The Specials auf Tour: Liebesbeweis auf proletarische Art
Rocksteady und Ska, Zärtlichkeit und Politik gingen bei den Specials immer Hand in Hand. Am Mittwoch wurden die Briten in Berlin gefeiert.
Die Bühne der Specials sieht aus, als würde ein Lehrstück gegeben. Sparsam um die Band gruppierte Scheinwerfer. Im Hintergrund eine Sammlung von Schildern mit Slogans wie „Vote“, „We sell hope“, „Think!“, „Non Judgement Day Is Coming“, „Help Someone“, „The Television Will Not Be Revolutionized“, aber auch: „Listen to Sly and The Familiy Stone.“
Eine Sirene geht los. Die Band entert die Bühne. „Warning, warning, nuclear attack.“ Dass die alten Songs der Specials nach fast vierzig Jahren immer noch oder wieder aktuell sind, spricht nicht für die Band, sondern gegen die Welt. Eben haben sie ein neues Album veröffentlicht, das mit Ska wenig zu tun hat, aber überraschend frisch klingt. Darauf zu hören ist „Vote for me“, eine Abrechnung mit der Verantwortungslosigkeit der politischen Klasse, im Video sind Schilder wie auf der Bühne mit den Songlyrics zu sehen.
Musik und Politik gingen bei den Specials immer auf intelligente, unaufdringliche Art und Weise Hand in Hand. Das fing schon mit der Zusammensetzung der Band an. Weiße und schwarze Männer spielten gemeinsam Rocksteady und Ska. Im von Arbeitslosigkeit, Krawallen und Rassismus geprägten Großbritannien war das eine Ansage, die von allen verstanden wurde. Da musste man die Lyrics gar nicht gehört haben: „Just because you’re a black boy / Just because you’re a white / It doesn’t mean you’ve got to hate him / It doesn’t mean you’ve got to fight.“
Dass Sänger Terry Hall aus einer linken jüdischen Familie kam und einen großen goldenen Davidstern trug, weil seine Mutter ihm das aufgetragen hatte, tat sein Übriges. Die Neonazis vom „British Movement“ hassten die Band.
Rude Girls and Boys, Skinheads und Punks
Die Fans der Specials waren Rude Girls and Boys, Skinheads und Punks, in Deutschland gehörte auch ein Kontingent autonomer Hausbesetzer dazu. Sie alle liefen am Mittwochabend, nur ein bisschen älter geworden, in Massen auf und feierten die Specials dermaßen, dass Terry Hall am Ende gerührt sagte: „Thank you very much for being so lovely.“ Zuvor hatte er sich kurz unter zwei auf die Bühne fliegenden Bierbechern wegducken müssen, aber das war wohl auch ein Liebesbeweis auf proletarische Art gewesen.
Rudeness, das ist die harte Schale um einen weichen Kern. Die Musik der Specials hat eine Zärtlichkeit und Melancholie, die sich im Gesicht Terry Halls spiegelt, der bekannt dafür ist, nie zu lächeln, aber auch in den Bewegungen der Tanzenden. Hier sind keine Normheteros am Pumpen und Revierabstecken. Gestandene Skinheads mit Bierbauch grooven lässig neben coolen Frauen zu den funky Beats und Posaunenstößen der Specials.
Die ganze Halle singt mit
Das Parkett, das sind normalerweise die billigen Plätze. Hier aber gilt: Wer mehr zahlt, darf tanzen, und das macht die Menge ausgiebig. Ich muss von oben runterschauen, habe aber einen sehr netten Nachbarn, der aus Weimar angereist und wie ich allein ist, weil seine Kumpels morgen arbeiten müssen.
Zwei Zugaben müssen die Specials spielen. Bei „Breaking Point“ versammeln sie sich am Bühnenrand, der Keyboarder hat sich ein Akkordeon umgehängt, dann geben sie jenes Stück vom neuen Album, das von Terry Halls Liebe zur osteuropäischen Musik der Juden und Roma erzählt. Es ist eine Moritat im Geist von Brecht/Weill: „Stand with me at breaking point as riots hit the streets / Another toppled government will make the day complete / There goes another border, here comes a new world order / It’s time to call it quits before the future hits.“
So schön es ist, irgendwann ist Schluss. Da singt noch mal die ganze Halle mit: „You’re wondering now, what to do, now you know this is the end.“ Im November werden die Specials nach einer ausgedehnten Tour durch die USA und das Vereinigte Königreich nochmal nach Deutschland kommen und in München und Dresden spielen.
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