt es Handlungsanweisungen für Parteimitglieder? Grünen-Mitglieder dürfen ganz im Einklang mit ihrer Partei demonstrieren gehen. Der Landesausschuss hat extra einen Beschluss gefasst, der das Anliegen, die Freifläche "für alle nutzbar zu machen", unterstützt. Wegen der brennenden Autos wollen die Grünen die Besetzung aber am liebsten vertagen. Die Linke sitzt zwar im Senat, bedauert aber "außerordentlich", dass die für das Frühjahr geplante Öffnung noch nicht geklappt hat. Linkspartei-Anhänger dürfen also auch auf die Straße, sollten aber zumindest ein kleines schlechtes Gewissen mitnehmen.
Wie sieht das die CDU? Die positioniert sich ambivalent: Einerseits dürften "linke Chaoten" nicht mit Nachsicht rechnen. Andererseits sei der Senat verantwortlich, dass es überhaupt diese "sinnentleerte Brache" gebe. CDU-Anhänger dürfen daher trotzdem demonstrieren - schon um zu zeigen, dass nicht nur "linke Chaoten" die Öffnung der Fläche befürworten.
Und die SPD? Deren Anhänger können sich nur im Dissens zu ihrer Partei beteiligen - schließlich könnte sie als regierende Partei maßgeblich dafür sorgen, dass der Zaun geöffnet wird. Fein raus sind allerdings die jungen SPD-Mitglieder: Die Jusos rufen zur Beteiligung auf.
Wie soll das Gelände nach einer Besetzung aussehen? Ein Aktivist brachte interkulturelle Gärten und Freilichttheater ins Gespräch, auch Anpflanzungen stehen zur Diskussion: "Wir können das Gelände auf alle Fälle besser nutzen, als es jetzt der Fall ist."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers