Thailands König ist tot: Monarch des Establishments
Bhumibol setzte sich für die Demokratie ein, umgab sich aber mit Hardlinern. Zuletzt nutzten Konservative ihn, um Oppositionelle zu verfolgen.
Bhumibol war das am längsten amtierende Staatsoberhaupt der Welt. Geboren wurde er am 5. Dezember 1927 im US-Bundesstaat Massachusetts, wo sein Vater, Prinz Mahidol Adulyadej, sein Medizinstudium absolvierte. Seine Mutter Mom Sangwal war eine Bürgerliche. Jugend- und Ausbildungsjahre verbrachte Bhumibol, der unter anderem Rechts- und Politikwissenschaften studierte, überwiegend in der Schweiz. Er begeisterte sich für Fotografie und Jazzmusik, lernte das Saxophonspielen.
Ende April 1950, eine Woche vor seiner offiziellen Krönung, heiratete er Sirikit Kitiyakara, aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Gerühmt wurde er dafür, dass er landwirtschaftliche Projekte aus seiner Privatschatulle bezahlte – was ihm nicht schwerfiel, da er zeitweilig als reichster Monarch weltweit galt.
An erster Stelle der Thronfolge hatte er nicht gestanden: König wurde er nur, nachdem sein älterer Bruder Ananda am 9. Juni 1946 unter mysteriösen Umständen erschossen aufgefunden worden war. Insgesamt dauerte die Ära Bhumibol 70 Jahre und war ebenso ambivalent wie Thailands jüngere Geschichte: Auf Militärdiktaturen folgten blutig unterdrückte Volksaufstände, Wahlen und erneute Putsche.
Der konstitutionelle Monarch intervenierte einerseits, als die Armee pro-demokratische Demonstrationen in 1973 und 1992 gewaltsam niederschlug, während er andererseits Putsche abgesegnet und sich mit pro-royalistischen Hardlinern umgeben habe. Auf dem Höhepunkt des von Studenten angeführten Volksaufstands im Oktober 1973, als das Militär brutal gegen die Demonstranten vorging, hatte der König die Palasttore öffnen lassen, um den Verfolgten Zuflucht zu gewähren.
Mythos von politischer Neutralität
Drei Jahre später, als in den Nachbarländern Vietnam, Laos und Kambodscha die Kommunisten die Oberhand gewannen, war die politische Wirklichkeit eine andere: So hätten Bhumibol und Sirikit dem 1973 vertriebenen, in Mönchsrobe zurückgekehrten militärischen Ex-Diktator Thanom Kittikachorn offiziell einen Besuch abgestattet, so Kritiker. Zudem habe der Palast rechtsgerichtete Gruppierungen unterstützt, die – ebenso wie staatliche Sicherheitskräfte – an dem Massaker an Studenten der Thammasat Universität am 6. Oktober 1976 beteiligt gewesen waren, die gegen Thanoms Rückkehr protestiert hatten.
Thailands altes Establishment suchte Bhumibol als Mythos politischer Neutralität und Garanten gesellschaftlicher Stabilität zu stilisieren, den dieser nicht verkörpert hatte. Bis heute werden Kronrat, Militärs, Technokraten und Bangkoker Geldadel nicht müde zu beteuern, das Königshaus stünde über der Politik. Zugleich sind es jene konservativen Kreise, die die Monarchie zu politischen Zwecken missbrauchen, um politische Einmischung in Form von Militärputschen zu legitimieren und sich auf diese Weise ihre ureigenen Privilegien in Thailands marodem Feudalsystem zu sichern.
Bhumibol war nicht nur Sinnbild der von den traditionellen Eliten ausgegebenen Ideologie „Nation, Religion, Monarchie“; vielmehr gehören Palast, sein royales Netzwerk und die Armee zu den am meisten politisierten und engsten miteinander verflochteten Institutionen des Landes.
Fraglich ist indes, wieviel Einfluss der von vielen Thais verehrte Bhumibol tatsächlich hatte: Der einst an der Bangkoker Chulalongkorn Universität lehrende Politikwissenschaftler Giles Ungpakorn argumentiert, die wahre, hinter dem Thron lauernde Macht sei das Militär. So existiere die Monarchie nur, um die Taten des Militärs und anderer Eliten zu rechtfertigen, so der Thai-Brite Giles, der der Majestätsbeleidigung bezichtigt worden und 2009 nach Großbritannien geflohen war.
Putsch in der Farbe des Königs
Ob aus Überzeugung oder nicht: Nach außen billigte Bhumibol auch die Staatsstreiche von 2006 und 2014, in deren Folge die demokratisch gewählten Regierungen unter Premier Thaksin Shinawatra und dessen Schwester, Premierministerin Yingluck Shinawatra, gestürzt worden waren. Beiden Putschen waren Straßenproteste und von der Opposition boykottierte Wahlen vorangegangen. Zuvor hatte Bhumibol den Demonstranten, die 2006 nach königlicher Intervention gerufen hatten, noch eine Absage erteilt: „Wartet nicht auf einen vom Königshaus ernannten Premierminister, weil das keine Demokratie wäre.“
Damals hatten die Militärs Thaksin des Machtmissbrauchs und des mangelnden Respekts für das Könighaus bezichtigt. Bei dem als „sanfter Putsch“ bezeichneten Umsturz 2006 hatte einmal mehr die Monarchie als Legitimation herhalten müssen: So waren die Gewehre der Soldaten mit Bändern in Gelb umwickelt gewesen – der Symbolfarbe Bhumibols.
In den folgenden, teils von blutiger politischer Gewalt überschatteten Jahren, in denen erneut die Thaksin-Gegner (Gelbhemden) sowie die überwiegend aus Thaksin-Anhängern bestehenden Rothemden auf die Straßen gingen, schwieg der als „Vater der Nation“ bezeichnete Monarch zur desaströsen politischen Lage.
Ob aus politischer Schwäche oder fortschreitender Krankheit intervenierte Bhumibol auch nicht, seit die Junta unter Diktator Prayuth Chan-ocha nach dem Putsch vom Mai 2014 einen immer drastischeren Missbrauch des drakonischen Gesetzes gegen Majestätsbeleidigung betreibt, in dessen Folge jeder schuldig Gesprochene pro Anklagepunkt mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft wird. Mit Absicht lassen die angeblichen Beschützer der Monarchie jene Geburtstagsansprache des Königs von 2005 außen vor, in der Bhumibol erklärte, dass Kritik an seiner Person zugelassen werden müsse: „Wenn gesagt wird, der König könne nicht kritisiert werden, dann würde das bedeuten, dass der König nicht menschlich sei.“
„Je häufiger das Gesetz angewendet wird, desto mehr wird es die Monarchie beflecken“, sagt der im japanischen Exil lebende Politologe und Juntakritiker Pavin Chachavalpongpun. Der Palast habe sich selbst unnötigerweise Feinde geschaffen, was zu einem rapiden Autoritätsverlust führe. Der Ruf des thailändischen Königshauses dürfte weiter erodieren, da nach dem vergleichsweise verehrten Bhumibol mit dem als Lebemann und Playboy geltenden Kronprinzen Maha Vajiralongkorn ein Mann auf den Thron gelangt, der selbst vom royalistischen Establishment verachtet wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen