Tierversuche in Bremen: Affen leiden anders

Seit Jahren liegt die Bremer Uni wegen ihrer Versuche mit Makaken-Affen im Streit mit dem Senat. Nun entschied ein Gericht: Die Experimente sind okay.

Darf weiter mit Affen experimentieren: Neurobiologe Andreas Kreiter. Bild: dpa

BREMEN taz | Das Bremer Oberverwaltungsgericht hat am Dienstag in einem jahrelangen Rechtsstreit entschieden: Die zuständige Gesundheitsbehörde darf die Experimente des Neurobiologen Andreas Kreiter mit Makaken-Affen nicht untersagen. Die Belastung der Tiere, so das Gericht, sei eine „mäßige“, die Abwägung mit den Belangen des Tierschutzes müsse daher eindeutig zu Gunsten der Wissenschaft ausfallen. Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ließen die Richter nicht zu.

Vor vier Jahren hatte die Gesundheitsbehörde erstmals die Verlängerung der Genehmigung mit Hinweis auf den 2002 zum „Staatsziel“ erhobenen Tierschutz versagt. Seitdem zieht die Universität gegen den Senat vor Gericht.

Seit 1997 geht der Streit um die Affen. Damals deckte die Bremer taz auf, dass ein Makaken-Forscher an die Bremer Universität berufen werden sollte. Die große Koalition von SPD und CDU befürwortete die Berufung und stattete die Universität mit den erforderlichen Mitteln für ein Makaken-Labor aus. Die SPD goss ihr schlechtes Gewissen in die Einschränkung, Tierversuche müssten „perspektivisch reduziert“ werden.

Das Bremer Urteil hat Grundsatzcharakter und dürfte eine Reihe weiterer Institute, die an Primaten forschen, aufatmen lassen.

Das Primatenzentrum Göttingen, gegründet 1977, ist "ein eigenständiges Forschungsinstitut mit Servicecharakter". Das heißt, es züchtet die Tiere auch für andere Institute. Die Primatenkolonie des Leibniz-Instituts umfasst 1.200 Tiere.

In Magdeburg gibt es mit dem Leibniz-Institut für Neurobiologie ein Grundlagenforschungsinstitut, das der Erforschung der Mechanismen von Lernen und Gedächtnis gewidmet ist. An Primaten wird untersucht, wie das Hören im Gehirn organisiert ist.

Tübingen: Das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) ist das bundesweit größte und modernste Zentrum zur Erforschung neurologischer Erkrankungen.

Auch an der Ruhr-Universität Bochum wird die Funktion des Nervensystems mit Hilfe von Primaten erforscht.

Als Kreiter 2008, zehn Jahre nach Beginn der Experimente, eine Verlängerung seiner Tierversuche bei der Bremer Gesundheitsbehörde beantragte, regierte eine rot-grüne Koalition. Und die hatte sich darauf verständigt, dass die Tierversuche beendet werden sollten. Es hatte umfangreiche Proteste der Tierschützer und eine Petition gegeben. Die Bremische Bürgerschaft beschloss schließlich einstimmig ein Ende der Experimente – also auch mit den Stimmen der CDU.

Die Bremer Universität sieht darin einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Nach dem Tierschutzgesetz müssten Forscher ihre Tierversuche wissenschaftlich begründen und eine ethische Abwägung vortragen, damit müsse sich die Genehmigungsbehörde zufrieden geben. Die Affen litten kaum unter den Experimenten, das ist die Überzeugung des Biologen Kreiter, die ethische Abwägung also kurz.

Vergleich zur „freien Wildbahn“

Das sehen die Tierschützer anders: Eine Metallplatte zur Befestigung der Elektroden wird den Tieren ins Gehirn implantiert, während der wochenlangen Experimentier-Phasen wird ihre „Kooperation“ durch Wasser-Entzug erzwungen – nur wenn sie im Experiment vor dem Bildschirm mitmachen und eine Taste drücken, bekommen sie einige Tröpfchen.

Nun steht der Tierschutz seit dem Jahre 2002 als Staatsziel im Grundgesetz. Vorher, so erklärte der Tierschutz-Anwalt Wolfgang Ewer, sei die Wissenschaftsfreiheit unbegrenzt gewesen. Das sei, als ob ein Chemieunternehmen die Genehmigung für eine Produktionsstätte ohne weitere Prüfung verlangen könne, wenn es sein Verfahren „wissenschaftlich“ begründe und dazu erkläre, dass die Belastungen der Bevölkerung ethisch vertretbar seien.

Das sei die Rechtslage für wissenschaftliche Experimente gewesen, erklärte Ewer. Nun sei aber der Tierschutz ein Kontrollkriterium mit Verfassungsrang geworden – und die Exekutive als demokratische Vertretung der Bevölkerung müsse dieses Tierschutz-Interesse vertreten, also auch entscheiden dürfen, was als „hohe“ und was als „geringfügige Belastung“ der Tiere zu gelten habe.

3.000 Seiten umfassen die Akten, die dem Bremer Oberlandesgericht aus dem jahrelangen Rechtsstreit vorlagen, mehrere Gutachten sind bestellt worden. Aber die Gutachter teilen sich in zwei Lager: jene, die selbst im Bereich der Makakenforschung arbeiten, und jene, die immer wieder für Tierschützer die Gegenargumente wissenschaftlich aufbereiten. Entsprechend unterschiedlich fällt auch die Bewertung der Ergebnisse von Kreiters mehr als zehnjähriger Makakenforschung aus: „Exzellent“, sagen die einen, „dabei ist nichts Nennenswertes herausgekommen“, die anderen wie der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes Wolfgang Apel.

Wie Tiere unter solchen Bedingungen leiden, könne man nicht objektiv messen, sagen die Tierschützer. Man könne jedoch bei Tieren, die dem Menschen evolutionsgeschichtlich nahe stünden, Rückschlüsse ziehen aus der Weise, wie Menschen leiden. Der Hinweis, dass Makaken auch in „freier Wildbahn“ über längere Zeit an Wassermangel leiden, sei kein Argument, sagen die Tierschützer: Wenn es in „freier Wildbahn“ normal sei, dass eine Katze eine Maus totbeiße, sei dasselbe Verhalten von Menschen trotzdem ein Verstoß gegen die Ethik des Tierschutzes.

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