Threads als Twitter-Konkurrenz: Neue Favoritin im Rennen
Während sich Musks Twitter selbst abschafft, gehen andere Wettbewerbsteilnehmer an den Start. Threads ist eine ernstzunehmende Konkurrenz.
M an kann sich den Wettkampf der kommerziellen Social-Media-Plattformen wie ein verdammt langes Wettrennen mit vielen Zwischenfällen vorstellen. Allein, das Ziel ist nicht ganz statisch, sondern es ist, möglichst viele Nutzer*innen und deren Daten, Werbekund*innen, Aufmerksamkeit, Geld und Macht einzusammeln. Das heißt, das Ziel des Rennens wird ständig weiter nach hinten verlegt.
Während des Rennens aber laufen immer wieder Störer auf die Bahn (Hacker*innen und Bots), oder wankelmütige Schiedsrichter*innen versuchen, während des laufenden Wettkampfs neue Regeln durchzusetzen (Datenschutz). Gerade ist eine neue Sportlerin gestartet: Threads. Sie kommt aus dem Team von Meta und muss deswegen nicht am Start anfangen, sondern darf mitten im Rennen einsteigen.
Das Publikum am Wegesrand sind wir. Und wir sind auch die Sponsoren: Wer uns überzeugen kann, wird unterstützt, bekommt unsere Aufmerksamkeit, unsere Daten und unsere in Posts gepressten Gedanken, die weitere Unterstützer*innen generieren. Wir, das Publikum, jubelten voller Vorfreude, schon bevor Threads ins Rennen einstieg. Endlich eine neue Favoritin, die Twitter Konkurrenz macht. Es wird wieder spannend!
Threads ist eine Social-Media-Plattform von Meta, wozu auch Facebook sowie Whatsapp, das Metaverse und Instagram gehören. Es ist ähnlich aufgebaut wie Twitter und sieht der Plattform auch sehr ähnlich. Am Donnerstag ging Threads an den Start in über 100 Ländern, aber vorerst nicht in EU-Ländern, was vermutlich am Digital Markets Act liegt, der strengere Regeln für Plattformen mit sich bringt. Mit 30 Millionen Downloads in den ersten 18 Stunden war Threads gleich am ersten Tag unter den am häufigsten abgerufenen kostenlosen Apps. Prominente wie die demokratische US-Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez und die Künstlerin Kim Kardashian waren sofort dabei, ebenso MrBeast, der meistabonnierte Youtuber der Welt.
Selbstsabotage
Protegiert wird Threads von einer anderen, großen Nummer in diesem Wettlauf: Instagram. Wer bei Instagram ist, kann sich direkt bei Threads anmelden und – praktisch! – dort mit wenigen Klicks allen Accounts folgen, denen er*sie auch bei Instagram folgt, sofern die bei Threads sind. Alte Bekannte mitzunehmen auf eine neue Plattform ist äußerst bequem und ein Booster für die neue Teilnehmerin im Rennen: Instagram unterstützt sie mit rund zwei Milliarden aktiven User*innen.
Nur wenige Tage vor dem Start von Threads schmiss sich Twitter, gerade noch im Spitzenfeld des Rennens, mit schmerzverzerrtem Gesicht trotzig auf den Boden. Twitter entschied, dass User*innen nur noch eine limitierte Anzahl an Tweets pro Tag sehen können, und schränkte die Sichtbarkeit von Beiträgen für nicht eingeloggte User*innen ein. Damit nahm Twitter sich selbst seine eigene Lebensgrundlage: Sichtbarkeit.
Wieder einmal verunsicherte Twitter damit seine Kunden und provozierte einen erneuten Exodus ins Fediverse, ein dezentrales Social-Media-Gewächs, zu dem beispielsweise auch Mastodon gehört. Seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk haben sich Zigtausende Menschen bei Mastodon registriert und damit technische Infrastrukturen und Gemeinschaften vor organisatorische und teils auch ideologische Herausforderungen gestellt. Doch nur ein kleiner Teil dieser Neuzugänge wurde auf der Plattform auch tatsächlich mittelfristig aktiv. Ein häufiges Argument gegen Mastodon: Es sei zu kompliziert. Sicher ist: Es ist nicht so idiotensicher wie Twitter.
Sich neuen Umgebungen anzupassen kann schwierig sein. Das Fediverse ist eine Gemeinschaft aus vielen schönen digitalen Orten, aber sie sind nicht für jeden problemlos zugänglich. Deswegen ist es für viele eben keine Twitter-Alternative. Ebenso wenig sind es andere textlastige Social-Media-Plattformen.
Manche sind einfach zu rechts wie etwa Parler, andere elitärer Unsinn wie das 2023 gelaunchte Bluesky. Das wollte dringend Twitter-Konkurrenz werden, schmiss sich ins Rennen, hatte dabei aber einen Grundsatz des gerade deswegen gescheiterten Clubhouse übernommen: Ihr dürft nur mit Einladung rein. Die Einladungen wurden zu einem Gut, das im Schwarzmarktstil für Tausende von Euro online verkauft wurde. Statt eines jubelnden Publikums standen die Zuschauer*innen neben der Strecke und wunderten sich, warum sie nicht mitmachen dürfen.
Kino, Party, Museum oder Couch
Threads hingegen trägt bei seinem Lauf ein Trikot, worauf dick und fett steht: „Alle willkommen“. Und wer es nicht verstanden hat, bekommt es von Instagram noch mal ins Gesicht geschrien.
Instagram, Tiktok und Youtube laufen zurzeit weit vorne im Spitzenfeld, weil wir Zuschauer*innen sie dort hingepusht haben. Doch sie sind etwas andre Läufer. Sie sind keine textlastigen Plattformen, in ihrem Fokus stehen Fotos und Videos. Sie können also mit Twitter nicht wirklich konkurrieren. Unter den bildlastigen Teilnehmer*innen hat man die Wahl zwischen einem Kinoabend (Youtube), einer Party (Tiktok), einem Museumsbesuch (Instagram) und einem Blick ins Fotoalbum (Bereal). Während bei Twitter abhängen ein Abend auf der Couch mit Buch ist.
Bei Threads kann man sich auf den gewohnten Mechanismus verlassen, von dem sich Twitter in den letzten Monaten verabschiedet hat. Elon Musk wehrte sich dagegen, mit anderen Plattformen in Verbindung gebracht zu werden, etwa indem Twitter Nutzer*innen verbot, im Profil anzugeben, wo man sie im Fediverse findet. Threads hingegen setzt auf Vernetzung und Verbindungen mit anderen Teams. Auch mit dem Fediverse soll Threads in Zukunft verbunden werden.
Natürlich kann das alles Elon Musk nicht gefallen. Schon am Donnerstag berichtete die Website Semafor darüber, dass Musks Anwalt per Brief angekündigt hat, Meta zu verklagen. Man will sich also bei den Schiedsrichter*innen beschweren. Angeblich hätte Meta nämlich „Betriebsgeheimnisse und geistiges Eigentum“ von Twitter genutzt und ehemalige Twitter-Mitarbeitende in der Entwicklung von Threats eingesetzt. Meta bestreitet das. Interessant ist aber: Was dachte Musk, wo die 80 Prozent der Belegschaft, die seit seiner Übernahme entlassen wurden, in Zukunft arbeiten würden?
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