Thierse wegen Äußerungen angezeigt: „Das ist sächsische Demokratie“

Ein Polizist hat Wolfgang Thierse wegen Äußerungen und wegen seiner Beteiligung an Anti-Nazi-Protesten in Dresden angezeigt. Staatsanwaltschaft Dresden prüft Aufhebung der Immunität.

Wolfgang Thierse am 19.2. In Dresden im Gespräch mit Polizisten. Bild: dapd

DRESDEN dapd/taz | Wegen umstrittener Äußerungen zum Demonstrationsrecht in Sachsen und wegen seiner Beteiligung an Protesten gegen den Neonazi-Aufmarsch in Dresden droht Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse Ärger mit der Justiz.

Wie die Polizei in Dresden am Dienstag mitteilte, erstattete ein ranghoher sächsischer Polizeibeamter Strafanzeige gegen den SPD-Politiker. Eine entsprechende Anzeige wegen Beleidigung liege vor, sagte eine Sprecherin. Es werde nun geprüft, wie diese rechtlich einzuordnen sei und ob ein Anfangsverdacht vorliege.

Thierse hatte sich am Wochenende in Dresden an Protesten gegen Neonazi-Aufmärsche beteiligt. Vor Journalisten beklagte er, dass drei Neonazi-Veranstaltungen zugelassen, die Rechte der demokratischen Demonstranten dagegen eingeschränkt worden seien. Zugleich äußerte er sich im MDR-Fernsehen zur Arbeit der Polizei. „Die Polizei ist vollauf beschäftigt, die Neonazis zu schützen. Das ist so. Das ist sächsische Demokratie“, sagte er dem Sender zufolge. Weiter sagte er: „Wir erleben hier den Versuch der Rechten, von der Stadt Besitz zu ergreifen. Dagegen müssen sich die Demokraten in Deutschland wehren.“

Kritik von CDU und FDP

CDU-Innenminister Markus Ulbig hat die Äußerungen scharf kritisiert. Die Regierungsparteien CDU und FDP gingen ebenfalls auf Distanz und sprachen von nicht hinnehmbaren und diskreditierenden Formulierungen. Der Polizeibeamte, der Anzeige erstattete, sieht darin sogar eine Beleidigung der Polizei und der sächsischen Beamten. „Eine solche Äußerung von einem der höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik ist schockierend und macht mich sprachlos“, ließ sich der Polizeibeamte von der Bild zitieren.

Vergleich mit Weimarer Zeit vom GdP-Vorsitzenden Witthaut

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zog gar Vergleiche mit den Zuständen zu Zeiten der Weimarer Republik: „Blutige Straßenschlachten zwischen linken und rechten Extremisten haben Deutschland schon einmal heimgesucht. Das Ergebnis hat die Welt in ein Chaos gestürzt“, so der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut in einem Kommentar auf der Webseite der Gewerkschaft.

Thierse muss auch wegen möglicher Verstöße gegen das Versammlungsgesetz mit juristischen Konsequenzen rechnen. Die Staatsanwaltschaft Dresden erklärte, es werde sicherlich auch im Fall der bereits namentlich bekannten Politiker Vorprüfungen geben, ob gegebenenfalls die Aufhebung der Immunität beantragt und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde.

In Dresden hatten am Wochenende Tausende Menschen einen geplanten Neonazi-Aufmarsch blockiert. An den Aktionen hatte sich auch Thierse beteiligt. Auch mehrere sächsische Landtagsabgeordnete sind demnach bereits wegen ihrer Beteiligung an Blockaden ins Visier der Ermittler geraten. Überschattet wurde der friedliche Protest von schweren Krawallen. Linksautonome und Neonazis lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei.

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