Timberlakes Filmflop: Kein Kompromiss, nirgends

"Southland Tales" spielte in den USA nur 160.000 Dollar ein - auch deshalb wird die DVD-Version hier als Schnäppchen angeboten.

Justin Timberlake. Bild: dpa

In Abilene, Texas, ist eine Atombombe explodiert. Der dritte Weltkrieg bricht aus, die USA sind im Kampf gegen die Achse des Bösen: Irak, Iran, Afghanistan, Syrien, Nordkorea. Im Meer vor der Küste von Santa Monica sitzt Justin Timberlake, behält das Geschehen durch den Sucher eines riesigen Maschinengewehrs im Blick, zitiert aus der Bibel und erzählt die Geschichte der Southland Tales. Wahlen stehen bevor. Die Apokalypse naht.

Die Zentralfigur des Films ist Boxer Santeros (gespielt von Actionstar Duane "The Rock" Johnson). Er ist der Schwiegersohn von Nana Mae Frost (Miranda Richardson), der Chefin der US-Überwachungsbehörde USIdent. Boxer Santeros taucht in der Wüste auf, hat das Gedächtnis verloren und glaubt ein Drehbuch geschrieben zu haben mit dem Titel "The Power". Und zwar gemeinsam mit der Frau, mit der er nach seiner Amnesie zusammenlebt, dem Expornostar Krysta Now! (Sarah Michelle Gellar). Weitere Faktoren in der überaus komplizierten und hoffnungslos verwirrenden Erzählanlage: Der deutschstämmige, leider komplett verrückte Wissenschaftler Baron von Westphalen (Wallace Shawn), der auf der Suche nach einer dem Meer abgewonnenen Alternativenergie mit Namen "Fluid Karma" ist; der im ständigen Kampf gegen die dank Patriot Act geradezu allmächtige Behörde USIdent befindliche neomarxistische Untergrund, der in allerlei politischen Aktionen, avantgardistischen Performances und terroristischen Unternehmungen am Umsturz der Verhältnisse arbeitet. Und dann ist da noch ein Waffenhändler in einem Icecream Truck - den spielt Christopher Lambert.

So weit die Grundzüge der Geschichte, deren weiteren Verlauf man mit eigenen Augen gesehen haben muss, um zu glauben, was hier passiert. "Southland Tales" ist nämlich das unwahrscheinlichste Ding, das man sich nur vorstellen kann. Ein völlig überambitionierter, an keiner Stelle den Kompromiss mit dem Mainstream suchender Hollywoodfilm. Möglich wurde das, weil Regisseur Richard Kelly mit seinem Erstling "Donnie Darko" das große Los gezogen hatte. Ein Film, der nicht sofort, aber umso nachhaltiger Kult wurde, eine auch schon ziemlich verwickelte Teenager-Geschichte, in der an entscheidender Stelle ein großes Kaninchen auftrat. Weil sich die DVDs des Erstlings wie blöd verkauften, ließ man Kelley für seinen zweiten Film freie Hand. Gewährte ihm, was gut und was teuer ist. Das ließ sich Kelly nicht zweimal sagen. Philip K. Dick und Andy Warhol sind, so Kelly, seine ästhetischen Gewährsmänner. Zwischendurch wird aber auch T. S. Eliot auf den Kopf gestellt: "Auf diese Weise endet die Welt: nicht mit einem Wimmern, sondern mit einem Knall."

Von Philip K. Dick hat Kelly die Vorliebe für durchgeknallte Namen und für aberwitzige, furchtlos durchpolitisierte Zukunftsvisionen kalifornischer Machart. Und Andy Warhol steht fürs Anti-Spektakel, für die Radikalität, mit der "Southland Tales" sich weigert, mit dem hochtourigen Zirkus, der sich hier Bild für Bild abspielt, in Hollywood-Manier den Zuschauer zu packen und zu involvieren. Es bleibt einem nichts, als auf das Treiben des Films und seiner unter Hochdruck gesetzten Figuren mit großen Augen zu blicken, zu staunen, sich am Kopf zu kratzen - und dabei immer noch zu versuchen, den Plot zu fassen zu bekommen, den Kelley zu Konfetti geschreddert hat.

Das Grundproblem von "Southland Tales", oder auch das Geniale daran (die Ansichten gehen da entschieden auseinander): der Overkill an Figuren, Bildern, Tonlagen, Genre-Elementen, Plot-Verzweigungen, Anspielungen. So simpel die Botschaft ist - unsere Spektakel-Gesellschaft steuert auf die Apokalypse zu -, so kühn kompliziert ist die Illustration. Es ist der schiere Wahnsinn, aber er hat, ganz ohne Zweifel, Methode. Zum kommerziellen Desaster für alle Beteiligten wurde der Film nichtsdestotrotz - oder, wahrscheinlicher, genau deshalb. Er lief im Wettbewerb von Cannes und wurde von der Kritik geschlachtet. Die Produzenten gerieten in Panik. Kelly strich zwanzig von ursprünglich 160 Minuten, der Film kam nur gerade so in die US-Kinos und spielte dort die lächerliche Summe von 160.000 Dollar ein. Bei uns startet er jetzt nur auf DVD, aber nicht einmal so traut man ihm zu, auf eigenen Beinen zu stehen. Wer ihn kauft, bekommt "Donnie Darko" dazu. Greifen Sie zu: Hier kommt das Ende der Welt und es ist ein Schnäppchen.

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