piwik no script img

Testspiel Deuschland - EnglandAus der Hoffenheimer Schule

In Marvin Compper und Tobias Weis entsendet der Aufsteiger aus dem Kraichgau gleich zwei Profis zum Länderspiel gegen England.

Die Hoffenheimer Spieler Marvin Compper (l) und Tobias Weis (r) sind für das Länderspiel gegen England aufgestellt. Bild: ap

Immer an Sonntagen oder Feiertagen kamen diese Filme. Meist schön schmalzig und in den USA gedreht. Ein bunter Haufen spielte Baseball, Basketball oder sonst etwas und hatte eigentlich keine Chance gegen gut gekämmte und adrette College-Boys aus besserem Hause. Ein paar dickere Burschen waren dabei, ein Tollpatsch mit Brille und Unsportliche, die keiner in seiner Mannschaft haben wollte. Die Streifen gingen immer gleich aus: Die Außenseiter eilten von Sieg zu Sieg und stopften sich anschließend mit Marshmellows und Popkorn voll. Selbst saß man zu Hause auf dem Sofa und glaubte wieder an Gerechtigkeit in der Welt.

Ganz so dramatisch darf man die jüngsten Berufungen von Bundestrainer Joachim Löw fürs Testspiel gegen England am Mittwoch in Berlin zwar nicht sehen, aber ein bisschen was davon hat die Geschichte von Marvin Compper und Tobias Weis doch. Die beiden sind zwar nicht dick, und sie tragen auch keine Brille, aber die anderen wollten sie nicht in ihrer Mannschaft haben. Dass Löw sie auswählte, hat einen guten Grund. Sie sind jung, schnell und entwicklungsfähig, also etwas für die Zukunft des deutschen Fußballs.

Matthias Jaissle und Andreas Beck seien die Nächsten im deutschen Nationalteam, glaubt Ralf Rangnick, Trainer von 1799 Hoffenheim, dem Wunderteam der Bundesliga. Jaissle und Beck müssen trotz des Lobs ihres Coaches noch ein bisschen warten, Compper und Weis sind jetzt schon die ersten deutschen Nationalspieler des Aufsteigers. Wer aber sind die überraschenden Kandidaten?

Seinen Spitznamen "Mini-Gattuso" haben andere für ihn erfunden. Der kleine Weis hätte ihn nicht ausgesucht. Aber der 23 Jahre alte Mittelfeldkämpfer hat nichts dagegen, so genannt zu werden. Sein Spiel ähnelt dem des italienischen Weltmeisters Gennaro Gattuso. Der gilt als Giftzwerg, was im Fußball nicht mehr bedeutet als kampf-, lauf- und willensstark zu sein. Bei Weis darf der Fußballfreund zudem eine gute Technik erwarten. Ein hölzerner Klopper, der im Mittelfeld abräumt, ist der Schwabe nicht. "Schwer auszurechnen", nennt ihn sein Trainer Ralf Rangnick. Seine Erklärung dafür: Weis, profitiere mit seinen 1,70 Meter von einem tiefen Körperschwerpunkt und sei extrem wendig. Das ist im dicht bevölkerten Mittelfeld eine besondere Stärke, die Weis bis in die erste Elf bei 1899 spülte.

Vor einem Jahr war er dort noch Ersatz, am 19. August 2007 machte er sein erstes Zweitligaspiel für Hoffenheim. Vor zwei Jahren war er beim VfB Stuttgart nur gut genug, um im Amateurteam zu spielen. Für die Bundesliga reichte es nicht. Welchen Stellenwert Weis in Hoffenheim hat, verdeutlichen zwei Spiele. In Bremen stand es zur Pause 1:4, als Weis eingewechselt wurde, um den offensiven Fußballkünstlern etwas mehr Festigkeit zu geben. Die Partie endete immerhin 5:4 für Bremen. In Bochum kam Weis bei 0:1 und 1899 siegte mit 3:1.

Auch Marvin Compper ist Schwabe. Als Fußballprofi trat der 1,85 Meter große Abwehrmann erstmals bei Borussia Mönchengladbach in Erscheinung, geboren ist der Neuling mit französischem Pass jedoch im schwäbischen Tübingen. Sein Vater stammt aus Guadeloupe, deshalb die beiden Staatsangehörigkeiten. Der 23 Jahre alte Verteidiger kann sowohl in der Innenverteidigung spielen als auch auf der linken Außenposition. "Variabel einsetzbar", nennt das Bundestrainer Löw. So etwas macht einen Spieler doppelt wertvoll. Wie Weis wechselte er vom VfB Stuttgart nach Hoffenheim.

Compper kam aus der Jugend in die Amateurelf in Mönchengladbach. In drei Jahren machte er 31 Spiele, saß zuletzt aber nur noch auf der Ersatzbank oder der Tribüne. So wechselte er am 12. Januar 2008 in den Kraichgau und erkämpfte sich sofort einen Stammplatz im Zweitligateam, das im Sommer 2008 in die Bundesliga aufstieg. Besonderes Kennzeichen: Schnelligkeit. Er ist ein Kicker, dem Rangnick großes Potenzial bescheinigt.

Ganz unbekannt ist Compper beim Deutschen Fußball-Bund nicht. Er machte 13 Länderspiele für die U20-Nationalmannschaft. "Das Potenzial ist noch lange nicht ausgereizt. Sie sind noch sehr jung", sagt Rangnick. Es wird also in Berlin im Länderspiel gegen England am kommenden Mittwoch nicht so sein, dass die Etablierten draußen sitzen und die Neulinge aus Hoffenheim, die keiner wollte, auf dem Platz stehen. Aber sie sind dabei, immerhin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!