Teufelsberg: Guru fliegt auf Berlin
Die Maharishi-Meditationsbewegung will eine "Universität des Unbesiegbaren Deutschlands" auf dem Teufelsberg errichten. Allerdings fehlt bislang die Baugenehmigung.
Viele Berliner ahnten: Für die Lösung der Ruinenlandschaft auf dem Teufelsberg hilft nur noch ein Wunder. Nichts Geringeres als dieses planen die Maharishi-Meditationsbewegung und der Hollywood-Regisseur David Lynch: Sie wollen auf dem Plateau des höchsten Berges der Stadt eine "Universität des Unbesiegbaren Deutschlands" errichten - Lehrgänge im "yogischen Fliegen" und den Bau eines 50 Meter hohen "Friedensturms" inklusive. "Das wird unsere Vorzeigeuniversität für Deutschland", verspricht Guru Emanuel Schiffgens, der Kopf der deutschen Maharishi-Stiftung.
Dass die Unbesiegbarkeits-Uni nicht nur ein Luftschloss ist, davon sind selbst die bisherigen Besitzer des Teufelsbergplateaus noch nicht überzeugt. Hanfried Schütte von der Investorengemeinschaft Teufelsberg (IGTB) räumt eine "gewisse Skepsis" ein. Parallel zum Maharishi-Projekt verfolge die IGTB daher eine eigene Idee: die Eröffnung einer Gastronomie im ehemaligen US-Radarturm, umgeben von einer rekultivierten Wiesenlandschaft. Damit verabschieden sich die Investoren erstmalig von früheren, finanziell weitaus ambitionierten Plänen. "Wenn sich die Sache rechnet, machen wirs", kündigt Schütte gegenüber der taz an.
Ursprünglich wollte die IGTB ein Luxusresort mit Fünf-Sterne-Hotel, Nobel-Apartments, Restaurant und einem Spionagemuseum auf dem Berg errichten. Doch seit dem Erwerb der ehemaligen US-Abhöranlage 1996 wurden nie mehr als eine Musterwohnung und vereinzelte Fundamente realisiert.
Weder Mieter noch weitere Investoren ließen sich für das Projekt begeistern. 2004 entzog der Senat der IGTB aufgrund von Untätigkeit die Baugenehmigung und deklarierte das Gelände als Waldfläche. Ein geplanter Rückkauf der Stadt mit anschließender Renaturierung scheiterte. Das von Finanzsenator Thilo Sarrazin offerierte Rückkaufangebot von 500.000 Euro lehnte die IGTB als "beinah unsittlich niedrig" ab. Im Gegenzug verweigerte der Senat eine von den Investoren vorgeschlagene Rückabwicklung des Kaufvertrags mit Verweis auf die millionenschweren Hypotheken, die auf dem Gelände liegen.
Mit dem Patt sind es vor allem Verfall und Vandalismus, die sich an der Spionage-Ruine zu schaffen machen. Mit seinem neuen Plan möchte sich Investor Hanfried Schütte an dem Siegerentwurf des vom Senat ausgelobten Peter-Joseph-Lenné-Preises für Garten- und Landschaftsarchitektur von 2006 orientieren. Für den Teufelsberg wird darin eine Nutzung des Radarturms als Café und Aussichtsplattform vorgeschlagen. Die umliegenden Freiflächen sollen als blühende Wiesenlandschaften, umsäumt von Birkenhainen, einen Ausblick auf die Stadt ermöglichen. Man wolle mit diesem Kompromiss zwischen Gewerbe und Natur Berlin und den Anwohnern entgegenkommen, erklärt Schütte. Bis April wolle er warten - sollte bis dahin kein Baurecht für die Maharishi-Stiftung vorliegen, werde man das Lenné-Projekt in Angriff nehmen.
Wie viel Substanz hinter dem neuerlichen Vorschlag der IGTB steckt, bleibt derweil unklar. Noch vor einem halben Jahr hielt Schütte ein Gesundheitszentrum oder einen Freizeitpark auf dem Berg für möglich. In Senatskreisen ist von dem neuen Vorstoß noch nichts bekannt. Pauschal ablehnen wollte man die Idee jedoch nicht. "Ob eine teilgewerbliche Nutzung möglich ist, müssten wir prüfen", so Manuela Damianakis, Sprecherin von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Auch Klaus-Dieter Gröhler (CDU), Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, will auf Details warten.
Andreas Meißner vom Ökowerk am Teufelsberg zeigt sich vorsichtig zufrieden über den neuen Vorstoß: "Wir wünschen uns eigentlich keine Gastronomie. Aber über den Vorschlag ließe sich eher reden als über eine Universität." Meißner ärgert sich vor allem über die Hinhalte-Taktik des Senats. Dieser hätte längst das Gelände zurückerwerben und renaturieren sollen. Dies sei auch immer noch Ziel des Senats, bekräftigt Sprecherin Damianakis. Der Rückkauf könne aber nur zu einem "sehr günstigen Preis" erfolgen. "Bis dahin wartet Berlin."
Bereits im November habe er sich mit den bisherigen Besitzern über den Kauf des Bergplateaus geeinigt, so der Guru. Schon in einem Jahr, am 12. Januar 2009, soll der Lehrbetrieb der Universität aufgenommen werden - am Geburtstag des indischen Obergurus der Bewegung, Maharishi Mahesh Yogi. Ein Plan, der tatsächlich eines Wunders bedarf, denn bisher erteilt der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf dem Großprojekt eine klare Absage. "Es gibt keine Notwendigkeit, gerade auf dem Waldgebiet des Teufelsbergs Baurecht zu erteilen", bekräftigt Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) gegenüber der taz. Als 2004 der Plan eines Luxusresorts auf dem Gipfel jämmerlich scheiterte, entzog der Senat die Baugenehmigung für das Areal (siehe Kasten). Seitdem ist das Gelände als Waldfläche ausgeschrieben - auf dem bis heute die Ruinen der einstigen US-Abhörstation weiter zerfallen.
