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Tifliser Technoproduzent Gacha BakradzeDas Pfannkuchencrescendo

Der georgische Produzent Gacha Bakradze ist Multitasker. Er betreibt den Club „Left Bank“. In die Musik seines Albums „Pancakes“ packt er den Alltag.

Zwischen Pfanne und Plattenteller: Gacha Bakradze Foto: George Nebiriezde

Gacha Bakradze bäckt gern Pfannkuchen mit seinem kleinen Sohn. Ihm gefällt an der Zubereitung der Eierspeise der transformative Akt. Das Kochen erfordert Geduld, den Blick für Details und die Bereitschaft, sich auf sich verändernde Umstände einzulassen. Der georgische DJ und Elektronikproduzent verkündet: Pfannkuchen zubereiten ist für ihn eine Metapher für Metamorphose und Veränderung.

Diese philosophische Annäherung an ein Alltagsritual aus der Küche hat konkrete praktische Folgen: Bakradze nennt sein neues Album schlicht und einfach „Pancakes“. Seinen Tracks gibt er tragikomische Titel wie „Boredom“, „Overtime“, „Last Escape“, „Terror“ und „Echoes of Silence“.

Bakradze hat sich in der elektronischen Musikszene weit über Georgien hinaus einen Namen gemacht. Bekannt ist er unter anderem für seine Wandlungsfähigkeit und seine Bereitschaft fürs Unkonventionelle.

Akustische Störmanöver

Vordergründig sind die zwölf Tracks auf seinem neuen Album von einem sich minimal beschleunigenden, langsam ins Crescendo gehenden Beat geprägt. Er spurt so eingängig, dass es fast monoton wirkt. In der zweiten Reihe aber ereignen sich akustische Störmanöver, die gern verspielt daherkommen, aber auch bedrohlich klingen können.

Die gesamte akustische Bandbreite erschließt sich erst beim mehrmaligen Hören. Am besten gibt man jedem Ohr eine konkrete Aufgabe: Das rechte Ohr konzentriert sich auf den Vordergrundsound, groovt sich auf das Repetitive ein und wackelt dazu. Das linke Ohr nimmt alles wahr, was akustisch im Hintergrund herumschwirrt. Und bei dem, was es hier zu hören gibt, ist der Unterschied zwischen Geräuschen und Musik fließend. So scheint es zum Beispiel, als würden Regentropfen vom Boden hochgeschleudert werden oder Seifenblasen zerplatzen.

„Boredom“ spielt mit einem Meditationssound, der schleichend von vibrationsartigen Tönen unterlaufen wird. Bei „Terror“ besteht sogar der rhythmusgebende Beat teils aus Geräuschen, die an aufplatzende Eiterblasen erinnern. In „Morning Chatter“ schafft es Bakradze, die akustischen Ebenen immer wieder neu aufzufächern und auf mehr als zwei auszudehnen.

Melancholie und sphärische Klangteppiche

„Echoes of Silence“ sticht besonders heraus, weil Bakradze hier anstatt den Rhythmus zu betonen, auf ein analoges Instrument, die Gitarre, setzt. Ihre melancholischen Akkorde gehen organisch in einen elektronisch erzeugten sphärischen Klangteppich über, der mit dem Gitarrenklang eine beeindruckende Symbiose eingeht.

„Pancakes“ ist das dritte Album, das Gacha Bakradze beim Label Lapsus Records in Barcelona veröffentlicht. Sein Lebensmittelpunkt ist jedoch die georgische Hauptstadt Tiflis. Dort hat er nicht nur sein Studio, er betreibt auch den Club „Left Bank“. Von Anfang an war ihm wichtig, dass „Left Bank“ ein Zentrum ist, an dem Menschen sich selbst verwirklichen und netzwerken können.

In einem Interview beschreibt er den Club als einen Ort der natürlichen Diversität. „Wir wollen speziell solchen Menschen Raum geben, die keine Chance haben, sich repräsentiert zu sehen“, sagt er. „Left Bank ist ein Platz, an dem die neue Generation der georgischen Jugend, die weder der Regierung noch der Kirche vertraut, die Möglichkeit hat, sich zu sozialisieren und Meinungsaustausch zu betreiben.“

Der Club als politisches Vehikel

Es ist im Grunde auch ein politisches Vehikel in einem Land, in dem die orthodoxe Kirche eine massive Deutungshoheit beansprucht, Homophobie an der Tagesordnung ist und die amtierende georgische Regierung massiv daran arbeitet, sich Putins Russland wiederanzunähern. Obwohl sich in den letzten Umfragen 89 Prozent der Bevölkerung für eine Anbindung des Kaukasus-Staats an die EU aussprechen.

Gacha Bakradze

Gacha Bakradze: „Pancakes“ (Lapsus Records)

Im Außenbereich der „Left Bank“ steht ein Baum, der durch eine ihn umgebende Plastikkonstruktion wie eine surreale Skulptur aussieht. Drumherum auf Holzbohlen stehen zwei Bänke. Der restliche Platz ist für die Tanzfläche reserviert. Zu „Bowl“, einem psychedelisch angehauchten Track, lässt sich gut tanzen. Zu sehen ist das in einem Videoclip von Anna Konakhidze, das bereits 2013 zu einem richtigen Hit wurde.

Vor alten Backsteinmauern tanzen fünf junge Frauen selbstvergessen eine sommerleichte Choreografie. Und neben der Baumskulptur ist eine der vielen alten Backsteinmauern von Tiflis. Auf dem Foto sitzt Gacha Bakradze davor und schaut ins Nirgendwo.

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