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■ Bier jetzt? Oder später?“: Am Strand von Side trifft man Adelige mit Kugelbauch, einfache Menschen und türkische Tauchlehrer

Folgende Menschenarten lernt man am Strand von Side an der türkischen Riviera kennen: 1. Einen köllsche Jong. „Trinkst 'n Tee mit?“, fragt der alle zwei Stunden kumpelig. Ansonsten ist er „'n einfacher Mensch“, aber er hat einen aufregenden Beruf: Er verkauft Fäkalien-Pumpen.

Wir müssen darüber sehr lachen und erzählen später dem englisch sprechenden türkischen Tauchlehrer: „He's a shit pump seller. But you wouldn't guess.“ „Why“, fragt der Tauchlehrer, „he doesn't look like shit?“ 2. Einen Adeligen. Der Adelige ist ein echter Freiherr, aber verdammt verarmt, unterste Freiherr-Kategorie. Er ist Mitte 40, hat aber die Gestik und Körpersprache eines kleinen Kindes. Außerdem ist er eine Sickergrube für Whiskey-Cola. Das zusammen mit seinem rotgebrannten Kugelbauch und den jungenhaften, schlaksigen Bewegungen erinnert an eine Figur aus einem Erwachsenencomic. Und 3. einen türkischen Tauchlehrer. Er kommt aus Istanbul, spricht sehr leise wunderliches Englisch und kichert ständig lautlos über den Adeligen, den köllsche Jong und meine Bemühungen, Türkisch zu lernen.

Ich kann schon sagen: „Gibt es Tee?“ „Gibt es Bier?“ „Gibt es Sex?“ (das habe ich aus Versehen gelernt, denn „Sex“ wird im Türkischen fast genauso ausgeprochen wie „Tee“), und „Gibt es Aluminiumfolie?“ Aluminiumfolie brauche ich natürlich nicht so oft, aber es sieht sehr lustig aus auf Türkisch: Alümüniüm Folye. „Gibt es“ heißt nämlich „varmi“.

Abends an der Strandbar wende ich 50 Prozent meines Türkisch an. „Gibt es Bier?“ „Ja“, sagt einer der haselnussbraunäugigen Kellner auf Deutsch, und wendet im Gegenzug 50 Prozent seiner Deutschkenntnisse an. Immerhin kann er Witze auf Deutsch machen: „Bier jetzt? Oder später?“ Es ist nicht einfach, in einer fremden Sprache Witze zu machen oder auch nur Kneipen-Smalltalk zu führen. Ich wäre zwar interessiert an einem Gespräch über Politik, gern auch innertürkische Probleme, aber was sagt man da? „Gibt es Kurden?“ Also üben wir weiterhin, auf Türkisch „Danke“ zu sagen (ein Wort mit sechs komplizierten Silben!) und ziehen Grimassen.

Dann gehen wir mit dem besoffenen Adligen zu Ali Baba, der heute die Eröffnung seiner Ali-Baba-Bar feiert, und wild mit seinen beiden Söhnen herumtanzt. Die Stimmung steigt noch mehr, als er zwei salatbesteckähnliche Holzlöffel holt, und mit ihnen klappert wie mit Kastagnetten. Wir müssen es auch probieren, und stellen uns gar nicht mal so dämlich an. Aber als wir dem Tauchlehrer davon erzählen, kringelt der sich schon wieder lautlos vor Lachen, und sagt, dieser bescheuerte Holzlöffeltanz wäre die größte Touristenverarsche von allem.

Später, im Hotelzimmer, gucken wir auf Türkisch Doris Day und Frank Sinatra in einem alten Spielfilm, und das ist wirklich spannend: Man muss sich allein auf die Blicke der Protagonisten und die Filmmusik verlassen, um herauszufinden, wer nun eigentlich wen möchte und warum es nicht klappt. Zwischendurch singt Doris Day zwar mit ihrer durchdringenden Stimme „I'm ready, willing and able“, aber Frank Sinatra guckt immer todtraurig. Dazu versuchen wir, eine Flasche Wein ohne Korkenzieher zu öffnen, keinen Sinn, die Rezeption anzurufen, „Gibt es Korkenzieher?“

Wir geben auf, stellen die ungeöffnete Flasche für Fatma, die Putzfrau, hin (sie hat uns eine Visitenkarte hinterlassen: „Ich putze Ihr Zimmer. Mit freundlichen Grüßen: Fatma“), und plündern die Minibar. Am nächsten Morgen verschlafen wir das Frühstück, bis jemand klopft und laut und vernehmlich sagt: „Minibarkontrolle!“ Neidisch könnte man werden bei soviel Fremdsprachenkenntnissen! Jenni Zylka

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