Teststrecken-Unglück: Transrapid soll wieder schweben
Die Niedersächsische Opposition sieht eine Mitverantwortung von Wirtschaftsminister Hirche (FDP) am Transrapid-Unglück. Der will die Teststrecke im Herbst wieder in Betrieb nehmen.
Am geplanten, 1,85 Milliarden teuren Transrapid-Projekt in München hat der Bund sein Interesse bekräftigt, jedoch erneut schwierige Finanzverhandlungen angekündigt. Diese sollten nun im September zwischen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und seinem bayerischen Amtskollegen Erwin Huber (CSU) stattfinden, kündigte Tiefensee-Sprecher Dirk Inger am Montag an. "Der Transrapid ist ein Projekt, was von der Bundesregierung verfolgt wird", sagte Inger. Voraussetzung sei aber, dass die Finanzierungsfrage geklärt werde. Der Sprecher rechnete eine Finanzierungslücke von rund 645 Millionen Euro vor. Der Bund habe 550 Millionen Euro zugesagt, von der Bahn kämen etwa 185 Millionen und Bayern habe seinen Anteil kürzlich auf rund 470 Millionen aufgestockt. Den in Bayern erweckten Eindruck, wonach der Bund bis zu 925 Millionen Euro zuschießen könne, nannte Inger falsch
HANNOVER taz Elf Monate nach dem Magnetbahn-Unglück im Emsland mit 23 Toten streitet der Transrapid-Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtages über seinen Abschlussbericht. Die Vertreter von SPD und Grünen sehen den am Montag vom Ausschuss vereidigten Landeswirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) weiter in der Mitverantwortung für das Unglück. Nach Meinung der regierenden Christ- und Freidemokraten haben die Beweiserhebungen des Ausschusses dagegen keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Wirtschaftsministeriums ergeben.
Der Abschlussbericht, den die Landtagsverwaltung im Entwurf erstellt hat, stellt menschliches Versagen in den Mittelpunkt und schließt eine technische Ursache aus. Auslösende Ursache sei zweifelsfrei, dass die Teststrecke für den Transrapid freigegeben worden sei, "obwohl sich zu diesem Zeitpunkt das Sonderfahrzeug auf einem vom Magnetfahrzeug beanspruchten Fahrwegabschnitt befand". Als zweite primäre Unfallursache konstatiert der Bericht allerdings, dass "die zwingend vorgeschriebene technische Sperrung" des vom Wartungsfahrzeug besetzten Magnetbahnabschnittes nicht erfolgte. Zudem listet er eine ganze Reihe sekundärer Unglücksursachen auf.
Der politische Streit entzündet sich jetzt an der nicht erfolgten "technischen Sperrung" des durch das Wartungsfahrzeug besetzten Streckenabschnitts. Die Vertreter des Teststreckenbetreibers hatten vor dem Ausschuss bestritten, dass das Setzen der "Fahrwegsperre" überhaupt vorgeschrieben war. Dem widersprachen Gutachter des TÜV oder auch des Eisenbahnbundesamtes. Die Oppositionsvertreter im Ausschuss werfen Wirtschaftsminister Hirche nun vor, durch Verzicht auf Kontrollen die Verstöße des Betreibers gegen Sicherheitsbestimmungen zugelassen zu haben.
Um den Streckenbereich mit dem Wartungsfahrzeug sei in 60 Prozent der Fälle keine Sperre gesetzt worden, sagte der SPD-Obmann im Ausschuss, Gerd Ludwig Will. Zwischen dem Betreiber und der zuständigen Landesbehörde habe es schriftlich dokumentierten Streit über die Fahrwegsperre gegeben, betonte der Landtagsabgeordnete. Die Landesbehörde habe sich dabei durchgesetzt, anschließend aber die Einhaltung ihrer Vorgaben nicht kontrolliert.
Wirtschaftsminister Hirche bezeichnete gestern menschliches Versagen als alleinige Unfallursache. Allerdings kündigte auch er "technische Vorkehrungen" an, die künftig verhindern sollen, dass Transrapid und Wartungsfahrzeug gleichzeitig auf die Teststrecke geschickt werden.
Eine Wiederinbetriebnahme der Teststrecke sei noch in diesem Jahr möglich, sagte Hirche weiter. Am 8. Oktober werde eine Sicherheitskonferenz stattfinden, auf der man Konsequenzen aus dem Unfall ziehen wolle. Zudem müsse man darüber diskutieren, ob künftig bei der ersten Versuchsfahrt des Transrapid über die Teststrecke noch Besucher zuzulassen seien. Bei seiner ersten morgendlichen Versuchsfahrt war der Transrapid am 22. September vergangenen Jahres verunglückt. JÜRGEN VOGES
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