: This world is sick, sick, sick
Monumentale Klangschichten: Godspeed You Black Emperor! ■ Von Robert Matthies
Den FreundInnen frühlingshafter, leichter Abendunterhaltung wird an diesem Samstagabend die Markthalle nicht guten Gewissens zu empfehlen sein. Die dort auftretende, wenigstens neunköpfige Band Godspeed You Black Empe-ror! verlangt mit ihren epischen Stücken dem Publikum einiges an verdüstertem Pathos, Geduld und leidenschaftlicher Hingabe ab: „It takes dedication. It takes a death.“
Nein, einfach konsumierbar soll das nicht sein, hier haben wir es mit echter Kunst zu tun, so die unmiss-verständliche Botschaft der Kanadier, die als (ehemaliges) BesetzerInnen-Kollektiv auf einem verlassenen Eisenbahngelände in Mon-treal leben. Und so sind sich alle der Einfachheit halber einig, dass man es diesmal wirklich mit Art-Rock zu tun hat und nennt pflichtbewusst die obligatorischen Radiohead, Mogwai und Sigur Ros im selben Atemzug, um eine Renaissance des Genres zu beschwören.
Angefangen hat die Bandgeschichte mit der auf 33 Stück limitierten Kassette All Lights Fucked On The Hairy Drooling Amp, gefolgt von der ersten Platte f£a£ €, die 1998 erschien. Mittlerweile sind Godspeed You Black Emperor! mit ihrer dritten Veröffentlichung Slow Riot For New Zero Canada, spätestens aber mit dem monumentalen (Doppel-)Album Levez Vos Skinny Fists Like Antennas To Heaven, zum Mythos avanciert. Auch die verschiedenen Nebenprojekte diverser Bandmitglieder – wie A Silver Mt. Zion oder Fly Pan Am – genießen mancherorts beinahe Kultstatus.
Die Band besteht zurzeit aus zwei Gitarristen, zwei Schlagzeugern, zwei Bassisten, einer Cellis-tin, einer Violinistin und einem Tape-Master und versteht es, diese Menge an Instrumenten so einzusetzen, dass Spannungsbögen und Klangwände voll trauriger Schönheit erzeugt werden, die derzeit ihresgleichen suchen. Zeitweilig war man gar zu zwölft – MusikerInnen unterschiedlicher Herkunft von Jazz bis Elektronik, die gemeinsam Gitarren, Geigen, Celli und Sam-ples übereinander schichteten, dass das Publikum bisweilen glaubte, den wirklich wichtigen Dingen im Leben ein Stück näher gekommen zu sein: Andacht statt Pop. Dabei kommen GYBE! vollständig ohne Gesang aus; Sprache findet sich lediglich in Form verstörender Samples.
„Wir arbeiten sehr filmisch“, hat die Gruppe einmal in einem Interview verlauten lassen, zumindest werde ihre Musik sehr oft mit Filmen verglichen. Folgerichtig ist der Bandname auch eine Übersetzung von Baraku Empororu, dem Titel eines in schwarz-weiß gedrehten Films über eine japanische Scooter-Gang von dem japanischen Regisseur Mitsuo Yanagimachi. Und es sind auch die zahlreichen Projektionen grobkörniger Filmschnipsel auf der Bühne, die uns neben der bombastischen Musik nahe legen, dem Konzert einen Platz im eigenen Leben einzuräumen. Wer die nötige Hingabe aufbringen kann, wird von dieser einzigartigen Band nicht enttäuscht werden. Sollte indes jemand keine Karte mehr bekommen: GYBE! lassen sich vielleicht ohnehin am bes-ten allein im verdunkelten Zimmer mit stillgelegtem Telefonanschluss hören – laut.
mit Hanna Marcus: Sonnabend, 21 Uhr, Markthalle
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