Teure Strafmandate für Radler: Schuld und Sühne
■ Die Buß- und Verwarngelder wurden bei Radfahrverstößen angehoben
Mit zehn Geboten ist es für den modernen Fahrradfahrer heutzutage schon längst nicht mehr getan. Doch nicht nur die Zahl der Ge- und Verbote ist seit Moses Zeiten ins Unermessliche gestiegen. Auch die Art der Sanktionen hat sich seither deutlich gewandelt. Wer gegen das elfte Gebot – „Du sollst dich nicht erwischen lassen“ – verstößt, kommt bei den Freunden und Helfern jetzt mit „extra teuer“ davon.
Nachdem der Bundesrat Anfang Februar den neuen Bußgeld- und Verwarnungsgeldern bei Verstößen im Straßenverkehr zugestimmt hatte, war der Weg für höhere Geldstrafen frei, die vor allem Radfahrer zu spüren bekommen. Die Regelsätze bei Bikern wurden von bislang 10 Mark auf nunmehr 20 Mark verdoppelt. Aber vor allem besonders risikobehaftete Ordnungswidrigkeiten von Radlern wurden mit höheren Verwarnungsgeldern belegt.
Doch dabei scheint der Gesetzgeber in einigen Fällen die Verhältnismäßigkeit aus den Augen verloren zu haben. So muss ein Autofahrer, der eine Einbahnstraße in verkehrter Richtung durchquert, beispielsweise 40 Mark berappen; die gleiche Ordnungswidrigkeit mit dem Velo begangen, kostet dagegen nur schlappe 10 Mark weniger. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) spricht in solchen Fällen von einer „Schieflage“. Schließlich gehen doch vom „Geisterradler“ deutlich weniger Gefahren aus, als dies bei Kraftfahrzeugen der Fall ist.
Auch für Klaus-Peter Land vom Bremer ADFC stehen die neuen Strafgebühren in keinem Verhältnis. „Schlechte Fahrradwege, aber andererseits die Sanktionskeule schwingen“ – das sei nicht angemessen. Der Bundesvorsitzende des ADFC, Wolfgang Große, hat in einer ersten Reaktion die Erhöhung der Geldstrafen zwar nicht kategorisch abgelehnt, aber beispielsweise die Einbahnstraßenregelung als verfrüht kritisiert: Die Fahrradnovelle, die in den Kommunen eine Freigabe der Einbahnstraßen für Radfahrer erleichtere, sei vielerorts noch nicht in die Praxis umgesetzt. Große: „Der ADFC hält aus diesem Grund eine Verschärfung des Verwarnungsgeldkatalogs zum jetzigen Zeitpunkt für verfehlt.“
Einzelne Verstöße, wie das Fahren in Fußgängerbereichen, kosten nun 20 statt 10 Mark. Wer keine Klingel oder funktionierende Beleuchtung hat, kann ebenfalls mit höheren Sanktionen zwischen 30 und 50 Mark rechnen. Auch die Miss-achtung der Radwegebenutzungspflicht wird nun mit 40 Mark (bei Behinderung) oder gar 50 Mark (bei Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer) geahndet. Bei Sachbeschädigung sind sogar 60 Mark fällig.
Gerüchte, dass die Bremer Polizei seit den teuren Strafen vor allem an der Bischofsnadel härter kontrolliert, ließen sich dagegen nicht erhärten. Im Rahmen der Ausbildung der Bereitschaftspolizisten hatte jüngst ein rundes Dutzend Polizisten sich auf die Fahrradfahrer gestürzt. Eine Einmal-Aktion, bei der es in der Regel beim Ermahnen mit dem Zeigefinger blieb – „Bußgelder wurden kaum eingesammelt“, erklärte dazu die Polizeipressestelle. Lars Klaassen
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