Themenläden und andere Clubs: Eier gegen den Kater
■ Über den Verlust der Erinnerung nach langen Nächten in der Bar
Worüber redet man eigentlich immer all die vielen, vielen Stunden, die man an den Theken der verschiedenen Etablissements verbringt? Mit abwechselnd budweiserroten, sekt- oder, am Zahltag, gimletgelben Getränken in der Faust geht die eine, also die zweite Hälfte des Abends, natürlich meist im Promillesee unter. Da ist der Kopf dann schon schlafen gegangen, nur der Mund plappert lustig weiter, und am anderen Morgen schämt man sich.
Zwar gibt es auch Abende, an denen man aus besonderem Anlaß gar nichts trinkt – wenn man also schwanger ist oder zumindest krank und auf Antibiotika. Oder man hat „die Arschkarte gezogen“ und muß fahren. Doch beizeiten kann ich mich selbst an diese Abende am nächsten Tag nicht ganz erinnern.
Jedenfalls, als ich damals einen Tusma-Job bei Disketten-Boeder hatte, mußte ich jeden Tag acht Stunden lang zusammen mit einer reizenden Spanierin im Zwei-Sekunden-Takt zehn Disketten aus der einen Schachtel greifen und in die andere stopfen. Deutsch, wie ich nun mal bin, habe ich die ganze Zeit gearbeitet wie ein, nun ja, Volkswagen-Roboter. Aber die Spanierin: Die wollte ständig Pause machen, Siesta, und mit mir plauschen. Sie hat mir erzählt, daß „in Madrid, isse viele Bars, wenn ich binä betrunke, ich immer gegesse eine hartegekochte Ei, und dann isse wieder nüchtern.“ Olé, ich habe mir also ein Wochenende später ein hartgekochtes Ei in einem kleinen Tuppertopf mit in die Bierbar am Görlitzer Bahnhof genommen. Das war so gegen drei Uhr nachts, ich mußte auf die erste U-Bahn warten, weil im Disketten-Boeder-Tarifrahmen kein Taxi drin war. Und ich war schon so betrunken, daß ich dachte: Jetzt ist die Gelegenheit. Ein Ei, und ich bin wieder nüchtern und kann die zwei Stunden bis zur Heimfahrt mit SINNVOLLEN GESPRÄCHEN ausfüllen. (Was natürlich ein Trugschluß war: Mit wem führt man um drei Uhr nachts in der Bierbar sinnvolle Gespräche?)
Als ich an der Theke nach Salz fragte, dachte ich, daß es doch ziemlich unappetitlich sein müßte, eine betrunkene Anfangzwanzigerin neben sich sitzen zu haben, die ein hartgekochtes Ei in sich reinstopft. Also ging ich aufs Damenklo und aß es da. Danach war ich genauso betrunken wie vorher, nur war mir dazu noch schlecht. Worüber ich geredet hatte, wußte ich am nächsten Tag auch nicht mehr. Soviel zu Spanierinnen, diesen Schandmäulern. Später habe ich im Niagara mal versucht, durch einen systematischen Selbstversuch (mit Budweiser vom Faß) herauszufinden, wann es anfängt, das Vergessen bei interessanten Gesprächen.
Hat nicht 100prozentig geklappt. Vielleicht lag's am Gespräch, ich weiß nicht mehr. Natürlich wird das Reden auch einfacher, je später der Abend. Außerdem sinken die Ansprüche ganz enorm, fühlt man sich doch schon gut unterhalten, wenn irgendwo ein Lieblingslied läuft.
In einer Frauenzeitung war mal eine Umfrage in Kneipen: „Worüber redet ihr gerade?“ Die Frauen haben angeblich fast alle gesagt: „über Männer“. Ich aber glaube, da hat die Frauenzeitung etwas geschummelt, um ihre übrige Themenauswahl zu erklären. Meiner Ansicht nach sprechen Frauen in Kneipen durchaus über andere Themen. Neulich habe ich zum Beispiel versucht, ganz spät abends in der Luxus-Bar etwas zu bestimmten Punkten in Andrea Fischers Gesundheitsreform zu sagen. Das war zwar nicht so einfach, und mein Gesprächspartner hat es sich hoffentlich nicht gemerkt. Aber es kam kein einziger Mann drin vor. Na ja, vielleicht habe ich doch hin und wieder „Arzt“ gesagt. Jenni Zylka
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