Theater-Kiosk in München: Fenster zur Straße

Der Habibi-Kiosk ist ein Projekt der Münchner Kammerspiele, um Menschen ins Gespräch zu bringen. Die Idee entstand in der Pandemie.

In blauem und rotem Licht leuchtet der Innenraum des Habibi Kiosk der Münchner Kammerspiele in der Maximilianstrasse, auf der eine Trambahn fährt.

Im Theater brennt noch Licht: In blau und rot leuchtet der Innenraum des Habibi-Kiosk in München Foto: Felix Hörhager

Im Theater brennt noch Licht. Durch die Fenster zur Straße zeigt sich, was nötig ist, um im digitalen Raum Nähe zu vermitteln: Schwarze Kabel schlängeln sich über den Boden, um Grünpflanzen und ein paar Freischwinger-Stühle herum. Softboxen – mit Stoff bespannte Scheinwerfer – brechen das harte Kunstlicht. Kamera- und Soundtechnik stehen mitten im Raum.

Beim „Habibi-Kiosk“ der Münchner Kammerspiele sollte ein offenes Ohr für eine diverse Stadtgesellschaft entstehen, lautete das Konzept, das im vergangenen November entwickelt wurde. Immer mittwochs würde hier Programm stattfinden: Ausstellungen, Konzerte, DJ-Ses­sions, Talkrunden und Performances. Selbst Pflanzenkunde sollte ihren Platz finden.

Die Pandemie war bereits Teil des Plans. Nach einem Sommer ohne Reisen, der sich mehr nach halbwarmem Bier, Mückenstichen zu Hause und nächtlichen Radfahrten anfühlte als nach Entdeckungen, war im Herbst klar: Ein weiterer Lockdown würde kommen – und Begegnungen nur im digitalen Raum möglich sein.

„Wir planen immer mit A und B“, sagt Kurator Sebastian Reier. Rania Mleihi ergänzt: „A und B klingt superklein! Wir haben uns daran gewöhnt, alle Buchstaben des Alphabets durchzuplanen.“ Allen Varianten gemein bleibt die Grundidee: „einen Ort zu bauen, der für uns alle da ist“. Unterschiede anerkennen, Menschen ins Gespräch bringen, vermeintliche Fehler zulassen: Daran halten die Kuratoren allerdings bei ihren Planungen fest.

Der Habibi-Kiosk sollte die Verschiedenheit feiern und Meinungen Raum geben. Reier: „Wir haben hier eine sehr wohlhabende Nachbarschaft, und für die sind wir genauso da. Es geht um das Teilen von Perspektiven, darum, dass Menschen voneinander und von ihren Bedürfnissen in direkter Form erfahren.“

Neben der Nobelmeile

Ausgehend von dieser Idee hätten sie sich „Verbündete“ gesucht, erzählt Reier. Sulafa Hijas aus Damaskus ist eine davon. An den Wänden der Schauräume, die sich zur Nobelmeile Maximilianstraße öffnen, sind derzeit ihre digitalen Projektionen zu sehen. Hijas hat in Frankfurt Bildende Kunst studiert und lebt jetzt in Berlin. Der Titel ihrer Ausstellung lautet „Through a window“, und im Vorbeigehen – mit der Veränderung des Blickwinkels – ändert sich auch die Kunst.

„Wir denken, unser Auftritt zur Straße hin ist die Antwort auf die Fragen, die sich die Gesellschaft derzeit stellt“, sagt Kuratorin Rania Mleihi. „Was dürfen wir noch machen? Was ist mit der Pandemie? Wir wollten die Stadt und ihre Menschen kennenlernen, die sich mit Fragen von Zusammenarbeit und Kunst beschäftigen“ – vor allem Menschen, die „deutsch sind, aber nicht Deutsche“.

Menschen wie Nuschin Rawanmehr: Die Sozialarbeiterin und Migrationsbeirätin im Münchner Stadtrat befasst sich mit Feminismus. Ihre Veranstaltungsreihe heißt „The fittest will survive?“. Tuncay Acar, aka „DJ Süperfly“, ist ein anderer. Jeden dritten Mittwoch im Monat talkt der Musiker zum programmatischen Titel „Dies das“.

Respekt zeigen

„Türkische Musik wird in Deutschland als Weltmusik ein- und abgestuft“, erklärt Reier. „Migrantische Formen klassischer zeitgenössischer Musik werden als ‚Folklore‘ einsortiert.“ Da sei der Habibi-Kiosk ein Ort, Respekt zu zeigen und Transformation in die Wege zu leiten.

Alle zwei Wochen freitags senden Mleihi und Reier zudem unter „Radio Habibi“ vier Stunden lang. Mit Gästen aus den Kammerspielen und aus der Stadt soll die Frage „Was ist die Stadt?“ beantwortet werden. Und unter dem Titel „Habibi Gig“ findet jeden zweiten und vierten Freitag im Monat eine Konzertreihe statt.

Mit dem Habibi-Kiosk soll „eine vierte Spielstätte der Kammerspiele“ (Mlehi) entstehen, die die Stadt fünf Jahre begleiten soll – und sich dabei immer wieder von den Strukturen des klassischen Stadt­thea­ters lösen wird.

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