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Tierschutz versus KunstfreiheitKein Platz für Papageien

Kann Kunst die Gesellschaft verändern, ohne sich selbst aufzugeben? Nein, sagt eine brillante Ausstellung in der GAK - aber versuchen muss sie‘s.

Anetta Mona Chisa & Lucia Tkacova: Things in Our Hands, 2014 Foto: Tobias Hübel/GAK

BREMEN taz | Die Direktorin hatte einen Vogel, nein: zwei sogar. Jetzt hat Janneke de Vries nur noch Pisse und LSD. Aber das macht nichts. Hier geht es eh nicht um Effekthascherei. Nur der kryptische Titel „ah, soul in a coma, act naive, attack“ hätte echt nicht sein müssen. Der schreckt ab. Was schade ist! Denn diese Ausstellung ist eine der besten, die es in der letzten Zeit in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) zu sehen gab.

Eingeladen dazu hat die Direktorin das Künstlerinnenduo Anetta Mona Chisa und Lucia Tkacova, die auch in Bremen schon mal zu sehen waren, mit Pflastersteinen aus Porzellan. Ihnen geht es um eine große Frage der Kunst: Kann sie die Gesellschaft verändern, ohne sich selbst instrumentalisieren zu lassen?

Hier kommen nun Drogen ins Spiel, und Urin. Denn bevor am Ende, also dort, wo anfangs die beiden Amazonas-Papageien saßen, der Neubeginn steht, wird erst mal alles Bekannte über den Haufen geworfen: Sprache, Erziehung, Kapitalismus. Dafür haben die beiden Künstlerinnen Geld eingeschmolzen, dann, wie Kinder den Matsch, mit den Händen neu geformt, und auf Sockel auf Schaumstoff gestellt. Gleich daneben stehen ein Totem aus gestapelten, auf dem Grill geschwärzten Büchern sowie ein einzelnes Werk, von flüssigem LSD aufgequollen und eben die erfreulich geruchsneutralen Gelatine-Pralinés, für die die Künstlerinnen getrockneten Fliegenpilz in ihrem Körper gefiltert haben. „Es ging ihnen richtig dreckig“, erzählt Janneke de Vries. Hier taucht die erste Referenz an „Eiland“ auf, einen Roman von Aldous Huxley, von seiner Dystopie „Brave New World“ wohl bekannt. „Eiland“ ist zunächst ein positiver Gegenentwurf, doch auch diese Utopie endet finster.

Der völlige Kontrollverlust, auf den Anetta Mona Chisa und Lucia Tkacova hinauswollen, wird im zweiten von drei Teilen der Ausstellungserzählung ganz unmittelbar erlebbar. In einem schlichten Raum totaler Finsternis.

Natürlich ist das alles schon mal dagewesen – aber gerade darum geht es ja auch: Jede Form von gesellschaftlichem Widerstand, den die Kunst formuliert hat, ist am Ende gescheitert. Das ist die ernüchternde Grundthese.

Nun suchen die Künstlerinnen nach einem Neubeginn, jenseits des Bekannten. Und hier wird es leider sehr vage. Und vogelig: Hier sollten die Papageien den Raum bevölkern, dabei „Attention“, „Here and Now“ krächzen, also an die Achtsamkeit appellieren, noch so eine Referenz an Huxley. Aber Bremens Veterinärdienst hat sie zurück in ihre Volièren gesperrt. In der GAK durften sie frei fliegen, aber es fehlte der Rückzugsraum. Und dann - noch schlimmer - dieser Teppich! Wenn der die Papageien nur halb so kirre macht wie unsereinen, dann haben die Tierschützer wohl recht. Er ist eine Art 4D-Simulation, also der Versuch, das Zusammenspiel von Raum und Zeit fassbar zu machen. Aber erstmal macht er einen ziemlich meschugge.

Ist der Tierschutz hier wichtiger als die Freiheit der Kunst? So hoch will man den Konflikt nicht hängen. Der Teppich muss raus oder die Vögel, das ist die Wahl, vor der die GAK stand. Dabei hatten sie eigens einen Tiertrainer beauftragt, mit einer artgerechten Umsetzung der Idee. Am Ende drohte das Papageienschutz-Centrum mit Anzeige. Es geht auch ohne Vögel. Am Ende ist eh klar: Die destruktive Kraft der Kunst ist größer als ihr utopisches Potenzial. Will sie die Gesellschaft zum Besseren wenden, scheitert sie. Aber sie soll nicht aufhören, es zu versuchen. Um besser zu scheitern.

Bis 31. Januar 2016

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