Tierfotograf über Freiheit und Abenteuer: Ein Paparazzo schräger Vögel
Im Zoo Vögel zu fotografieren, ist entehrend, sagt der Berliner Tierfotograf Wolfgang Stürzbecher: Vögel müssten frei sein.
taz: Herr Stürzbecher, was bringt Menschen dazu, stundenlang einem Kuckuck aufzulauern?
Wolfgang Stürzbecher: Der berühmte Jagdinstinkt spielt sicher eine Rolle. Wobei ich das mehr als sportliche Angelegenheit sehe: Wer gibt eher auf, ich oder der Vogel? Immer wieder überkommt mich dabei das Staunen über die Natur, über ihre Schönheit, ihre Vielfalt, ihre Fantasie. Ich habe gerade in der Nachbarschaft einen Gartenrotschwanz fotografiert. Wenn man sich überlegt, dass dieser kleine Kerl jedes Jahr nach Afrika und wieder zurück fliegt, und dass er dann diesen einen bestimmten Garten wiederfindet, in dem er seit fünf Jahren nistet, das finde ich absolut beeindruckend, gerade auch bei kleineren Vögeln.
Vogelfreunde gelten als leicht verschroben. Was sind das für Leute?
Man trifft sie rund um die Erde. Manche haben tatsächlich mit den Menschen gebrochen und flüchten sich in die Tierwelt, andere treibt ein echtes Interesse an der Natur. Diese typischen Birdwatcher, die akribisch ihre Listen führen, sind nicht so mein Fall. Da findet ein komischer Wettstreit statt, und es ist auch viel Vereinsmeierei dabei. Ich finde es immer toll, mich auf die Natur einzulassen und mehr über sie zu erfahren. Herauszufinden, wie so ein Vogel tickt. In den Büchern steht so manches, aber in der Praxis halten die Tiere sich nicht wirklich daran. Dass man immer wieder von Neuem überrascht wird, das ist das Besondere daran. Und dass man in der Natur draußen sein kann und völlige Ruhe um sich hat.
Nehmen Sie sich bestimmte Motive vor? Heute pirsche ich auf Seeadler?
Aufgrund der Jahreszeit und des jeweiligen Biotops hat man zwar bestimmte Erwartungen. Aber ob der Vogel dann kommt oder nicht, das ist nicht entscheidend. Einmal habe ich lange vergeblich auf einen Eisvogel gewartet – doch dafür kam auf einmal eine Große Rohrdommel, die ich gar nicht gesucht hatte, und die ja noch viel seltener ist. Gezielt bestimmte Vögel zu fotografieren, ist kaum möglich. Die Redaktionen stellen sich das zwar oft so vor, dass man mit Tieren so arbeiten kann wie mit Menschen. Doch eine Rohrdommel kann man nicht bestellen und auf ein Date festlegen.
ist Tierfotograf aus Berlin
Muss man weite Reisen unternehmen, um seltene Vögel zu sehen?
Nein. Die Stadt bietet heutzutage mehr Artenvielfalt als das Land. Vor allem komme ich dort viel dichter ran als in der klassischen Natur, weil die Tiere an Menschen gewöhnt sind. Da muss ich auch gar nicht mit einer fetten Optik hantieren; alles über 500 Millimeter Brennweite finde ich sowieso unsportlich. Und gerade in der Stadt kommt man manchmal so nahe an ein Tier ran, dass man mit dem Tele gar nicht mehr arbeiten kann. Im Zoo zu fotografieren, halte ich allerdings für entehrend. Der Vogel soll frei sein, er soll jederzeit wegfliegen können.
Die Großstadt als Idylle?
Manchmal ist das gar nicht so ohne. Ich wusste zum Beispiel, dass ein Zaunkönig auf einem Spielplatz sein Revier hatte. Also hab ich mich da hingesetzt und hab ihn mit einem Teleobjektiv fotografiert. Bis zwei Polizisten kamen – mit gezogener Waffe. Da hatten die Muttis mich als Kinderschänder ausgemacht. Etwas Ähnliches ist mir auch auf dem Parkplatz eines Supermarkts passiert. Da habe ich morgens um sechs Haubenlerchen fotografiert. Irgendjemand dachte, ich wolle den Geldtransport ausbaldowern. Und wieder habe ich einen Polizeieinsatz ausgelöst; wieder kamen sie mit der Waffe im Anschlag. Alles wegen einer Haubenlerche.
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