Guru Emanuel Schiffgens ist sich dennoch "hundertprozentig sicher", das Baurecht für den Teufelsberg zu bekommen. Seine Universität sei eine "privilegierte Baumaßnahme mit übergeordneter Bedeutung" - und müsse damit nicht vom Bezirk, sondern vom Senat genehmigt werden. "Das ist völliger Quatsch. Das geben die Paragrafen überhaupt nicht her", schüttelt Baustadtrat Gröhler den Kopf. Dem stimmt auch der Senat zu. Man sehe keine gesamtgestalterische Bedeutung für Berlin, erklärt Manuela Damianakis, Sprecherin von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD).
Auch in der Finanzverwaltung bleibt man zurückhaltend. Die Stadt müsse einem Weiterverkauf des Teufelsberg-Plateaus zustimmen, so eine Sprecherin. Bisher habe man aber noch keinen Kaufvertrag zu sehen bekommen. Schiffgens will derweil bei Bürgermeister Klaus Wowereit sein Projekt persönlich bewerben. Das Stadtoberhaupt habe zumindest Gesprächsbereitschaft mit dem Hollywood-Filmemacher David Lynch signalisiert, der als Mentor und Mitsponsor der geplanten Universität auftritt. Lynch hatte am 13. November während eines Berlinbesuchs bereits einen Grundstein für die Universität auf dem Teufelsberg gelegt - im nächtlichen Schein von Fackelträgern und einem mit Krone und weißem Umhang bekleideten Emanuel Schiffgens.
Am gleichen Tag hatte Schiffgens auch das Grundstück erworben, wie Hanfried Schütte von den bisherigen Besitzern, der "Investorengemeinschaft Teufelsberg" (IGTB), bestätigt. Gültigkeit erhält der Kaufvertrag allerdings erst, sobald die Maharishis das Baurecht erteilt bekommen. Schiffgens betont, man werde einen "wesentlich höheren Betrag" zahlen, als die IGTB für den Erwerb des Grundstücks einst berappte. Die Investorengemeinschaft hatte das Gelände 1996 für umgerechnet 2,65 Millionen Euro erworben.
Der Kaufpreis wäre denn auch Peanuts gegen die veranschlagten 120 Millionen Euro, die für die Errichtung der Universität investiert werden sollen. Zwei Hauptgebäude mit weißen Marmorfassaden und einen zwölf Etagen hohen "Friedensturm" mit Sternwarte plant die Stiftung. Besonders der Turm werde "sicher schnell zum neuen Wahrzeichen Berlins avancieren", ist Schiffgens überzeugt. Auf dem 4,7 Hektar großen Gelände soll zudem ein ausgedehntes Parkgelände geschaffen werden. Den rund 1.000 Studenten sollen neben den traditionellen akademischen Studienrichtungen auch Kurse der "transzendentalen Meditation" und des "yogischen Fliegens" angeboten werden.
Die Maharishis sind überzeugt, durch gemeinsames Meditieren einen Zustand der Glückseligkeit zu erreichen, der Stress, Süchte und Negativität vertreibt. Mit einer ausreichenden Zahl an Teilnehmern sei es sogar möglich, Gewalt und Kriegen entgegenzuwirken. Damit könne Deutschland "unbesiegbar" gemacht werden. So sei es der Organisation nach eigenen Auskünften auch gelungen, mit Massenmeditationen den Kalten Krieg zu beenden und Deutschland wiederzuvereinigen.
Der Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen der evangelischen Kirche, Thomas Gandow, befürchtet, dass es bei dieser Meditationsbewegung um mehr als nur die innere Einkehr geht: "Das ist ein großer Schwindel." Für Mitglieder der Bewegung könne die transzendentale Meditation zu "schweren psychischen Schäden" führen. Es handele sich um eine extreme Gurubewegung, die autoritär organisiert und demokratiefeindlich sei. "Das ist keine Wissenschaft, sondern ein Gurukult. Manche würden es Hindufaschismus nennen", so Gandow. Zudem seien ähnliche, in anderen Ländern geplante Universitäten nie realisiert worden. Bei den Projektankündigungen gehe es hauptsächlich um Spendenmobilisierung innerhalb der eigenen Mitgliedschaft. "Ich hoffe, der Bezirk bleibt hart", so Gandow.
Auch Umweltschützer und Anwohner des Teufelsbergs zeigen sich wenig begeistert. Als "sehr bedenklich" bewertet Andreas Meißner, Geschäftsführer des Ökowerks am Fuße des Teufelsbergs, das Projekt. Die Universität würde für die Naturlandschaft unvertretbare Infrastrukturmaßnahmen mit sich bringen. Das Ökowerk fordere daher weiter eine Renaturisierung des Gipfels. Sollten sich die Uni-Pläne konkretisieren, werde man gemeinsam mit dem "Aktionsbündnis Teufelsberg" erneut "Gegenwind anfachen".
Guru Emanuel Schiffgens ficht all das nicht an. Man wolle und werde Berlin stolz auf die Unbesiegbarkeits-Uni machen. Und schließlich habe das Land auch handfesten Nutzen aus der Ansiedlung. Bereits nach einem Jahr Lehrbetrieb, so hat Schiffgens errechnet, werde durch das gemeinsame Meditieren der Studenten ein Rückgang der Berliner Kriminalitätsrate, der Unfälle und der Krankenhauseinweisungen von 20 Prozent eintreten. Maharishi sei Dank.
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